1 Einleitung
Zwischen der Nethemündung im Süden
und Holzminden im Norden liegen in einer Talaufweitung der Oberweserniederung
mehrere ausgedehnte Flutrinnen- und Randsenkenkomplexe. Die Weser windet sich
hier in mehreren Flußschlingen durch die streckenweise mehr als 1,5 km breite
Aue. Etwa 2 km südlich von Höxter liegt am Fuße des Ziegen- und des
Brunsbergs in einer Randsenke der Oberweserniederung der "Taubenborn" und
die "Grundlosen".
Der Ziegenberg - bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Gegenstand einer intensiven
naturkundlichen Erforschung – gilt unter Botanikern als "wahres
Pflanzenparadies" und ist überregional bekannt für das Vorkommen seltener, wärmebedürftiger
Pflanzen- und Tierarten. Einige dieser Arten erreichen im Oberwesergebiet die
Nordgrenze ihrer Verbreitung und haben hier ihren einzigen bekannten Fundort in
Westfalen (vgl. RUNGE 1978, HAEUPLER 1983).
Die unmittelbar angrenzende Randsenke der Oberweserniederung im Bereich des
"Taubenborn" und der "Grundlosen" hingegen rückte erst seit den 1970er
Jahren ins nähere Interesse der Naturkundler (vgl. AVERDIECK
& PREYWISCH 1995). Seitdem ist das Gebiet auch im Rahmen zahlreicher
Studien-, Diplom- und Forschungsarbeiten der Universität Paderborn /
Fachhochschulabteilung Höxter ausführlich untersucht worden (z. B. MITZKA
1990, BÖTTCHER et al. 1993, RICHTER 1996). All diese Untersuchungen belegen eindrucksvoll die hohe
Bedeutung des Gebietes für den Naturschutz. Insbesondere das Vorkommen z. T.
sehr unterschiedlicher Lebensräume auf engstem Raum – trocken-warmer
Standorte am Ziegenberg und den Rabenklippen, eher kühler, wechselfeuchter
Standorte in der Weserrandsenke - bewirkt eine Standortvielfalt, die einzigartig
ist. Dabei bestehen sehr enge Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen
Teillebensräumen des Gebietes, da viele Tierarten während ihres Lebenszyklus
z. T. sehr unterschiedliche Teilhabitate innerhalb dieses
Lebensraumkomplexes nutzen.
Der Ziegenberg mit den Rabenklippen wurde bereits 1930 unter Naturschutz gestellt (RUNGE
1978). Nachdem 1995 die Ökologische Arbeitsgemeinschaft der Uni
Paderborn, Abteilung Höxter, die Ausweisung des Taubenborns als
Naturschutzgebiet beantragt hatte, wurde dieser Vorschlag im Entwurf des
Landschaftsplanes Nr. 1 "Wesertal mit Fürstenauer Bergland" (Nov.
1997) aufgenommen. Momentan unterliegt der größte Teil des Taubenborns dem
Schutzstatus "Landschaftsschutzgebiet", die Grundlosen sind seit 1974 als
Naturdenkmal geschützt. Im Gebiet kommen bedeutende Populationen mehrerer so
genannter "FFH-Arten" und "–Lebensräume" vor. Hierbei handelt es sich
um Arten und Lebensräume, für die die Mitgliedsstaaten der EU gemäß der
"FFH-Richtlinie"
Schutzgebiete ausweisen müssen. Im Taubenborn sind dies z. B. Kammolch und
Hirschkäfer sowie Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder. Das Gebiet wurde
daher Ende 2000 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens als FFH-Gebiet
gemeldet.
Aktuell ist der Taubenborn jedoch bedroht durch den Neu- bzw. Ausbau der B64/B83. Zwei
der drei zur Auswahl stehenden Trassen führen durch das Gebiet. Fällt die Wahl
auf eine der beiden Trassen, so gehen nicht nur wertvolle Lebensräume im
Bereich des temporär überfluteten, extensiven Grünlands verloren, sondern es
werden auch die Lebensräume vieler Tierarten wie z. B. des Kammolch
zerschnitten.
Im folgenden werden die Ergebnisse mehrjähriger libellenkundlicher Untersuchungen
des Taubenborn dargestellt und die naturschutzfachliche Bedeutung des Gebietes
exemplarisch für die Libellen aufgezeigt.
2 Das Untersuchungsgebiet und seine Gewässer
2.1 Lage des Untersuchungsgebietes
Das Untersuchungsgebiet umfaßt etwa 75 ha und liegt in der als "Taubenborn"
bezeichneten Randsenke der Oberweserniederung 2 km südlich von Höxter (Kreis Höxter,
Nordrhein-Westfalen, Meßtischblatt 4222). Das Untersuchungsgebiet gehört zur
naturräumlichen Einheit "Holzmindener Wesertal (367)" (Preywisch
1981). Am Fuß des Ziegenbergs gelegen bildet es den westlichen Teil der
so genannten "Godelheimer Seen". Hierbei handelt es sich um einen zum Teil
noch im Betrieb befindlichen Abgrabungskomplex, der sich links der Weser auf
deren Niederterrasse zwischen den Ortschaften Höxter und Godelheim erstreckt.
Im Norden wird das Untersuchungsgebiet vom Hangfuß des Ziegenbergs, im Osten von
der Bahnlinie Altenbeken-Kreiensen, im Süden von einem Wirtschaftsweg und im
Westen von einem Bundeswehr-Schießstand begrenzt (Abb. 1). Es umfaßt im nördlichen
und östlichen Teil den Hangfuß des Ziegenbergs und einen extensiv
bewirtschafteten Grünlandkomplex, der von zwei überwiegend
grundwassergespeisten Randsenkenbächen, dem Hecht- und dem Holzgraben,
durchzogen wird. Im zentralen und im südlichen Teil finden sich heute mehrere
Abgrabungsgewässer, ein Erlenwaldkomplex mit mehreren flachen Weihern, den so
genannten "Grundlosen", sowie Fichten- und Pappelforste.
|
Abb. 1: Das Untersuchungsgebiet sowie Lage und Nummerierung der untersuchten
Gewässer (aus MITZKA 1990, verändert; Maßstab 1:10.000) |
2.2 Klima
Das Holzmindener Wesertal, zu dem auch das Untersuchungsgebiet zählt, liegt im
Regenschatten des Eggegebirges und des Brakeler Berglandes und weist mit etwa
750 bis 800 mm einen deutlich niedrigeren mittleren Jahresniederschlag auf als
das umgebende Bergland (MAASJOST 1981).
Das langjährige Mittel der Lufttemperatur beträgt etwa 8,5°C, wobei die
mittlere Lufttemperatur im Januar zwischen 0 und 1°C und im Juli zwischen 17
und 18°C liegt (Periode 1931-1960, SCHIRMER 1976). Aufgrund der Lage in der Randsenke des Wesertals kommt es insbesondere in Strahlungsnächten zur Bildung größerer Kaltluftseen, eine erhöhte
Nebelbildung ist die Folge. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Bahndamm,
der das Gebiet im Osten begrenzt. Das Gebiet liegt geschützt im Windschatten
des Ziegen- und des Brunsberges, die die hauptsächlich aus Westen wehenden
Winde abschwächen. Es weist daher gegenüber benachbarten Bereichen der
Weserniederung oftmals höhere Temperaturen auf.
2.3 Überflutungsgeschehen
Bei steigenden Wasserständen der Weser staut sich zunächst das von den Hängen
zuströmende Grund- und Oberflächenwasser an. Dies führt zunächst
insbesondere im Bereich des Hecht- und des Holzgrabens zu einem Rückstau des
abfließenden Wassers, so daß sich schon vor einer direkten Überflutung des
Gebietes durch die Weser ausgedehnte Wasserflächen in den Grünlandbereichen
bilden können. Auch die Wasserstände der Abgrabungsgewässer und der
"Grundlosen" korrespondieren mit den Grundwasserständen. Bei sehr hohen
Wasserständen der Weser erfolgt dann eine direkte Überflutung von stromabwärts
über einen Durchlaß des Hechtgrabens durch den Bahndamm, so daß es dann zu
großflächigen Überflutungen im gesamten Bereich des Taubenborn kommt.
Das Überflutungsgeschehen ist durch den Bau des Eisenbahndamms um etwa 1864 stark
beeinflußt worden. Auf Luftbildern sind im Bereich des z.T. durch den
Kiesabbau zerstörten Grünlandes Flutrinnen zu erkennen, die von einer
ehemaligen Überflutung auch von stromaufwärts zeugen. Diese Verbindungen sind
durch den Bahndamm weitgehend abgeschnitten worden. Trotzdem ist durch die
direkte Verbindung des Hechtgrabens mit der Weserniederung eine
randsenkentypische Überflutungsdynamik erhalten geblieben.
|
Abb. 2: Überflutetes Grünland des
"Taubenborn" bei Hochwasser |
2.4 Die Gewässer des Untersuchungsgebietes und ihre Entstehungsgeschichte
Randsenken sind die Randbereiche der durch das Überflutungsgeschehen geprägten Aue. Flußfern werden hier bei Hochwasser vergleichsweise feine Sedimente abgelagert, da die
Transportkraft des Wassers in diesen Bereichen gering ist. Randsenken liegen
daher meist tiefer als die flußnahen Bereiche, in denen größere Mengen grobkörniger
Sedimente zur Ablagerung gelangen. Geprägt sind Randsenkenbereiche daher durch
relativ hoch anstehendes Grundwasser, das zeitweise über Flur ansteigen kann (GERKEN
1988). Aufgrund dieser Tatsache ist bis heute insbesondere im nördlichen
Teil des Untersuchungsgebietes eine extensive Grünlandnutzung erhalten.
Wie die gesamte Oberweserniederung ist die Randsenke des Taubenborn geprägt durch
großflächige Auelehmablagerungen, die durchschnittlich 2,5 m, im Bereich
der Godelheimer Seen jedoch bis zu 8 m Mächtigkeit erreichen können (BUSCHMANN
1988). Sie gelangten insbesondere im Mittelalter infolge verstärkter
Rodungstätigkeiten zur Ablagerung und überdecken ältere Flußsedimente, die
überwiegend aus Kies und Sand bestehen (vgl. GRUPE 1929).
Quellgewässer
Am Hangfuß des Ziegenbergs finden sich mehrere z. T.
flächige Quellaustritte. Das Grundwasser staut sich auf dem Horizont zwischen
dem tonig verwitternden Röt (Oberer Buntsandstein), der den Unterhang des
Ziegenbergs bildet, und dem darüber liegenden durchlässigen Wellenkalk
(Unterer Muschelkalk). Diese Stauschicht befindet sich etwa in der Hangmitte des
Ziegenbergs. Der unterhalb anstehende Röt wird jedoch überwiegend vom
Hangschutt des Wellenkalk überlagert, so daß das Wasser erst am Hangfuß
austritt und so genannte "Schuttquellen" bildet (vgl. MÜLLER 1985). Die meisten Quellaustritte liegen im Bereich des Waldrandes, sie wurden im Rahmen des Ausbaus der am Waldrand entlangführenden Asphaltstrasse eingefaßt oder verrohrt. Sie münden nach meist kurzer Fließstrecke in den Hechtgraben.
Hecht- und Holzgraben
