Die Libellenfauna der Weserrandsenke "Taubenborn" 
bei Höxter ( Insecta: Odonata )*

Mathias Lohr und Hanns-Dieter Mitzka

* aus dem Lehrgebiet Tierökologie, Fachhochschule Höxter, Fachbereich 7, An der Wilhlmshöhe 44, 37671 Höxter

EGGE-WESER Band 14 Seiten 031-050 2001

1 Einleitung

Zwischen der Nethemündung im Süden und Holzminden im Norden liegen in einer Talaufweitung der Oberweserniederung mehrere ausgedehnte Flutrinnen- und Randsenkenkomplexe. Die Weser windet sich hier in mehreren Flußschlingen durch die streckenweise mehr als 1,5 km breite Aue. Etwa 2 km südlich von Höxter liegt am Fuße des Ziegen- und des Brunsbergs in einer Randsenke der Oberweserniederung der "Taubenborn" und die "Grundlosen".

Der Ziegenberg - bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Gegenstand einer intensiven naturkundlichen Erforschung – gilt unter Botanikern als "wahres Pflanzenparadies" und ist überregional bekannt für das Vorkommen seltener, wärmebedürftiger Pflanzen- und Tierarten. Einige dieser Arten erreichen im Oberwesergebiet die Nordgrenze ihrer Verbreitung und haben hier ihren einzigen bekannten Fundort in Westfalen (vgl. RUNGE 1978, HAEUPLER 1983).

Die unmittelbar angrenzende Randsenke der Oberweserniederung im Bereich des "Taubenborn" und der "Grundlosen" hingegen rückte erst seit den 1970er Jahren ins nähere Interesse der Naturkundler (vgl. AVERDIECK & PREYWISCH 1995). Seitdem ist das Gebiet auch im Rahmen zahlreicher Studien-, Diplom- und Forschungsarbeiten der Universität Paderborn / Fachhochschulabteilung Höxter ausführlich untersucht worden (z. B. MITZKA 1990, BÖTTCHER et al. 1993, RICHTER 1996). All diese Untersuchungen belegen eindrucksvoll die hohe Bedeutung des Gebietes für den Naturschutz. Insbesondere das Vorkommen z. T. sehr unterschiedlicher Lebensräume auf engstem Raum – trocken-warmer Standorte am Ziegenberg und den Rabenklippen, eher kühler, wechselfeuchter Standorte in der Weserrandsenke - bewirkt eine Standortvielfalt, die einzigartig ist. Dabei bestehen sehr enge Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Teillebensräumen des Gebietes, da viele Tierarten während ihres Lebenszyklus z. T. sehr unterschiedliche Teilhabitate innerhalb dieses Lebensraumkomplexes nutzen.

Der Ziegenberg mit den Rabenklippen wurde bereits 1930 unter Naturschutz gestellt (RUNGE 1978). Nachdem 1995 die Ökologische Arbeitsgemeinschaft der Uni Paderborn, Abteilung Höxter, die Ausweisung des Taubenborns als Naturschutzgebiet beantragt hatte, wurde dieser Vorschlag im Entwurf des Landschaftsplanes Nr. 1 "Wesertal mit Fürstenauer Bergland" (Nov. 1997) aufgenommen. Momentan unterliegt der größte Teil des Taubenborns dem Schutzstatus "Landschaftsschutzgebiet", die Grundlosen sind seit 1974 als Naturdenkmal geschützt. Im Gebiet kommen bedeutende Populationen mehrerer so genannter "FFH-Arten" und "–Lebensräume" vor. Hierbei handelt es sich um Arten und Lebensräume, für die die Mitgliedsstaaten der EU gemäß der "FFH-Richtlinie" Schutzgebiete ausweisen müssen. Im Taubenborn sind dies z. B. Kammolch und Hirschkäfer sowie Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder. Das Gebiet wurde daher Ende 2000 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens als FFH-Gebiet gemeldet.

Aktuell ist der Taubenborn jedoch bedroht durch den Neu- bzw. Ausbau der B64/B83. Zwei der drei zur Auswahl stehenden Trassen führen durch das Gebiet. Fällt die Wahl auf eine der beiden Trassen, so gehen nicht nur wertvolle Lebensräume im Bereich des temporär überfluteten, extensiven Grünlands verloren, sondern es werden auch die Lebensräume vieler Tierarten wie z. B. des Kammolch zerschnitten.

 

Im folgenden werden die Ergebnisse mehrjähriger libellenkundlicher Untersuchungen des Taubenborn dargestellt und die naturschutzfachliche Bedeutung des Gebietes exemplarisch für die Libellen aufgezeigt. 

2 Das Untersuchungsgebiet und seine Gewässer

2.1 Lage des Untersuchungsgebietes

Das Untersuchungsgebiet umfaßt etwa 75 ha und liegt in der als "Taubenborn" bezeichneten Randsenke der Oberweserniederung 2 km südlich von Höxter (Kreis Höxter, Nordrhein-Westfalen, Meßtischblatt 4222). Das Untersuchungsgebiet gehört zur naturräumlichen Einheit "Holzmindener Wesertal (367)" (Preywisch 1981). Am Fuß des Ziegenbergs gelegen bildet es den westlichen Teil der so genannten "Godelheimer Seen". Hierbei handelt es sich um einen zum Teil noch im Betrieb befindlichen Abgrabungskomplex, der sich links der Weser auf deren Niederterrasse zwischen den Ortschaften Höxter und Godelheim erstreckt.

Im Norden wird das Untersuchungsgebiet vom Hangfuß des Ziegenbergs, im Osten von der Bahnlinie Altenbeken-Kreiensen, im Süden von einem Wirtschaftsweg und im Westen von einem Bundeswehr-Schießstand begrenzt (Abb. 1). Es umfaßt im nördlichen und östlichen Teil den Hangfuß des Ziegenbergs und einen extensiv bewirtschafteten Grünlandkomplex, der von zwei überwiegend grundwassergespeisten Randsenkenbächen, dem Hecht- und dem Holzgraben, durchzogen wird. Im zentralen und im südlichen Teil finden sich heute mehrere Abgrabungsgewässer, ein Erlenwaldkomplex mit mehreren flachen Weihern, den so genannten "Grundlosen", sowie Fichten- und Pappelforste.

Untersuchungsgebiet sowie Lage und Nummerierung der untersuchten Gewässer

Abb. 1:   Das Untersuchungsgebiet sowie Lage und Nummerierung der untersuchten Gewässer (aus MITZKA 1990, verändert; Maßstab 1:10.000)

2.2 Klima

Das Holzmindener Wesertal, zu dem auch das Untersuchungsgebiet zählt, liegt im Regenschatten des Eggegebirges und des Brakeler Berglandes und weist mit etwa 750 bis 800 mm einen deutlich niedrigeren mittleren Jahresniederschlag auf als das umgebende Bergland (MAASJOST 1981).
Das langjährige Mittel der Lufttemperatur beträgt etwa 8,5°C, wobei die mittlere Lufttemperatur im Januar zwischen 0 und 1°C und im Juli zwischen 17 und 18°C liegt (Periode 1931-1960, SCHIRMER 1976). Aufgrund der Lage in der Randsenke des Wesertals kommt es insbesondere in Strahlungsnächten zur Bildung größerer Kaltluftseen, eine erhöhte Nebelbildung ist die Folge. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Bahndamm, der das Gebiet im Osten begrenzt. Das Gebiet liegt geschützt im Windschatten des Ziegen- und des Brunsberges, die die hauptsächlich aus Westen wehenden Winde abschwächen. Es weist daher gegenüber benachbarten Bereichen der Weserniederung oftmals höhere Temperaturen auf. 

2.3 Überflutungsgeschehen

Bei steigenden Wasserständen der Weser staut sich zunächst das von den Hängen zuströmende Grund- und Oberflächenwasser an. Dies führt zunächst insbesondere im Bereich des Hecht- und des Holzgrabens zu einem Rückstau des abfließenden Wassers, so daß sich schon vor einer direkten Überflutung des Gebietes durch die Weser ausgedehnte Wasserflächen in den Grünlandbereichen bilden können. Auch die Wasserstände der Abgrabungsgewässer und der "Grundlosen" korrespondieren mit den Grundwasserständen. Bei sehr hohen Wasserständen der Weser erfolgt dann eine direkte Überflutung von stromabwärts über einen Durchlaß des Hechtgrabens durch den Bahndamm, so daß es dann zu großflächigen Überflutungen im gesamten Bereich des Taubenborn kommt.

