Von Theo Elberich und Heinz Kowalski, unter Mitarbeit von Walter Köble
Abb. 1: | Zeichnung eines Turmfalkenpaares (links das Weibchen, rechts unten das Männchen mit den typischen dunklen Tupfen) aus Naumann 1899 |
1971 wurde schon einmal ein Falke zum Vogel des Jahres gewählt: Der Wanderfalke war damals vom Aussterben bedroht und wurde zum ersten Jahresvogel überhaupt ernannt. Die Aktion zeigte Erfolg. Heute gibt es in Deutschland, vor allem dank des NABU und des LBV, wieder über 800 Wanderfalken-Brutpaare.
Im Jahr 2007 hat es nun ein kleiner Verwandter zur Ehre „Vogel des Jahres“ geschafft: Der Turmfalke. Er ist viel häufiger als die anderen Falkenarten und viel präsenter. Man kann ihn an Kirchtürmen, an höheren Gebäuden, Brücken und Masten, aber auch in der freien Natur beobachten. Wenn er rüttelnd über einer Wiese „steht“, weiß auch der Laie: Das ist der Turmfalke, der „Rüttelfalk“.
Der Vogel des Jahres 2007 steht für den Lebensraum Stadt und die Notwendigkeit, an Gebäuden Nistmöglichkeiten zu erhalten oder zu schaffen. Er steht aber auch für die landwirtschaftlich genutzten Flächen und zeigt an, wo es noch Lebensraum für Mäuse und anderes Kleingetier gibt.
Den Turmfalken bei der Jagd beobachten zu können, ist fantastisch. Wir wünschen Ihnen dieses Erlebnis besonders häufig und immer häufiger in den kommenden Jahren.
Der Turmfalke ist ein bekannter Vogel, den man nicht selten antrifft. Besonderen Gefährdungen ist er nicht ausgesetzt; deshalb steht er auch nicht auf der „Roten Liste“. Dennoch gehen die Bestandszahlen langsam aber stetig zurück. Der Grund dafür: Immer mehr Lebensräume gehen für den Turmfalken verloren. Freie Flächen an den Stadt- und Dorfrändern werden durch Straßen und Neubauten versiegelt, Nistmöglichkeiten an den Häusern verschlossen, Kirchtürme bei Renovierungen völlig abgedichtet. Das Gleiche gilt für Scheunen und große Schuppen auf dem Land. Unsinnige Hygienevorgaben tragen dazu bei, dass die Gebäude hermetisch abgeriegelt werden. Dem Turmfalken fehlt es – wie vielen anderen Tieren auch – an Nistplätzen und an ausreichender Nahrung. Früher gehörte der kleine Falke zum üblichen Bild von Dorf und Kleinstadt. Ein Ort mit Kirche hatte selbstverständlich einen Turmfalken.
Heute hat sich die Lebensraumqualität für den Turmfalken gewandelt. In großen Städten gibt es zwar Nistmöglichkeiten, dafür fehlt es an freien Flächen, auf denen die Greifvögel jagen können. Denn der Turmfalke ist auf Beute am Boden angewiesen, vor allem auf Mäuse. Das unterscheidet ihn von seinen Vettern, dem Wander- und dem Baumfalken, die hauptsächlich Vögel oder Libellen und andere Großinsekten erbeuten.
Den Flächenverbrauch einzudämmen und Freiflächen zu erhalten, ist ein mühevolles Unterfangen, das einen langen Atem erfordert. Der praktische Vogelschutz dagegen lässt sich für den Turmfalken vergleichsweise einfach bewerkstelligen. Dabei sollte der Schutz vorhandener Brutnischen an Gebäuden im Vordergrund stehen. Zusätzlich können Nistkästen an Fabrikgebäuden, Brückenpfeilern, Masten oder Türmen angebracht werden. Alte Baumnester, die von Rabenkrähen und anderen Vögeln gebaut wurden, sollten erhalten bleiben. Sie werden von Turmfalken gerne als Fertigheim genutzt.
Turmfalken gehören zur Ordnung der Greifvögel (Falconiformes). Diese besteht aus den Familien der Habichtartigen (Accipitridae), der Fischadler (Pandionidae), der bei uns nicht vorkommenden Sekretäre (Sagittaridae) und der Neuweltgeier (Cathartidae) sowie der Falken (Falconidae). Die Familie der Falken wiederum teilt sich in die Gattungsgruppen der Zwergfalken und der „eigentlichen Falken“ auf. Der Turmfalke gehört zu den „eigentlichen Falken“. Weitere Arten der Gattung sind Merlin, Rotfußfalke, Baumfalke, Eleonorenfalke, Wanderfalke, Gerfalke, Würgefalke und Rötelfalke.