Hecht- und Holzgraben (Abb. 1, Nr. 1)
durchziehen als Randsenkenbäche den Taubenborn von Süden nach Norden. Beide
Wasserläufe wurden zu Drainagezwecken begradigt und streckenweise grabenartig
ausgebaut. Sie werden gespeist vom Hangdruckwasser des Ziegen- und des
Brunsbergs, das teils unterirdisch über das Grundwasser, teils überirdisch
durch die Quellaustritte in die Aue der Weser gelangt. Die Wasserstände von
Hecht- und Holzgraben korrespondieren direkt mit dem Grundwasserspiegel der
Randsenke und unterliegen daher z. T. sehr starken Schwankungen. Kleinräumig
können sich insbesondere bei niedrigen Wasserständen wasserführende mit
trockengefallenen Bereichen abwechseln. Auch Fließgeschwindigkeit, Wassertiefe
und Breite der Wasserläufe variieren stark. In unmittelbarer Nachbarschaft zu
den Gräben finden sich wechselfeuchte Grünlandbereiche, die bei hohen Wasserständen
großflächig überflutet werden (s. u.). Die Vegetation der Gräben wird überwiegend
aus Röhrichten des Rohrglanzgrases (Phalaris arundinacea),
Beständen der Wasserkresse (Rorippa amphibia),
des Wasserschwadens (Glyceria maxima)
und des Flutenden Schwadens (Glyceria fluitans)
gebildet. Zahlreiche Kopfweiden, insbesondere der Silberweide (Salix alba),
säumen den Hechtgraben. Im nördlichen Bereich des Untersuchungsgebietes finden
sich stellenweise Weidengebüsche, die Relikte der ehemals großflächig in der
Niederung verbreiteten Weichholzauenvegetation bilden.
Vielerorts wurden in der Oberweserniederung Gräben und Bäche
früher auch zur Fischzucht genutzt, worauf der Name "Hechtgraben" hinweist.
Insbesondere finden sich solche Gewässer in der Umgebung ehemaliger Klöster,
da die Fische den Mönchen als Fastenspeise dienten (MERKEL
1941 in DÖRFER 1995). Punktuell wurden die Grabensysteme teichartig
erweitert, um eine permanente Wasserführung zu gewährleisten. Auch im
Taubenborn finden sich an einigen Stellen kleinere kolkartige Aufweitungen, die
auf eine solche ehemalige Nutzung hindeuten.
Weiher der "Grundlosen"
Im südwestlichen Bereich des Untersuchungsgebietes findet sich eine Gruppe von
mindestens 10 rundlichen Senken. Hierbei handelt es sich sehr wahrscheinlich um
Erdfälle, deren Entstehung auf Gips- oder Salzauslaugungen im Untergrund zurückzuführen
ist (vgl. AVERDIECK & PREYWISCH 1995).
Zwei dieser zumindest zeitweilig Wasser führenden Senken wurden im Rahmen dieser
Arbeit libellenkundlich untersucht (Abb. 1, Nr. 4 und 5). Auf der
Wasseroberfläche dieser durch Verlandungsprozesse gekennzeichneten Weiher
finden sich meist dichte Schwimmdecken aus der Kleinen Wasserlinse (Lemna minor)
und dem Schwimmlebermoos (Rhiciocarpus natans). Die Verlandungsbereiche werden von dichten Beständen des Wasserschwadens (Glyceria maxima)
und von Großseggenbeständen besiedelt. Letztere werden überwiegend aus der
Ufersegge (Carex riparia)
gebildet. Unmittelbar angrenzend finden sich Erlenforste. Von den ursprünglich
10 bei AVERDIECK & PREYWISCH (1995)
verzeichneten Weihern sind noch 8 verblieben, zwei sind durch den Kiesabbau im
westlichen Abgrabungsgewässer zerstört worden. 1974 wurden die Grundlosen als
Naturdenkmal ausgewiesen.
Abgrabungsgewässer
Im zentralen Teil des Untersuchungsgebietes liegen
insgesamt vier Abgrabungsgewässer mit Größen zwischen 0,5 und 7,5 ha
(Gewässer Nr. 3), von denen das westliche (Nr. 2) intensiv
libellenkundlich untersucht wurde (vgl. Kap. 3).
Abgrabungsgewässer 2 weist bei einer Größe von
etwa 4 ha Wassertiefen von bis zu 6 m im südlichen und bis zu 3 m
im nördlichen Teil auf (Lotmessungen durch Mitzka
1990). Während im nördlichen und westlichen Teil des Gewässers relativ
flache Ufer zu finden sind, weisen Ost- und Südufer steilere Böschungen auf.
Das Gewässer korrespondiert direkt mit dem Grundwasserspiegel der Randsenke und
unterliegt daher z. T. beträchtlichen Wasserschwankungen, die bis über
1,0 m im Jahresverlauf betragen können.
|
Abb. 3: Westufer des Abgrabungsgewässers 2 mit Beständen der Gelben
Schwertlilie (Iris pseudacorus) und auf den Stock gesetzten Erlen
(Alnus glutinosa) |
Das Gewässer entstand in seiner heutigen Ausprägung durch Kiesabbau Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre im Bereich zweier Grundlosen-Weiher und des Hechtgrabens. Seit der Beendigung des Kiesabbaus wird das Gewässer stellenweise intensiv beangelt und in regelmäßigen Abständen mit Jungfischen besetzt. Der Fischbesatz geschieht nach Angaben des Fischereivereins Höxter e. V. konform mit den gesetzlichen Vorlagen (Landesfischereigesetz). Die Ufer weisen infolge der entsprechenden Trittbelastung vegetationsarme bis -freie Abschnitte auf. Die Zufütterung der Fische führt außerdem zu Nährstoffeinträgen. Stellenweise finden sich am Ufer Bauschuttablagerungen.
Die submerse Vegetation weist insbesondere in Ufernähe eine meist hohe Deckung auf. Der Echte Wasserschlauch (Utricularia vulgaris agg.) bildet Massenbestände. Darüber hinaus finden sich folgende Arten in größeren Beständen:
Gewöhnliche Armleuchteralge (Chara vulgaris)
Nuttall‘s Wasserpest (Elodea nuttallii)
Rauhes Hornblatt (Ceratophyllum demersum)
Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum)
Eine geschlossene Schwimmblattvegetation ist nur im nordöstlichen Teil des Gewässers ausgebildet, hier finden sich auf einer etwa 200 m² großen Fläche Bestände angepflanzter, nicht heimischer Seerosen (Nymphaea)-Hybriden.
Andernorts ist eine schwimmende Vegetation nur in kleineren Beständen mit meist geringer Deckung des Krausen Laichkrauts (Potamogeton crispus), des Wasserknöterichs (Polygonum amphibium), des Echten Wasserschlauchs (Utricularia vulgaris agg.) und von Grünalgen ausgebildet. Am Westufer bildet die seltene Wasserfeder (Hottonia palustris) stellenweise größere Bestände. Die Unterwasser- und die Schwimmblattvegetation wurde in den 1980er Jahren in regelmäßigen Abständen entfernt. Lt. Mitteilung des Fischereivereins Höxter e. V. wurde diese Beseitigung der Unterwasservegetation eingestellt.
In den Flachwasserzonen wachsen einzeln oder in kleinen Gruppen u. a. der Einfache Igelkolben (Sparganium emersum), der Röhrige Wasserfenchel (Oenanthe fistulosa), die Gewöhnliche Sumpfbinse (Eleocharis palustris) sowie die Wasser-Minze (Mentha aquatica).
Aufgrund der starken Trittbelastung weisen die meisten Uferabschnitte eine geringe Vegetationsbedeckung auf. In Bereichen mit einer flachen Uferneigung sind nur vereinzelt kleine Röhrichte aus Breitblättrigem Rohrkolben (Typha latifolia) ausgebildet. Außerdem finden sich kleinere Bestände der Blaugrünen und der Glanzfrüchtigen Binse (Juncus inflexus und J. articulatus) sowie der Gelben Schwertlilie (Iris pseudacorus).
Insbesondere Uferabschnitte mit einer steilen Böschung sind mit Erlen (Alnus glutinosa) bestanden. Die meisten von ihnen werden jährlich
auf den Stock gesetzt, so daß das Gewässer an diesen Stellen stark besonnt
ist. Darüber hinaus finden sich Anpflanzungen allochthoner Gehölzarten (z. B.
Fichte, Birke, Forsythie, Flieder und Obstgehölze).
Temporäre Gewässer
Im extensiv genutzten Grünland bestehen insbesondere während
längerer, oft wochen- oder monatelanger Überflutungen temporäre Gewässer.
Diese haben insbesondere für die vielen im Gebiet vorkommenden Amphibienarten
eine große Bedeutung als Laichplatz. Führen diese Gewässer auch im Früh- und
Spätsommer zumindest zeitweise Wasser, so werden sie auch von Libellen
besiedelt. Die Vegetation dieser temporär überstauten Bereiche wird
stellenweise von Flutrasen wie dem Knickfuchsschwanzrasen (Rumici-Alopecuretum geniculati)
gebildet.
Temporäre Gewässer finden sich auch im Bereich von
Bodenverdichtungen, so z. B. auf der Fläche des ehemaligen Kieswerks beim
östlichen Abgrabungsgewässer (Abb. 1, Nr. 3). Hier bilden sich nach
längeren Niederschlagsperioden bis 10 cm tiefe Tümpel, die teilweise von
Libellen besiedelt werden.
3 Material und Methoden
Die Untersuchungen wurden überwiegend in den Jahren 1989 (H.-D. Mitzka in MITZKA 1990) und 2001 (M.
Lohr) durchgeführt.
Einzelbeobachtungen beider Autoren liegen aus den
Jahren 1995, 1997 und 2000 vor.
Die Bestimmung der Imagines erfolgte anhand von LEHMANN
& NÜß (1998), die der Exuvien anhand von HEIDEMANN
& SEIDENBUSCH (1993) sowie GERKEN
& STERNBERG (1999). Die Nomenklatur richtet sich nach BELLMANN
(1993).
Zur Erfassung der Libellenfauna erfolgten 1989 10
Begehungen zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober, 2001 insgesamt 13 Begehungen
zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober. Dabei wurden jeweils die Anzahl der
Imagines sowie Hinweise auf Bodenständigkeit für die einzelnen Probeflächen
und Gewässer notiert. Als Hinweise auf Bodenständigkeit wurden Larven- und
Exuvienfunde, Beobachtung von Territorialverhalten sowie Paarung und Eiablage
gewertet und jeweils getrennt erfaßt.
Intensiv auf jeweils mehreren Probeflächen wurde sowohl
1989 als auch 2001 das westliche Abgrabungsgewässer (Nr. 2) untersucht. Alle
weiteren Gewässer des Untersuchungsgebietes wurden mehrmals vor allem in den
Untersuchungsjahren 1989 und 2001 begangen. Zwischen Anfang Mai und Mitte August
2001 wurden außerdem auf Probeflächen des westlichen Abgrabungsgewässers
jeweils 13 Exuvienaufsammlungen gemacht.
4 Ergebnisse der libellenkundlichen Untersuchungen
4.1 Gesamtartenspektrum
Tab. 1: Liste der zwischen 1989 und 2001 im
"Taubenborn" und den "Grundlosen" nachgewiesenen
Libellenarten
Nr. |
Art |
 