Das Überflutungsgeschehen ist durch den Bau des Eisenbahndamms um etwa 1864 stark beeinflußt worden. Auf Luftbildern sind im Bereich des z.T. durch den Kiesabbau zerstörten Grünlandes Flutrinnen zu erkennen, die von einer ehemaligen Überflutung auch von stromaufwärts zeugen. Diese Verbindungen sind durch den Bahndamm weitgehend abgeschnitten worden. Trotzdem ist durch die direkte Verbindung des Hechtgrabens mit der Weserniederung eine randsenkentypische Überflutungsdynamik erhalten geblieben.

Ueberflutetes Gruenland ...

Abb. 2: Überflutetes Grünland des "Taubenborn" bei Hochwasser

2.4 Die Gewässer des Untersuchungsgebietes und ihre Entstehungsgeschichte

Randsenken sind die Randbereiche der durch das Überflutungsgeschehen geprägten Aue. Flußfern werden hier bei Hochwasser vergleichsweise feine Sedimente abgelagert, da die Transportkraft des Wassers in diesen Bereichen gering ist. Randsenken liegen daher meist tiefer als die flußnahen Bereiche, in denen größere Mengen grobkörniger Sedimente zur Ablagerung gelangen. Geprägt sind Randsenkenbereiche daher durch relativ hoch anstehendes Grundwasser, das zeitweise über Flur ansteigen kann (GERKEN 1988). Aufgrund dieser Tatsache ist bis heute insbesondere im nördlichen Teil des Untersuchungsgebietes eine extensive Grünlandnutzung erhalten.

Wie die gesamte Oberweserniederung ist die Randsenke des Taubenborn geprägt durch großflächige Auelehmablagerungen, die durchschnittlich 2,5 m, im Bereich der Godelheimer Seen jedoch bis zu 8 m Mächtigkeit erreichen können (BUSCHMANN 1988). Sie gelangten insbesondere im Mittelalter infolge verstärkter Rodungstätigkeiten zur Ablagerung und überdecken ältere Flußsedimente, die überwiegend aus Kies und Sand bestehen (vgl. GRUPE 1929). 

Quellgewässer

Am Hangfuß des Ziegenbergs finden sich mehrere z. T. flächige Quellaustritte. Das Grundwasser staut sich auf dem Horizont zwischen dem tonig verwitternden Röt (Oberer Buntsandstein), der den Unterhang des Ziegenbergs bildet, und dem darüber liegenden durchlässigen Wellenkalk (Unterer Muschelkalk). Diese Stauschicht befindet sich etwa in der Hangmitte des Ziegenbergs. Der unterhalb anstehende Röt wird jedoch überwiegend vom Hangschutt des Wellenkalk überlagert, so daß das Wasser erst am Hangfuß austritt und so genannte "Schuttquellen" bildet (vgl. MÜLLER 1985). Die meisten Quellaustritte liegen im Bereich des Waldrandes, sie wurden im Rahmen des Ausbaus der am Waldrand entlangführenden Asphaltstrasse eingefaßt oder verrohrt. Sie münden nach meist kurzer Fließstrecke in den Hechtgraben. 

Hecht- und Holzgraben

Hecht- und Holzgraben (Abb. 1, Nr. 1) durchziehen als Randsenkenbäche den Taubenborn von Süden nach Norden. Beide Wasserläufe wurden zu Drainagezwecken begradigt und streckenweise grabenartig ausgebaut. Sie werden gespeist vom Hangdruckwasser des Ziegen- und des Brunsbergs, das teils unterirdisch über das Grundwasser, teils überirdisch durch die Quellaustritte in die Aue der Weser gelangt. Die Wasserstände von Hecht- und Holzgraben korrespondieren direkt mit dem Grundwasserspiegel der Randsenke und unterliegen daher z. T. sehr starken Schwankungen. Kleinräumig können sich insbesondere bei niedrigen Wasserständen wasserführende mit trockengefallenen Bereichen abwechseln. Auch Fließgeschwindigkeit, Wassertiefe und Breite der Wasserläufe variieren stark. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gräben finden sich wechselfeuchte Grünlandbereiche, die bei hohen Wasserständen großflächig überflutet werden (s. u.). Die Vegetation der Gräben wird überwiegend aus Röhrichten des Rohrglanzgrases (Phalaris arundinacea), Beständen der Wasserkresse (Rorippa amphibia), des Wasserschwadens (Glyceria maxima) und des Flutenden Schwadens (Glyceria fluitans) gebildet. Zahlreiche Kopfweiden, insbesondere der Silberweide (Salix alba), säumen den Hechtgraben. Im nördlichen Bereich des Untersuchungsgebietes finden sich stellenweise Weidengebüsche, die Relikte der ehemals großflächig in der Niederung verbreiteten Weichholzauenvegetation bilden. Vielerorts wurden in der Oberweserniederung Gräben und Bäche früher auch zur Fischzucht genutzt, worauf der Name "Hechtgraben" hinweist. Insbesondere finden sich solche Gewässer in der Umgebung ehemaliger Klöster, da die Fische den Mönchen als Fastenspeise dienten (MERKEL 1941 in DÖRFER 1995). Punktuell wurden die Grabensysteme teichartig erweitert, um eine permanente Wasserführung zu gewährleisten. Auch im Taubenborn finden sich an einigen Stellen kleinere kolkartige Aufweitungen, die auf eine solche ehemalige Nutzung hindeuten. 

Weiher der "Grundlosen"

Im südwestlichen Bereich des Untersuchungsgebietes findet sich eine Gruppe von mindestens 10 rundlichen Senken. Hierbei handelt es sich sehr wahrscheinlich um Erdfälle, deren Entstehung auf Gips- oder Salzauslaugungen im Untergrund zurückzuführen ist (vgl. AVERDIECK & PREYWISCH 1995).

Zwei dieser zumindest zeitweilig Wasser führenden Senken wurden im Rahmen dieser Arbeit libellenkundlich untersucht (Abb. 1, Nr. 4 und 5). Auf der Wasseroberfläche dieser durch Verlandungsprozesse gekennzeichneten Weiher finden sich meist dichte Schwimmdecken aus der Kleinen Wasserlinse (Lemna minor) und dem Schwimmlebermoos (Rhiciocarpus natans). Die Verlandungsbereiche werden von dichten Beständen des Wasserschwadens (Glyceria maxima) und von Großseggenbeständen besiedelt. Letztere werden überwiegend aus der Ufersegge (Carex riparia) gebildet. Unmittelbar angrenzend finden sich Erlenforste. Von den ursprünglich 10 bei AVERDIECK & PREYWISCH (1995) verzeichneten Weihern sind noch 8 verblieben, zwei sind durch den Kiesabbau im westlichen Abgrabungsgewässer zerstört worden. 1974 wurden die Grundlosen als Naturdenkmal ausgewiesen. 

Abgrabungsgewässer

Im zentralen Teil des Untersuchungsgebietes liegen insgesamt vier Abgrabungsgewässer mit Größen zwischen 0,5 und 7,5 ha (Gewässer Nr. 3), von denen das westliche (Nr. 2) intensiv libellenkundlich untersucht wurde (vgl. Kap. 3). Abgrabungsgewässer 2 weist bei einer Größe von etwa 4 ha Wassertiefen von bis zu 6 m im südlichen und bis zu 3 m im nördlichen Teil auf (Lotmessungen durch Mitzka 1990). Während im nördlichen und westlichen Teil des Gewässers relativ flache Ufer zu finden sind, weisen Ost- und Südufer steilere Böschungen auf. Das Gewässer korrespondiert direkt mit dem Grundwasserspiegel der Randsenke und unterliegt daher z. T. beträchtlichen Wasserschwankungen, die bis über 1,0 m im Jahresverlauf betragen können.

Abb. 3:   Westufer des Abgrabungsgewässers 2 mit Beständen der Gelben Schwertlilie (Iris pseudacorus) und auf den Stock gesetzten Erlen (Alnus glutinosa)

Das Gewässer entstand in seiner heutigen Ausprägung durch Kiesabbau Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre im Bereich zweier Grundlosen-Weiher und des Hechtgrabens. Seit der Beendigung des Kiesabbaus wird das Gewässer stellenweise intensiv beangelt und in regelmäßigen Abständen mit Jungfischen besetzt. Der Fischbesatz geschieht nach Angaben des Fischereivereins Höxter e. V. konform mit den gesetzlichen Vorlagen (Landesfischereigesetz). Die Ufer weisen infolge der entsprechenden Trittbelastung vegetationsarme bis -freie Abschnitte auf. Die Zufütterung der Fische führt außerdem zu Nährstoffeinträgen. Stellenweise finden sich am Ufer Bauschuttablagerungen.