|
RL D 1998** |
RL NRW 1999** |
RL WB 1999** |
1989
 
|
2001
 
|
|
|
|
|
|
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
 
|
Kleinlibellen |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
1 |
Calopteryx splendens |
Gebänderte Prachtlibelle |
V |
 
|
3 |
• |
 
|
• |
 
|
2 |
Lestes viridis |
Weidenjungfer |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
•• |
K |
3 |
Lestes sponsa |
Gemeine Binsenjungfer |
 
|
 
|
 
|
• |
K, Ei |
• |
 
|
4 |
Sympecma fusca |
Gemeine Winterlibelle |
3 |
2 |
2 |
• |
 
|
 
|
 
|
5 |
Platycnemis pennipes |
Gemeine Federlibelle |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
6 |
Pyrrhosoma nymphula |
Frühe Adonislibelle |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
7 |
Erythromma najas |
Großes Granatauge |
V |
 
|
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex |
8 |
Erythromma viridulum |
Kleines Granatauge |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
•• |
K,Ei |
9 |
Coenagrion puella |
Hufeisen-Azurjungfer |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
10 |
Cercion lindeni |
Pokal-Azurjungfer |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
11 |
Enallagma cyathigerum |
Becher-Azurjungfer |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
12 |
Ischnura elegans |
Große Pechlibelle |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
 