Die submerse Vegetation weist insbesondere in Ufernähe eine meist hohe Deckung auf. Der Echte Wasserschlauch (Utricularia vulgaris agg.) bildet Massenbestände. Darüber hinaus finden sich folgende Arten in größeren Beständen: 

    Gewöhnliche Armleuchteralge (Chara vulgaris)
    Nuttall‘s Wasserpest (Elodea nuttallii)
    Rauhes Hornblatt (Ceratophyllum demersum)
    Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum)

Eine geschlossene Schwimmblattvegetation ist nur im nordöstlichen Teil des Gewässers ausgebildet, hier finden sich auf einer etwa 200 m² großen Fläche Bestände angepflanzter, nicht heimischer Seerosen (Nymphaea)-Hybriden.
Andernorts ist eine schwimmende Vegetation nur in kleineren Beständen mit meist geringer Deckung des Krausen Laichkrauts (Potamogeton crispus), des Wasserknöterichs (Polygonum amphibium), des Echten Wasserschlauchs (Utricularia vulgaris agg.) und von Grünalgen ausgebildet. Am Westufer bildet die seltene Wasserfeder (Hottonia palustris) stellenweise größere Bestände. Die Unterwasser- und die Schwimmblattvegetation wurde in den 1980er Jahren in regelmäßigen Abständen entfernt. Lt. Mitteilung des Fischereivereins Höxter e. V. wurde diese Beseitigung der Unterwasservegetation eingestellt.

In den Flachwasserzonen wachsen einzeln oder in kleinen Gruppen u. a. der Einfache Igelkolben (Sparganium emersum), der Röhrige Wasserfenchel (Oenanthe fistulosa), die Gewöhnliche Sumpfbinse (Eleocharis palustris) sowie die Wasser-Minze (Mentha aquatica).

Aufgrund der starken Trittbelastung weisen die meisten Uferabschnitte eine geringe Vegetationsbedeckung auf. In Bereichen mit einer flachen Uferneigung sind nur vereinzelt kleine Röhrichte aus Breitblättrigem Rohrkolben (Typha latifolia) ausgebildet. Außerdem finden sich kleinere Bestände der Blaugrünen und der Glanzfrüchtigen Binse (Juncus inflexus und J. articulatus) sowie der Gelben Schwertlilie (Iris pseudacorus).

Insbesondere Uferabschnitte mit einer steilen Böschung sind mit Erlen (Alnus glutinosa) bestanden. Die meisten von ihnen werden jährlich auf den Stock gesetzt, so daß das Gewässer an diesen Stellen stark besonnt ist. Darüber hinaus finden sich Anpflanzungen allochthoner Gehölzarten (z. B. Fichte, Birke, Forsythie, Flieder und Obstgehölze).

Temporäre Gewässer

Im extensiv genutzten Grünland bestehen insbesondere während längerer, oft wochen- oder monatelanger Überflutungen temporäre Gewässer. Diese haben insbesondere für die vielen im Gebiet vorkommenden Amphibienarten eine große Bedeutung als Laichplatz. Führen diese Gewässer auch im Früh- und Spätsommer zumindest zeitweise Wasser, so werden sie auch von Libellen besiedelt. Die Vegetation dieser temporär überstauten Bereiche wird stellenweise von Flutrasen wie dem Knickfuchsschwanzrasen (Rumici-Alopecuretum geniculati) gebildet.

Temporäre Gewässer finden sich auch im Bereich von Bodenverdichtungen, so z. B. auf der Fläche des ehemaligen Kieswerks beim östlichen Abgrabungsgewässer (Abb. 1, Nr. 3). Hier bilden sich nach längeren Niederschlagsperioden bis 10 cm tiefe Tümpel, die teilweise von Libellen besiedelt werden. 

3 Material und Methoden

Die Untersuchungen wurden überwiegend in den Jahren 1989 (H.-D. Mitzka in MITZKA 1990) und 2001 (M. Lohr) durchgeführt. Einzelbeobachtungen beider Autoren liegen aus den Jahren 1995, 1997 und 2000 vor.
Die Bestimmung der Imagines erfolgte anhand von LEHMANN & NÜß (1998), die der Exuvien anhand von HEIDEMANN & SEIDENBUSCH (1993) sowie GERKEN & STERNBERG (1999). Die Nomenklatur richtet sich nach BELLMANN (1993).
Zur Erfassung der Libellenfauna erfolgten 1989  10 Begehungen zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober, 2001 insgesamt 13 Begehungen zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober. Dabei wurden jeweils die Anzahl der Imagines sowie Hinweise auf Bodenständigkeit für die einzelnen Probeflächen und Gewässer notiert. Als Hinweise auf Bodenständigkeit wurden Larven- und Exuvienfunde, Beobachtung von Territorialverhalten sowie Paarung und Eiablage gewertet und jeweils getrennt erfaßt.
Intensiv auf jeweils mehreren Probeflächen wurde sowohl 1989 als auch 2001 das westliche Abgrabungsgewässer (Nr. 2) untersucht. Alle weiteren Gewässer des Untersuchungsgebietes wurden mehrmals vor allem in den Untersuchungsjahren 1989 und 2001 begangen. Zwischen Anfang Mai und Mitte August 2001 wurden außerdem auf Probeflächen des westlichen Abgrabungsgewässers jeweils 13 Exuvienaufsammlungen gemacht.

4   Ergebnisse der libellenkundlichen Untersuchungen

4.1 Gesamtartenspektrum

Tab. 1: Liste der zwischen 1989 und 2001 im "Taubenborn" und den "Grundlosen" nachgewiesenen Libellenarten

Nr.

Art

 

RL D 1998**

RL NRW 1999**

RL WB 1999**

1989

 

2001

 

            S1 S2 S1 S2

 

Kleinlibellen

 

 

 

 

 

 

 

 

1

Calopteryx splendens

Gebänderte Prachtlibelle

V

 

3

 

 

2

Lestes viridis

Weidenjungfer

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

••

K

3

Lestes sponsa

Gemeine Binsenjungfer

 

 

 

K, Ei

 

4

Sympecma fusca

Gemeine Winterlibelle

3

2

2

 

 

 

5

Platycnemis pennipes

Gemeine Federlibelle

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

6

Pyrrhosoma nymphula

Frühe Adonislibelle

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

7

Erythromma najas

Großes Granatauge

V

 

 

 

 

••

Ex

8

Erythromma viridulum

Kleines Granatauge

 

 

 

 

 

••

K,Ei

9

Coenagrion puella

Hufeisen-Azurjungfer

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

10

Cercion lindeni

Pokal-Azurjungfer

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

11

Enallagma cyathigerum

Becher-Azurjungfer

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

12

Ischnura elegans

Große Pechlibelle

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

 

Großlibellen

 

 

 

 

 

 

 

 

13

Aeshna mixta

Herbst-Mosaikjungfer

 

 

 

••

Ex,K,Ei

••

K

14

Aeshna cyanea

Blaugrüne Mosaikjungfer

 

 

 

••

Ex,K,Ei

••

 

15

Anax imperator

Große Königslibelle

 

 

 

••

Ex,K,Ei

••

Ex,Ei

16

Anax parthenope

Kleine Königslibelle

G

x

***

 

 

 

17

Brachytron pratense

Kleine Mosaikjungfer

3

2

1

 

 

••

Ex

18

Gomphus pulchellus

Westliche Keiljungfer

V

 

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

19

Cordulia aenea

Gemeine Smaragdlibelle

V

3

3

 

•••

Ex

20

Somatochlora metallica

Glänzende Smaragdlibelle

 

3

3

Ex

••

 

21

Libellula quadrimaculata

Vierfleck

 

 

 

 

 

 

22

Libellula depressa

Plattbauch

 

 

 

••

Ex,K,Ei

••

 

23

Orthetrum cancellatum

Großer Blaupfeil

 

 

 

••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

24

Crocothemis erythraea

Feuerlibelle

(x)

x

***

 

 

••

 

25

Sympetrum striolatum

Große Heidelibelle

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

26

Sympetrum vulgatum

Gemeine Heidelibelle

 

 

 

••

Ex,K,Ei

••

Ex,K,Ei

27

Sympetrum flaveolum*

Gefleckte Heidelibelle

3

V

V

 

 

 

 

28

Sympetrum sanguineum

Blutrote Heidelibelle

 

 

 

•••

Ex,K,Ei

•••

Ex,K,Ei

29

Sympetrum danae

Schwarze Heidelibelle

 

 

 

••

Ex,K,Ei

 

Legende:

Sympetrum flaveolum wurde 1997 häufig im an die Abgrabungsgewässer angrenzenden Grünland beobachtet.
** RL D 1998 - Rote Liste-Status für Deutschland nach OTT & PIEPER (1998)

RL NRW 1999 - Rote Liste-Status für NRW nach SCHMIDT & WOIKE (1999)

RL WB 1999 - Rote Liste-Status für das Weserbergland nach SCHMIDT & WOIKE (1999)

***   Erstnachweis für den Naturraum

 

Häufigkeitsangaben
••• häufig
•• zerstreut
Einzelfunde
Hinweise auf Bodenständigkeit

Ex Exuvienfund
K  Kopula
Ei  Eiablage

Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 1989 21 und 2001 27 Libellenarten nachgewiesen. Die Gesamtzahl der zwischen 1989 und 2001 festgestellten Arten beträgt 29.