|
Großlibellen |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
13 |
Aeshna mixta |
Herbst-Mosaikjungfer |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
•• |
K |
14 |
Aeshna cyanea |
Blaugrüne Mosaikjungfer |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
•• |
 
|
15 |
Anax imperator |
Große Königslibelle |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
•• |
Ex,Ei |
16 |
Anax parthenope |
Kleine Königslibelle |
G |
x |
*** |
 
|
 
|
• |
 
|
17 |
Brachytron pratense |
Kleine Mosaikjungfer |
3 |
2 |
1 |
 
|
 
|
•• |
Ex |
18 |
Gomphus pulchellus |
Westliche Keiljungfer |
V |
 
|
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
19 |
Cordulia aenea |
Gemeine Smaragdlibelle |
V |
3 |
3 |
• |
 
|
••• |
Ex |
20 |
Somatochlora metallica |
Glänzende Smaragdlibelle |
 
|
3 |
3 |
• |
Ex |
•• |
 
|
21 |
Libellula quadrimaculata |
Vierfleck |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
• |
 
|
22 |
Libellula depressa |
Plattbauch |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
•• |
 
|
23 |
Orthetrum cancellatum |
Großer Blaupfeil |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
24 |
Crocothemis erythraea |
Feuerlibelle |
(x) |
x |
*** |
 
|
 
|
•• |
 
|
25 |
Sympetrum striolatum |
Große Heidelibelle |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
26 |
Sympetrum vulgatum |
Gemeine Heidelibelle |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
•• |
Ex,K,Ei |
27 |
Sympetrum flaveolum* |
Gefleckte Heidelibelle |
3 |
V |
V |
 
|
 
|
 
|
 
|
28 |
Sympetrum sanguineum |
Blutrote Heidelibelle |
 
|
 
|
 
|
••• |
Ex,K,Ei |
••• |
Ex,K,Ei |
29 |
Sympetrum danae |
Schwarze Heidelibelle |
 
|
 
|
 
|
•• |
Ex,K,Ei |
• |
 
|
Legende:
* |
Sympetrum flaveolum wurde 1997 häufig
im an die Abgrabungsgewässer angrenzenden Grünland beobachtet. |
** |
RL D 1998 - Rote
Liste-Status für Deutschland nach OTT & PIEPER (1998)
RL NRW 1999 - Rote Liste-Status für NRW nach
SCHMIDT & WOIKE (1999)
RL WB 1999 - Rote Liste-Status für das
Weserbergland nach SCHMIDT & WOIKE (1999) |
*** |
Erstnachweis für den Naturraum |
Häufigkeitsangaben
••• |
häufig |
•• |
zerstreut |
• |
Einzelfunde |
|
Hinweise auf Bodenständigkeit
Ex Exuvienfund
K Kopula
Ei Eiablage |
Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 1989 21 und 2001 27 Libellenarten nachgewiesen.
Die Gesamtzahl der zwischen 1989 und 2001 festgestellten Arten beträgt 29.
Erstmals für den Naturraum "Weserbergland" wurden im Rahmen dieser Untersuchungen
die mediterranen Arten Crocothemis erythraea und Anax parthenope
festgestellt. Von Crocothemis erythraea wurden zwischen Ende Juli und Ende August 2001 insgesamt sechsmal
jeweils ein Männchen an den Gewässern 2 und 3 beobachtet. Die Art breitet sich
momentan vermutlich aus klimatischen Gründen innerhalb Mitteleuropas nach
Norden aus (vgl. OTT 2000). Der Erstfund für den niedersächsischen Oberweserraum gelang Lohr (2000,
unpubl.) an einer ehemaligen Kiesgrube bei Holzminden, wo ein Männchen flog. Im Jahre
2001 wurden hier mindestens 10 Männchen gleichzeitig beobachtet, was auf die
Bodenständigkeit der Art an diesem Gewässer hindeuten könnte. Bei Anax parthenope dürfte es sich eher um vereinzelt während einer heißen Witterungsphase zwischen Ende Juli und Ende August 2001 eingeflogene Männchen handeln. Jeweils ein Männchen der Art wurde an einem Uferabschnitt des
Abgrabungsgewässers 3 am 26.07. und am 21.08.2001 beobachtet.
Auch Brachytron pratense wurde
2000 erstmals für die Oberweserniederung im Untersuchungsgebiet nachgewiesen.
Exuvienfunde aus dem Jahr 2001 belegen die Bodenständigkeit der Art für das
Gewässer 2. 2001 konnte die Art darüber hinaus an weiteren 4 Gewässern
der Oberweserniederung zwischen Würgassen und Holzminden nachgewiesen werden.
Eventuell hat sich auch diese Art in den letzten Jahren ausgebreitet, vielleicht
wurde sie aber auch bislang aufgrund ihrer frühen und kurzen Flugzeit im Mai übersehen.
|
Abb. 4: Die Kleine Mosaikjungfer (Brachytron pratense) wurde
erstmals im Jahre 2000 für die Oberweserniederung am
Abgrabungsgewässer 2 nachgewiesen. |
Sympecma fusca wurde
ausschließlich im August und September 1989 zweimal an Gewässer 2 und
einmal an Gewässer 3 jeweils in Einzelindividuen nachgewiesen. Die Art ist
in der Oberweserniederung sehr selten. Bislang ist lediglich ein bodenständiges
Vorkommen an einem Gewässer eines ehemaligen Weserseitenarmes bei Würgassen
bekannt.
Sympetrum flaveolum fand
sich ausschließlich 1997 im Bereich des Holzgrabens. 1997 kam es während des
sehr niederschlagsreichen Hochsommers offenbar zu einer Massenentwicklung der
Art. Sie war im August 1997 an vielen Stellen der Oberweserniederung häufig
anzutreffen. In anderen Gebieten der Region ist für Sympetrum flaveolum seit Mitte der 1990er Jahre stellenweise ein starker Rückgang zu verzeichnen
(LOHR unpubl., GERKEN et al. 2000). Im
Untersuchungsgebiet ist die Art nicht (mehr?) als regelmäßig bodenständig
einzustufen.
4.2 Die Libellengemeinschaften der unterschiedlichen Gewässer des Taubenborn
Tab. 2: Maximal festgestellte Abundanzen und
Bodenständigkeitshinweise für die an den unterschiedlichen
Untersuchungsgewässern des "Taubenborn" und der
"Grundlosen" nachgewiesenen Libellenarten
Nr. |
Art |
Hecht- und Holzgraben (Gewässer 1) |
Gewässer 2 |
Gewässer 3 |
Weiher der Grundlosen (Gew. 4,5) |
Temporäre Gewässer |
|
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
 
|
Kleinlibellen |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
1 |
Calopteryx splendens |
1 |
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
2 |
Lestes viridis |
2 |
 
|
5 |
Ex,K,Ei |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
3 |
Lestes sponsa |
 
|
 
|
2 |
K, Ei |
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
4 |
Sympecma fusca |
 
|
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
5 |
Platycnemis pennipes |
4 |
 
|
6 |
Ex,K,Ei |
3 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
6 |
Pyrrhosoma nymphula |
5 |
K |
7 |
Ex,K,Ei |
4 |
Ex,K |
4 |
K |
 
|
 
|
7 |
Erythromma najas |
 
|
 
|
4 |
Ex |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
8 |
Erythromma viridulum |
 
|
 
|
6 |
K,Ei |
7 |
K,Ei |
 
|
 
|
 
|
 
|
9 |
Coenagrion puella |
7 |
K |
5 |
Ex,K,Ei |
4 |
K |
5 |
Ex,K |
 
|
 
|
10 |
Cercion lindeni |
2 |
 
|
7 |
Ex,K,Ei |
6 |
Ex,K,Ei |
1 |
 
|
2 |
 
|
11 |
Enallagma cyathigerum |
4 |
K |
7 |
Ex,K,Ei |
7 |
Ex,K,Ei |
2 |
 
|
1 |
 
|
12 |
Ischnura elegans |
5 |
Ei |
5 |
Ex,K,Ei |
5 |
Ex |
4 |
Ex |
2 |
 
|
 
|
Großlibellen |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
13 |
Aeshna mixta |
1 |
 
|
3 |
Ex,K,Ei |
2 |
 
|
2 |
 
|
 
|
 
|
14 |
Aeshna cyanea |
2 |
 
|
2 |
Ex,K,Ei |
1 |
 
|
2 |
Ex |
1 |
 
|
15 |
Anax imperator |
1 |
 
|
3 |
Ex,K,Ei |
2 |
Ex,Ei |
2 |
 
|
 
|
 
|
16 |
Anax parthenope |
 
|
 
|
 
|
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
17 |
Brachytron pratense |
 
|
 
|
2 |
Ex |
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
18 |
Gomphus pulchellus |
3 |
 
|
4 |
Ex,K,Ei |
1 |
Ex |
 
|
 
|
 
|
 
|
19 |
Cordulia aenea |
 
|
 
|
3 |
Ex |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
20 |
Somatochlora metallica |
 
|
 
|
1 |
Ex |
 
|
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
21 |
Libellula quadrimaculata |
1 |
R |
2 |
 
|
2 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
22 |
Libellula depressa |
 
|
 
|
2 |
Ex,K,Ei |
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
23 |
Orthetrum cancellatum |
1 |
 
|
4 |
Ex,K,Ei |
3 |
K,Ei |
2 |
 
|
 
|
 
|
24 |
Crocothemis erythraea |
 
|
 
|
1 |
 
|
1 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
25 |
Sympetrum striolatum |
3 |
 
|
5 |
Ex,K,Ei |
3 |
Ex,K,Ei |
 
|
 
|
5 |
K,Ei |
26 |
Sympetrum vulgatum |
3 |
 
|
2 |
Ex,K,Ei |
3 |
Ex,K,Ei |
 
|
 
|
1 |
 
|
27 |
Sympetrum flaveolum |
4 |
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
 