Erstmals für den Naturraum "Weserbergland" wurden im Rahmen dieser Untersuchungen die mediterranen Arten Crocothemis erythraea und Anax parthenope festgestellt. Von Crocothemis erythraea wurden zwischen Ende Juli und Ende August 2001 insgesamt sechsmal jeweils ein Männchen an den Gewässern 2 und 3 beobachtet. Die Art breitet sich momentan vermutlich aus klimatischen Gründen innerhalb Mitteleuropas nach Norden aus (vgl. OTT 2000). Der Erstfund für den niedersächsischen Oberweserraum gelang Lohr (2000, unpubl.) an einer ehemaligen Kiesgrube bei Holzminden, wo ein Männchen flog. Im Jahre 2001 wurden hier mindestens 10 Männchen gleichzeitig beobachtet, was auf die Bodenständigkeit der Art an diesem Gewässer hindeuten könnte. Bei Anax parthenope dürfte es sich eher um vereinzelt während einer heißen Witterungsphase zwischen Ende Juli und Ende August 2001 eingeflogene Männchen handeln. Jeweils ein Männchen der Art wurde an einem Uferabschnitt des Abgrabungsgewässers 3 am 26.07. und am 21.08.2001 beobachtet.

Auch Brachytron pratense wurde 2000 erstmals für die Oberweserniederung im Untersuchungsgebiet nachgewiesen. Exuvienfunde aus dem Jahr 2001 belegen die Bodenständigkeit der Art für das Gewässer 2. 2001 konnte die Art darüber hinaus an weiteren 4 Gewässern der Oberweserniederung zwischen Würgassen und Holzminden nachgewiesen werden. Eventuell hat sich auch diese Art in den letzten Jahren ausgebreitet, vielleicht wurde sie aber auch bislang aufgrund ihrer frühen und kurzen Flugzeit im Mai übersehen. 

Kleine Mosaikjungfer

  Abb. 4: Die Kleine Mosaikjungfer (Brachytron pratense) wurde erstmals im Jahre 2000 für die Oberweserniederung am Abgrabungsgewässer 2 nachgewiesen.

Sympecma fusca wurde ausschließlich im August und September 1989 zweimal an Gewässer 2 und einmal an Gewässer 3 jeweils in Einzelindividuen nachgewiesen. Die Art ist in der Oberweserniederung sehr selten. Bislang ist lediglich ein bodenständiges Vorkommen an einem Gewässer eines ehemaligen Weserseitenarmes bei Würgassen bekannt.

Sympetrum flaveolum fand sich ausschließlich 1997 im Bereich des Holzgrabens. 1997 kam es während des sehr niederschlagsreichen Hochsommers offenbar zu einer Massenentwicklung der Art. Sie war im August 1997 an vielen Stellen der Oberweserniederung häufig anzutreffen. In anderen Gebieten der Region ist für Sympetrum flaveolum seit Mitte der 1990er Jahre stellenweise ein starker Rückgang zu verzeichnen (LOHR unpubl., GERKEN et al. 2000). Im Untersuchungsgebiet ist die Art nicht (mehr?) als regelmäßig bodenständig einzustufen.

4.2 Die Libellengemeinschaften der unterschiedlichen Gewässer des Taubenborn

Tab. 2: Maximal festgestellte Abundanzen und Bodenständigkeitshinweise für die an den unterschiedlichen Untersuchungsgewässern des "Taubenborn" und der "Grundlosen" nachgewiesenen Libellenarten

Nr.

Art

Hecht- und Holzgraben (Gewässer 1)

Gewässer 2

Gewässer 3

Weiher der Grundlosen (Gew. 4,5)

Temporäre Gewässer

    S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2 S1 S2

 

Kleinlibellen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1

Calopteryx splendens

1

 

1

 

 

 

1

 

 

 

2

Lestes viridis

2

 

5

Ex,K,Ei

 

 

 

 

 

 

3

Lestes sponsa

 

 

2

K, Ei

1

 

 

 

 

 

4

Sympecma fusca

 

 

1

 

 

 

 

 

 

 

5

Platycnemis pennipes

4

 

6

Ex,K,Ei

3

 

 

 

 

 

6

Pyrrhosoma nymphula

5

K

7

Ex,K,Ei

4

Ex,K

4

K

 

 

7

Erythromma najas

 

 

4

Ex

 

 

 

 

 

 

8

Erythromma viridulum

 

 

6

K,Ei

7

K,Ei

 

 

 

 

9

Coenagrion puella

7

K

5

Ex,K,Ei

4

K

5

Ex,K

 

 

10

Cercion lindeni

2

 

7

Ex,K,Ei

6

Ex,K,Ei

1

 

2

 

11

Enallagma cyathigerum

4

K

7

Ex,K,Ei

7

Ex,K,Ei

2

 

1

 

12

Ischnura elegans

5

Ei

5

Ex,K,Ei

5

Ex

4

Ex

2

 

 

Großlibellen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13

Aeshna mixta

1

 

3

Ex,K,Ei

2

 

2

 

 

 

14

Aeshna cyanea

2

 

2

Ex,K,Ei

1

 

2

Ex

1

 

15

Anax imperator

1

 

3

Ex,K,Ei

2

Ex,Ei

2

 

 

 

16

Anax parthenope

 

 

 

 

1

 

 

 

 

 

17

Brachytron pratense

 

 

2

Ex

1

 

 

 

 

 

18

Gomphus pulchellus

3

 

4

Ex,K,Ei

1

Ex

 

 

 

 

19

Cordulia aenea

 

 

3

Ex

 

 

 

 

 

 

20

Somatochlora metallica

 

 

1

Ex

 

 

1

 

 

 

21

Libellula quadrimaculata

1

R

2

 

2

 

 

 

 

 

22

Libellula depressa

 

 

2

Ex,K,Ei

1

 

 

 

 

 

23

Orthetrum cancellatum

1

 

4

Ex,K,Ei

3

K,Ei

2

 

 

 

24

Crocothemis erythraea

 

 

1

 

1

 

 

 

 

 

25

Sympetrum striolatum

3

 

5

Ex,K,Ei

3

Ex,K,Ei

 

 

5

K,Ei

26

Sympetrum vulgatum

3

 

2

Ex,K,Ei

3

Ex,K,Ei

 

 

1

 

27

Sympetrum flaveolum

4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

28

Sympetrum sanguineum

4

 

4

Ex,K,Ei

2

 

4

 

4

 

29

Sympetrum danae

2

 

2

 

 

 

5

Ex

4

K,Ei

 

Anzahl der Arten

19

 

27

 

21

 

13

 

8

 

Legende:

Erste Spalte (S1): Häufigkeit der Imagines in Abundanzklassen nach SCHMIDT (1964):
Angegeben ist die während des Untersuchungsszeitraumes maximal festgestellte Abundanzklasse

Abundanzklasse    1    2    3    4    5    6    7
Anzahl d. beobacht. Tiere    1    2-3    4-6    7-12    13-25    26-50    >50

Zweite Spalte (S2): Hinweise auf Bodenständigkeit
Ex Exuvienfund
K Kopula
Ei Eiablage

Abgrabungsgewässer (Gewässer 2 und 3)

Die Libellenfauna der beiden untersuchten Abgrabungsgewässer ist geprägt durch Massenvorkommen von Cercion lindeni, Enallagma cyathigerum und Gomphus pulchellus. Das Vorkommen von Cercion lindeni im Taubenborn ist bereits seit 1981 bekannt (STEINBORN 1983). Uferabschnitte mit einem relativ geringen Böschungswinkel und ausgedehnten Flachwasserzonen werden von der Art bevorzugt besiedelt, hier wurden auf einer Uferlänge von 10 m bis zu 50 Imagines beobachtet, bis über 50 Exuvien je m Uferlänge wurden von der Art gefunden. Ähnlich hohe Imagines- und Exuviendichten erreichte Enallagma cyathigerum.