|
28 |
Sympetrum sanguineum |
4 |
 
|
4 |
Ex,K,Ei |
2 |
 
|
4 |
 
|
4 |
 
|
29 |
Sympetrum danae |
2 |
 
|
2 |
 
|
 
|
 
|
5 |
Ex |
4 |
K,Ei |
 
|
Anzahl der Arten |
19 |
 
|
27 |
 
|
21 |
 
|
13 |
 
|
8 |
 
|
Legende:
Erste Spalte (S1): Häufigkeit der Imagines in Abundanzklassen nach
SCHMIDT (1964):
Angegeben ist die während des Untersuchungsszeitraumes maximal festgestellte
Abundanzklasse
Abundanzklasse |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
Anzahl d. beobacht. Tiere |
1 |
2-3 |
4-6 |
7-12 |
13-25 |
26-50 |
>50 |
Zweite Spalte (S2): Hinweise auf Bodenständigkeit
Ex Exuvienfund
K Kopula
Ei Eiablage
|
Abgrabungsgewässer (Gewässer 2 und 3)
Die Libellenfauna der beiden untersuchten Abgrabungsgewässer ist geprägt
durch Massenvorkommen von Cercion lindeni, Enallagma cyathigerum
und Gomphus pulchellus. Das Vorkommen von Cercion lindeni im
Taubenborn ist bereits seit 1981 bekannt (STEINBORN 1983). Uferabschnitte mit
einem relativ geringen Böschungswinkel und ausgedehnten Flachwasserzonen werden
von der Art bevorzugt besiedelt, hier wurden auf einer Uferlänge von 10 m bis
zu 50 Imagines beobachtet, bis über 50 Exuvien je m Uferlänge wurden von der
Art gefunden. Ähnlich hohe Imagines- und Exuviendichten erreichte Enallagma
cyathigerum.
|
Abb. 5: Die Pokal-Azurjungfer (Cercion lindeni)
findet sich im Untersuchungsgebiet in sehr hohen Populationsdichten |
Gomphus pulchellus wurde erstmals 1996 im Untersuchungsgebiet
nachgewiesen. Die Exuviendichte lag 2001 bei bis zu 10 Individuen je m
Uferlänge. Imagines der Art waren nur vereinzelt am Gewässer 2 zu beobachten,
die Tiere entfernen sich nach dem Schlupf u. U. recht weit vom Gewässer und
kehren meist nur kurzzeitig zur Fortpflanzung zurück.
Neben Cercion lindeni, Enallagma cyathigerum und Gomphus
pulchellus wurde Orthetrum cancellatum häufig festgestellt. Diese 4
Arten finden sich in der Oberweserniederung in sehr hoher Stetigkeit an
größeren Abgrabungsgewässern, die – meist wenige Jahre nach Einstellung des
Abbaus – relativ junge Sukzessionsstadien mit vegetationsarmen, stark
besonnten Uferabschnitten aufweisen. Neben diesen Arten fanden sich insbesondere
2001 solche mit einer Präferenz für Gewässer mit einer reichen Schwimmblatt-
und Unterwasservegetation. Hierzu zählen Erythromma najas, die
insbesondere die Seerosenbestände im nordöstlichen Teil von Gewässer 2
besiedelt, sowie Erythromma viridulum, die vor allem in dichten an der
Wasseroberfläche schwimmenden und mit Grünalgenwatten durchsetzten
Wasserschlauch-Beständen zu finden ist.
Zu den Arten, die Abgrabungsgewässer der Oberweseraue meist erst nach vielen
Jahren oder Jahrzehnten besiedeln, zählen Brachytron pratense, Cordulia
aenea und Somatochlora metallica. Brachytron pratense
bevorzugt Gewässer mit einer mehr oder weniger gut ausgeprägten Ufervegetation
aus röhrichtbildenden Arten und findet sich an entsprechenden Uferabschnitten,
insbesondere am Westufer des Gewässers 2. Cordulia aenea und Somatochlora
metallica besiedeln vorzugsweise Uferabschnitte, die zumindest stellenweise
durch Ufergehölze – meist Erlen oder Weiden - beschattet werden.
|
Abb. 6: Die Gemeine Smaragdlibelle (Cordulia aenea)
bevorzugt zumindest stellenweise beschattete Uferabschnitte |
Hecht- und Holzgraben (Gewässer 1)
Für die meisten der an Hecht- und Holzgraben beobachteten Arten fehlen
Bodenständigkeitsnachweise für diese Gewässer. Dies deutet darauf hin, daß
diese Arten nicht in jedem Jahr hier zur Fortpflanzung kommen. Viele der
beobachteten Individuen dürften von benachbarten Gewässern zugeflogen sein.
Bemerkenswert ist die im Vergleich zu anderen Randsenkenbächen und –gräben
der Oberweserniederung hohe Zahl an Arten, die hier nachgewiesen wurden. Dies
deutet darauf hin, daß das Gewässer jahrweise, z. B. bei kontinuierlicher
Wasserführung, vielen Arten als Fortpflanzungslebensraum dienen kann. Eine hohe
Bedeutung haben Hecht- und Holzgraben sowie deren Umgebung aber auch als
Nahrungshabitat vieler Libellen.
Weiher der Grundlosen (Gewässer 4 und 5)
An den Weihern der "Grundlosen" wurde eine vergleichsweise geringe Anzahl
von Libellenarten nachgewiesen. Neben den im Oberweserraum weit verbreiteten
Arten Pyrrhosoma nymphula, Coenagrion puella, Ischnura elegans
wurden Aeshna cyanea und Sympetrum danae hier als bodenständig
festgestellt. Letztere besiedelt im Weserbergland sehr unterschiedliche
Gewässer. Im Solling ist sie in Moortümpeln und –weihern weit verbreitet. In
der Oberweserniederung findet sich die Art in relativ flachen Gewässern mit
meist ausgedehnten Verlandungszonen. Im Untersuchungsgebiet wurde sie von uns an
den Weihern der Grundlosen sowie an temporären Gewässern beobachtet
(s. u.). Aeshna cyanea ist bezüglich ihrer Larvengewässer
ausgesprochen schattentolerant (STERNBERG & BUCHWALD 2000) und besiedelt im
Taubenborn schwerpunktmäßig die Weiher der Grundlosen. Die geringe Anzahl der
an den Grundlosen festgestellten Arten dürfte insbesondere auf verschiedene
anthropogene Einflüsse zurückzuführen sein. Die Weiher unterliegen einer
Eutrophierung durch umliegende landwirtschaftlich genutzte Bereiche, wodurch der
Prozeß der Verlandung beschleunigt wurde. Die mit dem Kiesabbau einhergehende
Absenkung des Grundwasserspiegels im Untersuchungsgebiet hat eine häufigere
Austrocknung der Grundlosen zur Folge. Außerdem unterliegen die Grundlosen seit
der Aufforstung direkt benachbarter Bereiche einer stärkeren Beschattung,
wodurch es auch zu einem Rückgang der Vegetationsstrukturen der Ufer kam.
Infolge all dieser Eingriffe finden momentan vermutlich deutlich weniger
Libellenarten geeignete Lebensbedingungen in den Weihern der Grundlosen als
zuvor. Nichtzuletzt aufgrund der Tatsache, daß es sich bei ihnen um einige der
wenigen bis heute erhaltenen ursprünglichen Stillgewässer der
Oberweserniederung handelt, haben die Weiher der Grundlosen eine hohe Bedeutung
als Nahrungs- und Fortpflanzungshabitat etlicher Libellenarten wie z. B. Sympetrum
danae. Darüber hinaus ist das Besiedlungspotential dieser Gewässer für
Libellen als sehr hoch einzuschätzen, wenn Entwicklungsmaßnahmen wie Entnahme
der nicht standortgerechten Gehölze oder Reduktion der Eutrophierung
durchgeführt werden.
Temporäre Gewässer
Die temporären Gewässer werden nur von wenigen Libellenarten regelmäßig als
Fortpflanzungshabitat genutzt. Diese Arten müssen die zeitweise Austrocknung
ihrer Gewässer zumindest tolerieren. Dies trifft z. B. für Arten wie Libellula
depressa, L. quadrimaculata und Sympetrum danae zu (STERNBERG
& BUCHWALD 2000). Im August 2001 wurde die letztgenannte Art von uns an
einem ca. 10 m² großen, erst wenige Tage zuvor entstandenen Tümpel in relativ
hoher Abundanz beobachtet. Sympetrum danae kann neben den oben bereits
erwähnten auch sehr junge, vegetationsarme Gewässer in großen Abundanzen
besiedeln (vgl. STERNBERG & BUCHWALD 2000).
Trotz der vergleichsweise niedrigen Artenzahl, die von uns an diesen Gewässern
festgestellt wurde, können temporäre Gewässer jahrweise eine hohe Bedeutung
für die Libellenfauna haben. Einige Arten können in diese Gewässer "ausweichen",
wenn ihnen andere normalerweise zur Reproduktion genutzte Gewässer keine
Fortpflanzungsmöglichkeiten bieten.
4.3 Vergleich der Libellenfauna der Jahre 1989 und
2001 am Beispiel des westlichen Abgrabungsgewässers (Gewässer 2)
Tab. 3: Maximal festgestellte Abundanzen und
Bodenständigkeitshinweise
am Gewässer 2 für die Jahre 1989 und 2001
Nr. |
Art |
1989 |
2001 |
|
|
S1
|
S2
|
S1
|
S2
|
|
Kleinlibellen |
|
|
|
|
1 |
Calopteryx splendens |
1 |
|
1 |
|
2 |
Lestes viridis |
5 |
Ex,K,Ei |
2 |
S,K |
3 |
Lestes sponsa |
2 |
K, Ei |
|
|
4 |
Sympecma fusca |
1 |
|
|
|
5 |
Platycnemis pennipes |
7 |
Ex,K,Ei |
4 |
Ex,K,Ei |
6 |
Pyrrhosoma nymphula |
6 |
Ex,K,Ei |
6 |
Ex,K,Ei |
7 |
Erythromma najas |
|
|
4 |
Ex,K,Ei |
8 |
Erythromma viridulum |
|
|
6 |
Ex,K,Ei |
9 |
Coenagrion puella |
5 |
Ex,K,Ei |
5 |
Ex,K,Ei |
10 |
Cercion lindeni |
7 |
Ex,K,Ei |
7 |
Ex,K,Ei |
11 |
Enallagma cyathigerum |
6 |
Ex,K,Ei |
7 |
Ex,K,Ei |
12 |
Ischnura elegans |
7 |
Ex,K,Ei |
5 |
Ex,K,Ei |
|
Großlibellen |
|
|
|
|
13 |
Aeshna mixta |
3 |
Ex,K,Ei |
2 |
K,Ei |
14 |
Aeshna cyanea |
2 |
Ex,K,Ei |
1 |
|
15 |
Anax imperator |
2 |
Ex,K,Ei |
3 |
Ex,Ei |
16 |
Anax parthenope |
|
|
|
|
17 |
Brachytron pratense |
|
|
2 |
Ex |
18 |
Gomphus pulchellus |
|
|
4 |
Ex,K,Ei |
19 |
Cordulia aenea |
1 |
|
3 |
Ex,Ei |
20 |
Somatochlora metallica |
1 |
Ex |
1 |
Ex |
21 |
Libellula quadrimaculata |
|
|
2 |
K,Ei |
22 |
Libellula depressa |
2 |
Ex,K,Ei |
1 |
|
23 |
Orthetrum cancellatum |
2 |
Ex,K,Ei |
4 |
Ex,K,Ei |
24 |
Crocothemis erythraea |
|
|
1 |
|
25 |
Sympetrum striolatum |
5 |
Ex,K,Ei |
5 |
Ex,K,Ei |
26 |
Sympetrum vulgatum |
3 |
Ex,K,Ei |
1 |
Ex |
27 |
Sympetrum flaveolum |
|
|
|
|
28 |
Sympetrum sanguineum |
4 |
Ex,K,Ei |
4 |
K,Ei |
29 |
Sympetrum danae |
2 |
|
|
|
|
Anzahl der Arten |
21 |
|
24 |
|
Legende:
Erste Spalte (S1): Häufigkeit der Imagines in Abundanzklassen
nach SCHMIDT (1964):
Abundanzklasse |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
Anzahl d. beobacht. Tiere |
1 |
2-3 |
4-6 |
7-12 |
13-25 |
26-50 |
>50 |
Zweite Spalte (S2): Hinweise auf Bodenständigkeit
Ex Exuvienfund
K Kopula
S Schlupf
Ei Eiablage
Die Anzahl der an Gewässer 2 nachgewiesenen Arten nahm von 21 (1989) auf 24
(2001) zu. Dabei wurden 2001 6 Arten festgestellt, die 1989 nicht am Gewässer
beobachtet wurden. Für 3 der 1989 festgestellten Arten gelangen 2001 keine
Nachweise.
Die Erstbesiedlung des Gebietes zwischen 1989 und 2001 durch Gomphus
pulchellus, Erythromma najas, E. viridulum und Crocothemis
erythraea dürfte überwiegend auf klimatische Ursachen zurückzuführen
sein. Dabei haben insbesondere die trocken-heißen Sommer der 1990er Jahre die
Ausbreitung dieser Arten begünstigt. Während Erythromma viridulum 1992
erstmals im Gebiet nachgewiesen wurde, gelang für Gomphus pulchellus der
Erstfund 1996. Die Bestände beider Arten haben seitdem stark zugenommen.
Ähnliche Beobachtungen wurden im gleichen Zeitraum an zahlreichen anderen
Abgrabungsgewässern der Oberweserniederung gemacht und bestätigen den in der
Literatur für diese Arten beschriebenen Trend einer allgemeinen Ausbreitung in
Mitteleuropa (vgl. RUDOLPH 1980, MÜLLER & SUHLING 1990, RUDOLPH 1998, STERNBERG
& BUCHWALD 1999).
Crocothemis erythraea dürfte von der Zunahme der Anzahl
trocken-heißer Sommer in den letzten Jahren profitiert haben. Auch diese Art
weitet ihr Areal moment nach Norden aus (vgl. Kap. 4.1). Inwieweit sich die Art
in der Region etablieren kann, bleibt abzuwarten.
Die Zunahme der Bestände von Erythromma najas und E. viridulum
kann jedoch auch auf eine sukzessionsbedingte Ausbreitung der Unterwasser- und
der Schwimmblattvegetation zurückzuführen sein, auf die beide Arten angewiesen
sind. Vermutlich unterliegen die Bestände beider Arten deshalb stärkeren
Schwankungen, da jahrweise die Vegetation im Rahmen der Angelnutzung in
größeren Bereichen des Gewässers entfernt wird. Zumindest für die
Ausbreitung von E. viridulum sind aber neben Vegetationsveränderungen
auch klimatische Ursachen zu vermuten.
|
Abb. 7: Das Kleine Granatauge (Erythromma viridulum)
weist seit Anfang der 1990er Jahre starke Bestandszunahmen in der
Oberweserniederung auf |
Brachytron pratense wurde erstmals im Mai 2000 im Untersuchungsgebiet
beobachtet. Eventuell wurde die Art in den Jahren zuvor aufgrund ihrer frühen
Flugzeit übersehen. Eine Bestandszunahme könnte aber auch auf eine
sukzessionsbedingte Zunahme von Röhrichten und schattenspendenden Gehölzen in
bzw. an den wechselfeuchten Flachwasserzonen des Gewässers zurückzuführen
sein. Nach STERNBERG & BUCHWALD (2000) besiedelt die Art vorzugsweise
Gewässer mit diesen Strukturen.
Auch Cordulia aenea, deren Bestände deutlich zugenommen haben, hat
vermutlich von der zunehmenden Entwicklung einer Ufervegetation aus ried- und
röhrichtbildenden Arten sowie Gehölzen profitiert (vgl. Kap. 4.2).
Eine Übersicht, für welche Arten in den letzten zwei Jahrzehnten eine
Ausbreitungstendenz in die Oberweserniederung zu beobachten ist, zeigt Tab. 4.
Tab. 4: Arten, für die seit den 1980er Jahren eine
Ausbreitungstendenz in die Oberweserniederung zu beobachten ist, sowie deren
Erstnachweis und Bestandsentwicklung
Art |
Erstnachweis für die
Oberweserniederung |
Entwicklung der Bestände
im Oberweserraum |
Cercion lindeni |
1981 (Steinborn in STEINBORN 1983) in
Abgrabungsgewässern der "Godelheimer Seenplatte" |
Die Art kommt vermutlich mindestens seit Ende
der 1970er Jahre in der Oberweserniederung vor, da Steinborn bereits 1981
"stabile Populationen" vorfand. Momentan ist die Art insbesondere in
Abgrabungsgewässern häufig. |
Erythromma viridulum |
08/1992 (Lohr, unpubl.) an einem
Abgrabungsgewässer bei Heinsen (Nds.) und am Gewässer 2 |
Die Art war vermutlich schon vorher vorhanden,
die Anzahl der bekannten Vorkommen ist mittlerweile sehr hoch. |
Gomphus pulchellus |
06/1993 (Lohr, unpubl.) an einem
Abgrabungsgewässer bei Heinsen (Nds.) |
Die Art besiedelt vermutlich seit Anfang der
1990er Jahre die Abgrabungsgewässer der Oberweserniederung und kommt
heute an den meisten dieser Gewässer vor. Im Juni 1996 gelang erstmals
der Fund einer Exuvie im Untersuchungsgebiet an Gewässer 2. Hier wurden
1999-2001 massenhaft Exuvien gefunden (vgl. Kap. 4.2). |
Brachytron pratense |
05/2000 (Lohr in dieser Arbeit) an
Gewässer 2 |
Im Jahr 2001 wurden im Oberweserraum für 5
Gewässer mit einer dichten Röhrichtvegetation Nachweise erbracht
(mindestens 2 davon bodenständig). |
Crocothemis erythraea |
08/2000 (Lohr, unpubl.) an einem
Abgrabungsgewässer bei Holzminden |
2001 war die Art an dem Gewässer bei
Holzminden eventuell bodenständig. 2001 gelangen mehrere Beobachtungen im
Untersuchungsgebiet an Gewässer 2 und 3 (vgl. Kap. 4.1). |
Anax parthenope |
07/2001 (Lohr in dieser Arbeit) 2
Einzelfunde an Gewässer 3 |
Zur Bestandsentwicklung der Art können noch
keine Angaben gemacht werden. |
Ob es sich bei den Einzelnachweisen von Sympecma fusca (1989, vgl.
Kap. 4.1) um verdriftete Tiere handelt oder ob die Art zumindest jahrweise
bodenständig im Gebiet ist und aufgrund ihrer unauffälligen Lebensweise in den
anderen Jahren übersehen wurde, läßt sich momentan noch nicht abschließend
beurteilen. Eine gezielte Nachsuche in für die Art geeigneten
Gewässerbereichen mit einer reichen submersen Vegetation könnte hierüber
Aufschluß geben.
Sympetrum danae, Libellula quadrimaculata und Lestes sponsa
wurden jeweils nur in einem der beiden Jahre in relativ geringen Abundanzen
nachgewiesen, waren jedoch im jeweils anderen Jahr an anderen Gewässern des
Untersuchungsgebietes präsent. Für sie ist zu vermuten, daß sie Gewässer 2
nur jahrweise in relativ geringen Individuendichten besiedeln und vorzugsweise
andere Gewässer des Untersuchungsgebietes zur Fortpflanzung nutzen.
5
Zur Bedeutung des Taubenborn
für die Libellenfauna
Das Untersuchungsgebiet "Taubenborn" und "Grundlose" weist einen für
die Region ungewöhnlich großen Artenreichtum an Libellen auf. Dieser ist nicht
zuletzt auf eine bemerkenswerte Vielfalt z. T. sehr unterschiedlicher
Gewässer auf kleinem Raum zurückzuführen. Es finden sich viele hinsichtlich
ihrer Strukturierung verschiedene Gewässertypen. So differieren z. B.
Gewässergröße, -tiefe, Ausdehnung und Strukturierung von Flachwasserzonen,
Vegetationsstruktur, Gewässerchemismus, Wasserführung, Beschattung,
Temperaturregime u. a. Hierdurch bietet das Gebiet einer sehr hohen Zahl
unterschiedlicher Lebensgemeinschaften zusagende Lebensbedingungen (hohe
biozönologische Vielfalt des Gebietes).
Insbesondere das Nebeneinander temporärer Gewässer (Pfützen,
Überflutungstümpel, einige Hechtgrabenabschnitte, einige Weiher der
Grundlosen) und solcher, die permanent Wasser führen (Teile der Grundlosen,