Abb. 5:    Die Pokal-Azurjungfer (Cercion lindeni) findet sich im Untersuchungsgebiet in sehr hohen Populationsdichten

Gomphus pulchellus wurde erstmals 1996 im Untersuchungsgebiet nachgewiesen. Die Exuviendichte lag 2001 bei bis zu 10 Individuen je m Uferlänge. Imagines der Art waren nur vereinzelt am Gewässer 2 zu beobachten, die Tiere entfernen sich nach dem Schlupf u. U. recht weit vom Gewässer und kehren meist nur kurzzeitig zur Fortpflanzung zurück.

Neben Cercion lindeni, Enallagma cyathigerum und Gomphus pulchellus wurde Orthetrum cancellatum häufig festgestellt. Diese 4 Arten finden sich in der Oberweserniederung in sehr hoher Stetigkeit an größeren Abgrabungsgewässern, die – meist wenige Jahre nach Einstellung des Abbaus – relativ junge Sukzessionsstadien mit vegetationsarmen, stark besonnten Uferabschnitten aufweisen. Neben diesen Arten fanden sich insbesondere 2001 solche mit einer Präferenz für Gewässer mit einer reichen Schwimmblatt- und Unterwasservegetation. Hierzu zählen Erythromma najas, die insbesondere die Seerosenbestände im nordöstlichen Teil von Gewässer 2 besiedelt, sowie Erythromma viridulum, die vor allem in dichten an der Wasseroberfläche schwimmenden und mit Grünalgenwatten durchsetzten Wasserschlauch-Beständen zu finden ist.

Zu den Arten, die Abgrabungsgewässer der Oberweseraue meist erst nach vielen Jahren oder Jahrzehnten besiedeln, zählen Brachytron pratense, Cordulia aenea und Somatochlora metallica. Brachytron pratense bevorzugt Gewässer mit einer mehr oder weniger gut ausgeprägten Ufervegetation aus röhrichtbildenden Arten und findet sich an entsprechenden Uferabschnitten, insbesondere am Westufer des Gewässers 2. Cordulia aenea und Somatochlora metallica besiedeln vorzugsweise Uferabschnitte, die zumindest stellenweise durch Ufergehölze – meist Erlen oder Weiden - beschattet werden.

Abb. 6:    Die Gemeine Smaragdlibelle (Cordulia aenea) bevorzugt zumindest stellenweise beschattete Uferabschnitte

Hecht- und Holzgraben (Gewässer 1)

Für die meisten der an Hecht- und Holzgraben beobachteten Arten fehlen Bodenständigkeitsnachweise für diese Gewässer. Dies deutet darauf hin, daß diese Arten nicht in jedem Jahr hier zur Fortpflanzung kommen. Viele der beobachteten Individuen dürften von benachbarten Gewässern zugeflogen sein. Bemerkenswert ist die im Vergleich zu anderen Randsenkenbächen und –gräben der Oberweserniederung hohe Zahl an Arten, die hier nachgewiesen wurden. Dies deutet darauf hin, daß das Gewässer jahrweise, z. B. bei kontinuierlicher Wasserführung, vielen Arten als Fortpflanzungslebensraum dienen kann. Eine hohe Bedeutung haben Hecht- und Holzgraben sowie deren Umgebung aber auch als Nahrungshabitat vieler Libellen.  

Weiher der Grundlosen (Gewässer 4 und 5)

An den Weihern der "Grundlosen" wurde eine vergleichsweise geringe Anzahl von Libellenarten nachgewiesen. Neben den im Oberweserraum weit verbreiteten Arten Pyrrhosoma nymphula, Coenagrion puella, Ischnura elegans wurden Aeshna cyanea und Sympetrum danae hier als bodenständig festgestellt. Letztere besiedelt im Weserbergland sehr unterschiedliche Gewässer. Im Solling ist sie in Moortümpeln und –weihern weit verbreitet. In der Oberweserniederung findet sich die Art in relativ flachen Gewässern mit meist ausgedehnten Verlandungszonen. Im Untersuchungsgebiet wurde sie von uns an den Weihern der Grundlosen sowie an temporären Gewässern beobachtet (s. u.). Aeshna cyanea ist bezüglich ihrer Larvengewässer ausgesprochen schattentolerant (STERNBERG & BUCHWALD 2000) und besiedelt im Taubenborn schwerpunktmäßig die Weiher der Grundlosen. Die geringe Anzahl der an den Grundlosen festgestellten Arten dürfte insbesondere auf verschiedene anthropogene Einflüsse zurückzuführen sein. Die Weiher unterliegen einer Eutrophierung durch umliegende landwirtschaftlich genutzte Bereiche, wodurch der Prozeß der Verlandung beschleunigt wurde. Die mit dem Kiesabbau einhergehende Absenkung des Grundwasserspiegels im Untersuchungsgebiet hat eine häufigere Austrocknung der Grundlosen zur Folge. Außerdem unterliegen die Grundlosen seit der Aufforstung direkt benachbarter Bereiche einer stärkeren Beschattung, wodurch es auch zu einem Rückgang der Vegetationsstrukturen der Ufer kam. Infolge all dieser Eingriffe finden momentan vermutlich deutlich weniger Libellenarten geeignete Lebensbedingungen in den Weihern der Grundlosen als zuvor. Nichtzuletzt aufgrund der Tatsache, daß es sich bei ihnen um einige der wenigen bis heute erhaltenen ursprünglichen Stillgewässer der Oberweserniederung handelt, haben die Weiher der Grundlosen eine hohe Bedeutung als Nahrungs- und Fortpflanzungshabitat etlicher Libellenarten wie z. B. Sympetrum danae. Darüber hinaus ist das Besiedlungspotential dieser Gewässer für Libellen als sehr hoch einzuschätzen, wenn Entwicklungsmaßnahmen wie Entnahme der nicht standortgerechten Gehölze oder Reduktion der Eutrophierung durchgeführt werden.  

Temporäre Gewässer

Die temporären Gewässer werden nur von wenigen Libellenarten regelmäßig als Fortpflanzungshabitat genutzt. Diese Arten müssen die zeitweise Austrocknung ihrer Gewässer zumindest tolerieren. Dies trifft z. B. für Arten wie Libellula depressa, L. quadrimaculata und Sympetrum danae zu (STERNBERG & BUCHWALD 2000). Im August 2001 wurde die letztgenannte Art von uns an einem ca. 10 m² großen, erst wenige Tage zuvor entstandenen Tümpel in relativ hoher Abundanz beobachtet. Sympetrum danae kann neben den oben bereits erwähnten auch sehr junge, vegetationsarme Gewässer in großen Abundanzen besiedeln (vgl. STERNBERG & BUCHWALD 2000).
Trotz der vergleichsweise niedrigen Artenzahl, die von uns an diesen Gewässern festgestellt wurde, können temporäre Gewässer jahrweise eine hohe Bedeutung für die Libellenfauna haben. Einige Arten können in diese Gewässer "ausweichen", wenn ihnen andere normalerweise zur Reproduktion genutzte Gewässer keine Fortpflanzungsmöglichkeiten bieten.

4.3   Vergleich der Libellenfauna der Jahre 1989 und 2001 am Beispiel des westlichen Abgrabungsgewässers (Gewässer 2) 

Tab. 3: Maximal festgestellte Abundanzen und Bodenständigkeitshinweise 
am Gewässer 2 für die Jahre 1989 und 2001

Nr.

Art

1989 

2001 

S1 S2 S1 S2

 

Kleinlibellen

 

 

 

 

1

Calopteryx splendens

1

 

1

 

2

Lestes viridis

5

Ex,K,Ei

2

S,K

3

Lestes sponsa

2

K, Ei

 

 

4

Sympecma fusca

1

 

 

 

5

Platycnemis pennipes

7

Ex,K,Ei

4

Ex,K,Ei

6

Pyrrhosoma nymphula

6

Ex,K,Ei

6

Ex,K,Ei

7

Erythromma najas

 

 

4

Ex,K,Ei

8

Erythromma viridulum

 

 

6

Ex,K,Ei

9

Coenagrion puella

5

Ex,K,Ei

5

Ex,K,Ei

10

Cercion lindeni

7

Ex,K,Ei

7

Ex,K,Ei

11

Enallagma cyathigerum

6

Ex,K,Ei

7

Ex,K,Ei

12

Ischnura elegans

7

Ex,K,Ei

5

Ex,K,Ei

 

Großlibellen

 

 

 

 

13

Aeshna mixta

3

Ex,K,Ei

2

K,Ei

14

Aeshna cyanea

2

Ex,K,Ei

1

 

15

Anax imperator

2

Ex,K,Ei

3

Ex,Ei

16

Anax parthenope

 

 

 

 

17

Brachytron pratense

 

 

2

Ex

18

Gomphus pulchellus

 

 