Abgrabungsgewässer) ist für die Populationen vieler Libellenarten von großer
Bedeutung. Darüber hinaus können die Gewässer jahrweise einem sehr
unterschiedlichen Wasserregime unterliegen, in einem Jahr trocknet das eine, im
nächsten das andere aus. Den Lebewesen ermöglicht dies das jahrweise
Ausweichen auf jeweils das Gewässer, das zum Überleben notwendige Bedingungen
bietet (vgl. DÖRFER 2000). Die Bedeutung auch von Gewässern, die
vergleichsweise kleine Libellenpopulationen beherbergen, hebt STERNBERG (1995)
hervor. Diese Gewässer werden bei Bedarf "aktiviert". "Verwaist"
infolge ungünstiger Bedingungen das Gewässer, in dem der Hauptteil der
Population lebt, kann dieses später von den so genannten "Neben- und
Latenzhabitaten" wiederbesiedelt werden.
Die Abgrabungsgewässer des Untersuchungsgebietes beherbergen einen im
Vergleich zu ähnlichen Gewässern der Region außergewöhnlichen Artenreichtum.
Das Gebiet besiedeln relativ große Populationen einiger regional und
überregional seltener Arten, so z. B. der Rote Liste-Arten Brachytron
pratense, Cordulia aenea und Somatochlora metallica. Eine hohe
Bedeutung hat das Gebiet auch für Arten, die zumindest regional nicht
außerordentlich selten sind, jedoch im Taubenborn eine bemerkenswert hohe
Populationsdichte erreichen und im Oberweserraum hier ihren
Verbreitungsschwerpunkt haben, so z. B. Cercion lindeni und Gomphus
pulchellus.
Das hohe Besiedlungspotential der Gewässer des Gebietes für sich momentan
ausbreitende Arten zeigt sich u. a. durch die Nachweise von Crocothemis
erythraea und Anax parthenope im Jahr 2001. Von Bedeutung ist in
diesem Zusammenhang insbesondere auch die lange Tradition der Libellenbesiedlung
des Taubenborns und der Grundlosen. Das Gebiet beherbergt seit Jahrtausenden
sehr viele Auengewässer unterschiedlichster Struktur. Das Abgrabungsgewässer 2
wurde direkt im Bereich von zwei Weihern der Grundlosen sowie des Hechtgrabens
gebaggert. Viele der ursprünglichen Lebensgemeinschaften konnten und können
das neu entstandene Gewässer direkt besiedeln. Mit maximal 6 m Wassertiefe und
zahlreichen Flachwasserzonen weist das Gewässer im Vergleich zu anderen
Abgrabungsgewässern ungewöhnlich viele Strukturen auf, die eine Besiedlung
durch die ursprünglichen, landschaftstypischen Elemente der Fauna und Flora
ermöglichen.
Die z. T. überragende Bedeutung der "Hechtgräben" für
gewässerbewohnende Organismen ist auch für den Taubenborn eindrucksvoll
belegt. Viele Fischarten wie Hecht und Schleie finden in diesen bei Hochwasser
mit der Weser in Verbindung stehenden Gewässern Rückzugsgebiete und
Laichgründe (DÖRFER 1995). Die Weser selbst bietet diesen Arten aufgrund ihres
Ausbaugrades momentan keinen Lebensraum. Auch für Libellen haben diese Bäche
eine hohe Bedeutung, da sie vielerorts die letzten verbliebenen naturnahen
Fließgewässer der Oberweseraue sind. Als solche dienen sie auentypischen
Pflanzen und Tieren auch als Ausbreitungskorridor.
6 Schlußbetrachtung
Trotz der vielen Veränderungen, die in den letzten Jahrhunderten das Gebiet
geprägt haben, finden sich hier noch viele auentypische Lebensräume und
-gemeinschaften in für die Oberweseraue einzigartiger Ausprägung. Die
umfassenden Bestandsaufnahmen der letzten Jahre belegen dies eindrucksvoll.
Neben den hier vorgestellten Ergebnissen libellenkundlicher Untersuchungen
unterstreichen zahlreiche Veröffentlichungen den hohen naturschutzfachlichen
Wert der Weserrandsenke "Taubenborn" einschließlich der angrenzenden
Hangbereiche des Ziegen- und Brunsbergs auch für andere Artengruppen, so
z. B. RETZLAFF (1985) für die Schmetterlinge. Nichtzuletzt die
individuenreichen Vorkommen der FFH-Arten Kammolch (Triturus cristatus)
und Hirschkäfer (Lucanus cervus) belegen die Schutzwürdigkeit des
Gebietes und unterstreichen die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Taubenborn und
der Grundlosen in die Liste der FFH-Gebiete.
Auch aus der Selbstverpflichtung für die Einhaltung der Ziele der "agenda
21" zur Erhaltung der lokalen und regionalen biologischen und strukturellen
Vielfalt sowie der Süßwasserressourcen ergeben sich folgende prioritäre
Entwicklungsziele für das Gebiet:
-
Umwandlung der Forste in
naturnahe Wälder mit standortgerechten Gehölzen
-
Erhalt und Förderung der
extensiven Grünlandnutzung
-
Umwandlung verbliebener Äcker
in Sukzessionsflächen
-
Behutsame Revitalisierung der
ausgebauten bzw. begradigten Abschnitte der Randsenkenbäche Hecht- und
Holzgraben
-
Beseitigung der Drainagen
-
Beseitigung aller
Quellfassungen
-
Aufgabe bzw. Extensivierung der
Angelnutzung
-
Rückbau militärischer Anlagen
und der asphaltierten Straße entlang des Hangfußes des Ziegenberges
-
Nutzung der alten
Straßentrasse östlich des Bahndammes außerhalb des Untersuchungsgebietes
für den Neu- bzw. Ausbau der B64/83
Schon frühzeitig wurden die
natürlichen Gewässer der "Grundlosen" unter Schutz gestellt. Gleiches
hätte mit den Randsenkenbächen "Hecht- und Holzgraben" sowie deren
Einzugsgebieten geschehen müssen. Die vielfältigen Eingriffe (Bau des
Bahndamms, Begradigung, Anlage von Drainagen, Kiesabbau) haben das engverzahnte
räumliche Mosaik der Klein- und Fließgewässersysteme und Quellen nicht
zerstören können. Aus biozönologischer Sicht haben die entstandenen Kiesseen
eine gewisse Ersatzfunktion für einige charakteristische Arten der Altwässer
übernehmen können. Allerdings ist dies weniger auf eine nachhaltige,
zukunftsorientierte Planung zurückzuführen, sondern viel mehr dem hohen
biotischen und abiotischen Potential des Gebietes zu verdanken. Es liegt an uns,
dieses einzigartige Gebiet und sein Potential zu erhalten.
7 Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden die
Ergebnisse 12jähriger libellenfaunistischer Untersuchungen an Gewässern der
Weserrandsenke "Taubenborn" und "Grundlose" 2 km südlich von Höxter
dargestellt.
Trotz verschiedener Eingriffe, die
in den letzten Jahrhunderten das Gebiet verändert haben, sind viele
auentypische Lebensräume und -gemeinschaften im Gebiet in für die gesamte
Region einzigartiger Ausprägung erhalten. Auf kleinem Raum finden sich sowohl
trocken-warme als auch kühl-wechselfeuchte Standorte, das Gebiet "Taubenborn"
und "Grundlose" stellt die letzte, relativ naturnahe Randsenke der gesamten
Oberweserniederung dar.
Im Rahmen der hier vorgestellten
Untersuchungen wurde im Gebiet ein für die Region außergewöhnlich großer
Artenreichtum der Libellen dokumentiert. Insgesamt wurden zwischen 1989 und 2001
29 Libellenarten nachgewiesen. Die bemerkenswerte Vielfalt sehr
unterschiedlicher Gewässer, die aufgrund der besonderen hydrologischen
Verhältnisse des Gebietes vorhanden sind, bietet zahlreichen z. T.
seltenen Libellenarten zusagende Lebensbedingungen. Dementsprechend besiedeln
das Gebiet einige regional und überregional seltene Arten in relativ großen
Populationen, so u. a. Brachytron pratense, Cordulia aenea
und Somatochlora metallica. Erstnachweise für die Region gelangen im
Rahmen der Untersuchungen u. a. für Brachytron pratense, Crocothemis
erythraea und Anax parthenope.
Aufgrund der hohen Bedeutung für
z. T. europaweit gefährdete Pflanzen- und Tierarten werden konkrete
Vorschläge zum Schutz und zur Entwicklung des Gebietes gemacht. Insbesondere
die behutsame Renaturierung einiger Gewässer sowie die Nutzung der alten
Straßentrasse beim Neu- bzw. Ausbau der B64/83 zwischen Höxter und Godelheim
stellen vordringliche Aufgaben zum Erhalt dieses einzigartigen Gebietes dar.
8 Danksagung
Für konstruktive Diskussionen und
Anregungen bedanken wir uns bei Bernd Gerken, Höxter. Hans-Georg Wagner,
Höxter, übernahm die Nachbestimmung kritischer Pflanzensippen. Auch ihm gilt
unser herzlicher Dank.
9
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Anschriften
der Verfasser:
Mathias Lohr, An der Kirche 22, 37671 Höxter,
email: mlohr@fh-hoexter.de
Hanns-Dieter Mitzka, Corvey 10, 37671 Höxter
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