4

Ex,K,Ei

19

Cordulia aenea

1

 

3

Ex,Ei

20

Somatochlora metallica

1

Ex

1

Ex

21

Libellula quadrimaculata

 

 

2

K,Ei

22

Libellula depressa

2

Ex,K,Ei

1

 

23

Orthetrum cancellatum

2

Ex,K,Ei

4

Ex,K,Ei

24

Crocothemis erythraea

 

 

1

 

25

Sympetrum striolatum

5

Ex,K,Ei

5

Ex,K,Ei

26

Sympetrum vulgatum

3

Ex,K,Ei

1

Ex

27

Sympetrum flaveolum

 

 

 

 

28

Sympetrum sanguineum

4

Ex,K,Ei

4

K,Ei

29

Sympetrum danae

2

 

 

 

 

Anzahl der Arten

21

 

24

 

Legende:

Erste Spalte (S1): Häufigkeit der Imagines in Abundanzklassen nach SCHMIDT (1964):

Abundanzklasse

1

2

3

4

5

6

7

Anzahl d. beobacht. Tiere

1

2-3

4-6

7-12

13-25

26-50

>50

Zweite Spalte (S2): Hinweise auf Bodenständigkeit

Ex   Exuvienfund

K    Kopula

S    Schlupf

Ei    Eiablage

Die Anzahl der an Gewässer 2 nachgewiesenen Arten nahm von 21 (1989) auf 24 (2001) zu. Dabei wurden 2001 6 Arten festgestellt, die 1989 nicht am Gewässer beobachtet wurden. Für 3 der 1989 festgestellten Arten gelangen 2001 keine Nachweise.

Die Erstbesiedlung des Gebietes zwischen 1989 und 2001 durch Gomphus pulchellus, Erythromma najas, E. viridulum und Crocothemis erythraea dürfte überwiegend auf klimatische Ursachen zurückzuführen sein. Dabei haben insbesondere die trocken-heißen Sommer der 1990er Jahre die Ausbreitung dieser Arten begünstigt. Während Erythromma viridulum 1992 erstmals im Gebiet nachgewiesen wurde, gelang für Gomphus pulchellus der Erstfund 1996. Die Bestände beider Arten haben seitdem stark zugenommen. Ähnliche Beobachtungen wurden im gleichen Zeitraum an zahlreichen anderen Abgrabungsgewässern der Oberweserniederung gemacht und bestätigen den in der Literatur für diese Arten beschriebenen Trend einer allgemeinen Ausbreitung in Mitteleuropa (vgl. RUDOLPH 1980, MÜLLER & SUHLING 1990, RUDOLPH 1998, STERNBERG & BUCHWALD 1999).

Crocothemis erythraea dürfte von der Zunahme der Anzahl trocken-heißer Sommer in den letzten Jahren profitiert haben. Auch diese Art weitet ihr Areal moment nach Norden aus (vgl. Kap. 4.1). Inwieweit sich die Art in der Region etablieren kann, bleibt abzuwarten.
Die Zunahme der Bestände von Erythromma najas und E. viridulum kann jedoch auch auf eine sukzessionsbedingte Ausbreitung der Unterwasser- und der Schwimmblattvegetation zurückzuführen sein, auf die beide Arten angewiesen sind. Vermutlich unterliegen die Bestände beider Arten deshalb stärkeren Schwankungen, da jahrweise die Vegetation im Rahmen der Angelnutzung in größeren Bereichen des Gewässers entfernt wird. Zumindest für die Ausbreitung von E. viridulum sind aber neben Vegetationsveränderungen auch klimatische Ursachen zu vermuten.

Abb. 7:   Das Kleine Granatauge (Erythromma viridulum) weist seit Anfang der 1990er Jahre starke Bestandszunahmen in der Oberweserniederung auf

Brachytron pratense wurde erstmals im Mai 2000 im Untersuchungsgebiet beobachtet. Eventuell wurde die Art in den Jahren zuvor aufgrund ihrer frühen Flugzeit übersehen. Eine Bestandszunahme könnte aber auch auf eine sukzessionsbedingte Zunahme von Röhrichten und schattenspendenden Gehölzen in bzw. an den wechselfeuchten Flachwasserzonen des Gewässers zurückzuführen sein. Nach STERNBERG & BUCHWALD (2000) besiedelt die Art vorzugsweise Gewässer mit diesen Strukturen.
Auch Cordulia aenea, deren Bestände deutlich zugenommen haben, hat vermutlich von der zunehmenden Entwicklung einer Ufervegetation aus ried- und röhrichtbildenden Arten sowie Gehölzen profitiert (vgl. Kap. 4.2).

Eine Übersicht, für welche Arten in den letzten zwei Jahrzehnten eine Ausbreitungstendenz in die Oberweserniederung zu beobachten ist, zeigt Tab. 4.

Tab. 4: Arten, für die seit den 1980er Jahren eine Ausbreitungstendenz in die Oberweserniederung zu beobachten ist, sowie deren Erstnachweis und Bestandsentwicklung

Art Erstnachweis für die Oberweserniederung Entwicklung der Bestände im Oberweserraum
Cercion lindeni 1981 (Steinborn in STEINBORN 1983) in Abgrabungsgewässern der "Godelheimer Seenplatte" Die Art kommt vermutlich mindestens seit Ende der 1970er Jahre in der Oberweserniederung vor, da Steinborn bereits 1981 "stabile Populationen" vorfand. Momentan ist die Art insbesondere in Abgrabungsgewässern häufig.
Erythromma viridulum 08/1992 (Lohr, unpubl.) an einem Abgrabungsgewässer bei Heinsen (Nds.) und am Gewässer 2 Die Art war vermutlich schon vorher vorhanden, die Anzahl der bekannten Vorkommen ist mittlerweile sehr hoch.
Gomphus pulchellus 06/1993 (Lohr, unpubl.) an einem Abgrabungsgewässer bei Heinsen (Nds.) Die Art besiedelt vermutlich seit Anfang der 1990er Jahre die Abgrabungsgewässer der Oberweserniederung und kommt heute an den meisten dieser Gewässer vor. Im Juni 1996 gelang erstmals der Fund einer Exuvie im Untersuchungsgebiet an Gewässer 2. Hier wurden 1999-2001 massenhaft Exuvien gefunden (vgl. Kap. 4.2).
Brachytron pratense 05/2000 (Lohr in dieser Arbeit) an Gewässer 2 Im Jahr 2001 wurden im Oberweserraum für 5 Gewässer mit einer dichten Röhrichtvegetation Nachweise erbracht (mindestens 2 davon bodenständig).
Crocothemis erythraea 08/2000 (Lohr, unpubl.) an einem Abgrabungsgewässer bei Holzminden 2001 war die Art an dem Gewässer bei Holzminden eventuell bodenständig. 2001 gelangen mehrere Beobachtungen im Untersuchungsgebiet an Gewässer 2 und 3 (vgl. Kap. 4.1).
Anax parthenope 07/2001 (Lohr in dieser Arbeit) 2 Einzelfunde an Gewässer 3 Zur Bestandsentwicklung der Art können noch keine Angaben gemacht werden.

Ob es sich bei den Einzelnachweisen von Sympecma fusca (1989, vgl. Kap. 4.1) um verdriftete Tiere handelt oder ob die Art zumindest jahrweise bodenständig im Gebiet ist und aufgrund ihrer unauffälligen Lebensweise in den anderen Jahren übersehen wurde, läßt sich momentan noch nicht abschließend beurteilen. Eine gezielte Nachsuche in für die Art geeigneten Gewässerbereichen mit einer reichen submersen Vegetation könnte hierüber Aufschluß geben.

Sympetrum danae, Libellula quadrimaculata und Lestes sponsa wurden jeweils nur in einem der beiden Jahre in relativ geringen Abundanzen nachgewiesen, waren jedoch im jeweils anderen Jahr an anderen Gewässern des Untersuchungsgebietes präsent. Für sie ist zu vermuten, daß sie Gewässer 2 nur jahrweise in relativ geringen Individuendichten besiedeln und vorzugsweise andere Gewässer des Untersuchungsgebietes zur Fortpflanzung nutzen.

5   Zur Bedeutung des Taubenborn 
für die Libellenfauna

Das Untersuchungsgebiet "Taubenborn" und "Grundlose" weist einen für die Region ungewöhnlich großen Artenreichtum an Libellen auf. Dieser ist nicht zuletzt auf eine bemerkenswerte Vielfalt z. T. sehr unterschiedlicher Gewässer auf kleinem Raum zurückzuführen. Es finden sich viele hinsichtlich ihrer Strukturierung verschiedene Gewässertypen. So differieren z. B. Gewässergröße, -tiefe, Ausdehnung und Strukturierung von Flachwasserzonen, Vegetationsstruktur, Gewässerchemismus, Wasserführung, Beschattung, Temperaturregime u. a. Hierdurch bietet das Gebiet einer sehr hohen Zahl unterschiedlicher Lebensgemeinschaften zusagende Lebensbedingungen (hohe biozönologische Vielfalt des Gebietes).

Insbesondere das Nebeneinander temporärer Gewässer (Pfützen, Überflutungstümpel, einige Hechtgrabenabschnitte, einige Weiher der Grundlosen) und solcher, die permanent Wasser führen (Teile der Grundlosen, Abgrabungsgewässer) ist für die Populationen vieler Libellenarten von großer Bedeutung. Darüber hinaus können die Gewässer jahrweise einem sehr unterschiedlichen Wasserregime unterliegen, in einem Jahr trocknet das eine, im nächsten das andere aus. Den Lebewesen ermöglicht dies das jahrweise Ausweichen auf jeweils das Gewässer, das zum Überleben notwendige Bedingungen bietet (vgl. DÖRFER 2000). Die Bedeutung auch von Gewässern, die vergleichsweise kleine Libellenpopulationen beherbergen, hebt STERNBERG (1995) hervor. Diese Gewässer werden bei Bedarf "aktiviert". "Verwaist" infolge ungünstiger Bedingungen das Gewässer, in dem der Hauptteil der Population lebt, kann dieses später von den so genannten "Neben- und Latenzhabitaten" wiederbesiedelt werden.

Die Abgrabungsgewässer des Untersuchungsgebietes beherbergen einen im Vergleich zu ähnlichen Gewässern der Region außergewöhnlichen Artenreichtum. Das Gebiet besiedeln relativ große Populationen einiger regional und überregional seltener Arten, so z. B. der Rote Liste-Arten Brachytron pratense, Cordulia aenea und Somatochlora metallica. Eine hohe Bedeutung hat das Gebiet auch für Arten, die zumindest regional nicht außerordentlich selten sind, jedoch im Taubenborn eine bemerkenswert hohe Populationsdichte erreichen und im Oberweserraum hier ihren Verbreitungsschwerpunkt haben, so z. B. Cercion lindeni und Gomphus pulchellus.

Das hohe Besiedlungspotential der Gewässer des Gebietes für sich momentan ausbreitende Arten zeigt sich u. a. durch die Nachweise von Crocothemis erythraea und Anax parthenope im Jahr 2001. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch die lange Tradition der Libellenbesiedlung des Taubenborns und der Grundlosen. Das Gebiet beherbergt seit Jahrtausenden sehr viele Auengewässer unterschiedlichster Struktur. Das Abgrabungsgewässer 2 wurde direkt im Bereich von zwei Weihern der Grundlosen sowie des Hechtgrabens gebaggert. Viele der ursprünglichen Lebensgemeinschaften konnten und können das neu entstandene Gewässer direkt besiedeln. Mit maximal 6 m Wassertiefe und zahlreichen Flachwasserzonen weist das Gewässer im Vergleich zu anderen Abgrabungsgewässern ungewöhnlich viele Strukturen auf, die eine Besiedlung durch die ursprünglichen, landschaftstypischen Elemente der Fauna und Flora ermöglichen.

Die z. T. überragende Bedeutung der "Hechtgräben" für gewässerbewohnende Organismen ist auch für den Taubenborn eindrucksvoll belegt. Viele Fischarten wie Hecht und Schleie finden in diesen bei Hochwasser mit der Weser in Verbindung stehenden Gewässern Rückzugsgebiete und Laichgründe (DÖRFER 1995). Die Weser selbst bietet diesen Arten aufgrund ihres Ausbaugrades momentan keinen Lebensraum. Auch für Libellen haben diese Bäche eine hohe Bedeutung, da sie vielerorts die letzten verbliebenen naturnahen Fließgewässer der Oberweseraue sind. Als solche dienen sie auentypischen Pflanzen und Tieren auch als Ausbreitungskorridor. 

6   Schlußbetrachtung 

Trotz der vielen Veränderungen, die in den letzten Jahrhunderten das Gebiet geprägt haben, finden sich hier noch viele auentypische Lebensräume und -gemeinschaften in für die Oberweseraue einzigartiger Ausprägung. Die umfassenden Bestandsaufnahmen der letzten Jahre belegen dies eindrucksvoll. Neben den hier vorgestellten Ergebnissen libellenkundlicher Untersuchungen unterstreichen zahlreiche Veröffentlichungen den hohen naturschutzfachlichen Wert der Weserrandsenke "Taubenborn" einschließlich der angrenzenden Hangbereiche des Ziegen- und Brunsbergs auch für andere Artengruppen, so z. B. RETZLAFF (1985) für die Schmetterlinge. Nichtzuletzt die individuenreichen Vorkommen der FFH-Arten Kammolch (Triturus cristatus) und Hirschkäfer (Lucanus cervus) belegen die Schutzwürdigkeit des Gebietes und unterstreichen die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Taubenborn und der Grundlosen in die Liste der FFH-Gebiete.

Auch aus der Selbstverpflichtung für die Einhaltung der Ziele der "agenda 21" zur Erhaltung der lokalen und regionalen biologischen und strukturellen Vielfalt sowie der Süßwasserressourcen ergeben sich folgende prioritäre Entwicklungsziele für das Gebiet: 

  • Umwandlung der Forste in naturnahe Wälder mit standortgerechten Gehölzen

  • Erhalt und Förderung der extensiven Grünlandnutzung

  • Umwandlung verbliebener Äcker in Sukzessionsflächen

  • Behutsame Revitalisierung der ausgebauten bzw. begradigten Abschnitte der Randsenkenbäche Hecht- und Holzgraben

  • Beseitigung der Drainagen

  • Beseitigung aller Quellfassungen

  • Aufgabe bzw. Extensivierung der Angelnutzung

  • Rückbau militärischer Anlagen und der asphaltierten Straße entlang des Hangfußes des Ziegenberges

  • Nutzung der alten Straßentrasse östlich des Bahndammes außerhalb des Untersuchungsgebietes für den Neu- bzw. Ausbau der B64/83

Schon frühzeitig wurden die natürlichen Gewässer der "Grundlosen" unter Schutz gestellt. Gleiches hätte mit den Randsenkenbächen "Hecht- und Holzgraben" sowie deren Einzugsgebieten geschehen müssen. Die vielfältigen Eingriffe (Bau des Bahndamms, Begradigung, Anlage von Drainagen, Kiesabbau) haben das engverzahnte räumliche Mosaik der Klein- und Fließgewässersysteme und Quellen nicht zerstören können. Aus biozönologischer Sicht haben die entstandenen Kiesseen eine gewisse Ersatzfunktion für einige charakteristische Arten der Altwässer übernehmen können. Allerdings ist dies weniger auf eine nachhaltige, zukunftsorientierte Planung zurückzuführen, sondern viel mehr dem hohen biotischen und abiotischen Potential des Gebietes zu verdanken. Es liegt an uns, dieses einzigartige Gebiet und sein Potential zu erhalten.

7   Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden die Ergebnisse 12jähriger libellenfaunistischer Untersuchungen an Gewässern der Weserrandsenke "Taubenborn" und "Grundlose" 2 km südlich von Höxter dargestellt.

Trotz verschiedener Eingriffe, die in den letzten Jahrhunderten das Gebiet verändert haben, sind viele auentypische Lebensräume und -gemeinschaften im Gebiet in für die gesamte Region einzigartiger Ausprägung erhalten. Auf kleinem Raum finden sich sowohl trocken-warme als auch kühl-wechselfeuchte Standorte, das Gebiet "Taubenborn" und "Grundlose" stellt die letzte, relativ naturnahe Randsenke der gesamten Oberweserniederung dar.

Im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchungen wurde im Gebiet ein für die Region außergewöhnlich großer Artenreichtum der Libellen dokumentiert. Insgesamt wurden zwischen 1989 und 2001 29 Libellenarten nachgewiesen. Die bemerkenswerte Vielfalt sehr unterschiedlicher Gewässer, die aufgrund der besonderen hydrologischen Verhältnisse des Gebietes vorhanden sind, bietet zahlreichen z. T. seltenen Libellenarten zusagende Lebensbedingungen. Dementsprechend besiedeln das Gebiet einige regional und überregional seltene Arten in relativ großen Populationen, so u. a. Brachytron pratense, Cordulia aenea und Somatochlora metallica. Erstnachweise für die Region gelangen im Rahmen der Untersuchungen u. a. für Brachytron pratense, Crocothemis erythraea und Anax parthenope.

Aufgrund der hohen Bedeutung für z. T. europaweit gefährdete Pflanzen- und Tierarten werden konkrete Vorschläge zum Schutz und zur Entwicklung des Gebietes gemacht. Insbesondere die behutsame Renaturierung einiger Gewässer sowie die Nutzung der alten Straßentrasse beim Neu- bzw. Ausbau der B64/83 zwischen Höxter und Godelheim stellen vordringliche Aufgaben zum Erhalt dieses einzigartigen Gebietes dar.

8   Danksagung

Für konstruktive Diskussionen und Anregungen bedanken wir uns bei Bernd Gerken, Höxter. Hans-Georg Wagner, Höxter, übernahm die Nachbestimmung kritischer Pflanzensippen. Auch ihm gilt unser herzlicher Dank.

9   Literatur

Averdieck, F.-R. & K. Preywisch (1995): Die „Grundlosen" bei Höxter. Ein Beitrag zur Vegetations- und Siedlungsgeschichte der Umgebung von Höxter. – Veröffentlichungen des Naturkundlichen Vereins Egge-Weser 7: 57-78, Höxter.

Bellmann, H. (1993): Libellen: beobachten, bestimmen. – Augsburg: Naturbuch-Verlag.

Böttcher, H., M. Buschmann, K. Dörfer, J. Funcke, B. Gerken & H. Lüty (1993): Voruntersuchungen zu dem Vorhaben "Gestaltungs- und Pflegemaßnahmen zur Regeneration landschaftstypischer Auen-Standorte der Oberweserniederung". Im Auf­trage des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Abschlußbericht. - Höxter: Projektgruppe Weserniederung, Universität - GH - Paderborn, Abt. Höxter.

Buschmann, M. (1988): Landschaftskundliche und faunistische Voruntersuchungen zur Erfassung des Naturhaushaltes der Weser-Aue im Hinblick auf ein Pflege- und Entwicklungsprogramm. – Höxter: unveröff. Dipl.arb., Lehrgebiet Tierökologie, Uni-GH Paderborn, Abteilung Höxter.

Dörfer, K. (1995): Bedeutung der Hechtgräben für den Naturhaushalt der Oberweserniederung – ein Beispiel für den verkannten Wert von Kleinstrukturen in Naturschutz und Landschaftsplanung. – Arch. Hydrobiol. Suppl. 101 (3/4): 545-563.

Dörfer, K. (2000): Artenschutz durch Stabilisierung des Lebensraums – ein Irrweg? – In: Bundesamt für Naturschutz [Hrsg.]: Renaturierung von Bächen, Flüssen und Strömen. Angewandte Landschaftsökologie 37: 47-56, Bonn-Bad Godesberg..

Gerken, B. (1988): Auen – verborgene Lebensadern der Natur. - Freiburg: Rombach.

Gerken, B. (1997): Über Kiesgruben in der Weserniederung - Eingriff und vertane Chance? - Schriftenreihe für Umwelt- und Naturschutz im Kreis Minden-Lübbecke 4: 4-8, Minden (Tagungsband "Kiesabgrabungen in der Weseraue", Tagung vom 19. bis 20.10.1994 im Umweltzentrum Minden).

Gerken, B., H. Böttcher, D. Leifeld, M. Lohr, K. Dörfer & Ch. Leushacke-Schneider (2000): Beurteilung von Regenerationsmaßnahmen durch vegetationskundliche und faunistische Untersuchungen – Beispiele aus der Oberweserniederung. - In: Bundesamt für Naturschutz [Hrsg.]: Renaturierung von Bächen, Flüssen und Strömen. Angewandte Landschaftsökologie 37: 99-109, Bonn-Bad Godesberg..

Gerken, B. & K. Sternberg (1999): Die Exuvien europäischer Libellen. – Höxter: Huxaria.

Grupe, O. (1929): Geologische Karte von Preußen 1:25.000. Blatt Höxter. Karte mit Erläuterungen. – 2. Aufl., Berlin.

Haeupler, H. (1983): Das Weserbergland und seine Pflanzenwelt. – Hameln: Verlag CW Niemeyer.

Heidemann, H. & R. Seidenbusch (1993): Die Libellenlarven Deutschlands und Frankreichs. – Keltern: Verlag Erna Bauer.

Lehmann, A. & J. H. Nüß (1998): Libellen. – Hamburg: Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung.

Maasjost, L. (1981): Das Brakeler Bergland. Der Nethegau. – Landschaftsführer des Westfälischen Heimatbundes 6. Münster: Aschendorff.

Mitzka, H.-D. (1990): Ökofaunistische Grundlagen für Pflege und Entwicklung von Abgrabungsgewässern am Beispiel der Godelheimer Seen bei Höxter (NW/BRD). - Höxter: unveröff. Dipl.arb., Lehrgebiet Tierökologie, Uni-GH Paderborn, Abteilung Höxter.

Müller, G. (1985): Oberwälder Land: Vom Eggegebirge zur Weser. – In: Feige, W. & A. Schüttler [Hrsg.]: Westfalen in Profilen. Ein geographisch-landeskundlicher Exkursionsführer. Landschaftsführer des Westfälischen Heimatbundes 10: 20-34. Münster: Aschendorff.

Müller, O. & F. Suhling (1990): Verbreitung und Ökologie der Westlichen Keiljungfer, Gomphus pulchellus Selys, 1840, in Südostniedersachsen (Odonata: Gomphidae). – Braunschw. naturkdl. Schr. 3 (3): 655-667.

Ott, J. & W. Pieper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata), Bearbeitungsstand 1997. – In: Bundesamt f. Naturschutz [Hrsg.]: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schr.R. Landschaftspflege, Naturschutz 55: 260-263.

Ott, J. (2000): Die Ausbreitung mediterraner Libellenarten in Deutschland und Europa. – In: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz [Hrsg.]: Klimaveränderungen und Naturschutz. NNABer. 13 (2): 13-35.

Preywisch, K. (1981): Die naturräumliche Gliederung des Egge-Weser-Gebiets. – Jahrbuch Kreis Höxter 1981: 45-64.

Retzlaff, H. (1985): Artenliste der Schmetterlinge aus dem Gebiet des NSG Ziegenberg und den angrenzenden Grundlosen in der Weseraue bei Höxter. – Mitt. ArbGem. ostw.-lipp. Ent. 3 (32): 30-39.

Richter, R. (1996): Beitrag zur Nachtfalterfauna der Weseraue. - Höxter: unveröff. Dipl.arb., Lehrgebiet Tierökologie, Uni-GH Paderborn, Abteilung Höxter.

Rudolph, R. (1980): Die Ausbreitung der Libelle Gomphus pulchellus Selys 1840 in Westeuropa. – Drosera ’80 (2): 63-66.

Rudolph, R. (1998): Südliche Libellenarten in Westfalen. – Natur- und Landschaftskunde 34: 114-116.

Runge, F. (1978): Die Naturschutzgebiete Westfalens und des früheren Regierungsbezirks Osnabrück. – 3. Aufl., Münster: Aschendorff.

Schirmer, H. (1976): Klimadaten. – In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung [Hrsg.]: Deutscher Planungsatlas. Bd. I: Nordrhein-Westfalen. Lieferung 7. Hannover: Schroedel-Verlag.

Schmidt, E. (1964): Biologisch-ökologische Untersuchungen an Hochmoorlibellen. - Zeitsch. f. wissenschaftl. Zoologie 169 (3-4): 313-386.

Schmidt, E. & M. Woike (1999): Rote Liste der gefährdeten Libellen (Odonata) in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung (Stand 1.10.1998). – In: LÖBF/LafAO NRW [Hrsg.]: Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. LÖBF-Schr.R. 17: 507-521.

Steinborn, G. (1983): Die Libellen im Kreis Höxter. – Jahrbuch Kreis Höxter 1983: 83-94.

Sternberg, K. (1995): Regulierung und Stabilisierung von Metapopulationen bei Libellen, am Beispiel von Aeshna subarctica elisabethae Djakonov im Schwarzwald (Anisoptera: Aeshnidae). – Libellula 14 (1/2): 1-39.

Sternberg, K. & R. Buchwald (1999) [Hrsg.]: Die Libellen Baden-Württembergs. Band 1. Allgemeiner Teil; Kleinlibellen. – Stuttgart: Ulmer.

Sternberg, K. & R. Buchwald (2000) [Hrsg.]: Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2. Großlibellen. – Stuttgart: Ulmer. 


Anschriften der Verfasser:

Mathias Lohr, An der Kirche 22, 37671 Höxter, email: mlohr@fh-hoexter.de

Hanns-Dieter Mitzka, Corvey 10, 37671 Höxter


zum Anfang