Abb. 2: | Turmfalke im Flug (Foto: NABU/ A. Klein) |
Der Turmfalke (Falco tinnunculus) bevorzugt hochgelegene Brutplätze. Auf diese Vorliebe ist wohl aus sein Name zurückzuführen. Der wissenschaftliche Name tinnunculus bedeutet „schellend, klingend“ und hängt mit den charakteristischen Rufen zusammen. Im Schwäbischen wird er auch „Turmweih“ genannt, im Volksmund heißt er häufig „Rüttelfalk“.
Männchen und Weibchen unterscheiden sich optisch. Ältere Männchen haben einen hellgrauen Kopf und einen rotbraunen Rücken mit kleinen dunklen Flecken. Der Schwanz ist ebenfalls hellblau-grau mit einer schwarzen Endbinde. Die Unterseite des Körpers ist gelblich mit Längsstreifen und kleineren dunklen Tropfenflecken. Beim Weibchen dagegen sind Kopf, Rücken und Schwanz rostbraun gefärbt mit dichter dunkler Fleckung und Querbänderung. Die Körperunterseite ist stärker gefleckt als beim Männchen.
Der Turmfalke ist rund 35 Zentimeter groß und gehört damit in Deutschland zu den kleinen Greifvögeln. Seine Spannweite beträgt 75 Zentimeter. Im Flug sind die Vögel an ihren langen spitzen Flügeln zu erkennen und natürlich an ihren charakteristischem Rüttelflug.
Man erkennt den Turmfalken an seinen, lauten „kikikikiki“-Rufreihen, die er vor allem im Flug ausstößt. Am Brutplatz gibt er leisere Rufe von sich.
Turmfalken ernähren sich vorwiegend von Feldmäusen und anderen Wühlmäusen. Durch die Spezialisierung entsteht eine Abhängigkeit vom Beutevorkommen. Die Bestände der Feldmäuse schwanken von Jahr zu Jahr beträchtlich; in manchen Gebieten gehen sie aufgrund der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden stark zurück. Vor allem in Zeiten, in denen Mäuse rar sind, erbeuten Turmfalken im schnellen Sturz- oder Verfolgungsflug auch kleinere Vögel. Darüber hinaus stehen Eidechsen und Insekten, vor allem Käfer und Heuschrecken, und gelegentlich Regenwürmer auf der Speisekarte. Die Im Heft: Seitenumbruch hier! Zusammensetzung ihrer Nahrung lässt sich von Experten gut untersuchen, da Turmfalken, wie alle anderen Greifvögel, unverdaute Reste der Beute im Magen zu Gewöllen zusammenpressen und dann ausspeien.
In den Städten nistet der Turmfalke gerne an Kirchtürmen, Masten und anderen hohen Gebäuden mit einer zugänglichen Öffnung oder Nische, die Platz zum Brüten bietet. Im Gebirge, an Felsabbrüchen oder Steinbrüchen dienen Spalten oder kleine Höhlen im Gestein als Brutplätze. Häufig nutzen Turmfalken auch alte Krähen- oder Elsternester an Waldrändern, in Feldgehölzen oder auf einzelstehenden Bäumen. Auch Nistkästen an hohen Gebäuden oder Brückenpfeilern werden gerne angenommen.
Turmfalken sind bereits nach einem Jahr geschlechtsreif. Im Spätwinter oder zeitigem Frühjahr besetzen sie das Brutrevier, das häufig auch als Winterrevier gedient hat. Ein Paar bleibt zumeist ein Leben lang zusammen. Wenn als Brutplatz nicht ein vorhandenes Nest genutzt wird, begnügt sich der Turmfalke mit einer kleinen Mulde, aus der die Eier nicht wegrollen können. Das Weibchen legt zwischen Mitte April und Mitte Mai drei bis sieben Eier und brütet 29 Tage lang. Nachdem die Jungen geschlüpft sind, werden sie gut vier Wochen lang gefüttert. Nachdem sie das Nest verlassen haben, werden sie noch weitere vier Wochen von den Eltern begleitet und gefüttert. Danach verlassen sie ihren Geburtsort und suchen sich ein eigenes Revier.
Die Turmfalken bei uns in Mitteleuropa sind überwiegend Standvögel. Sie bleiben ganzjährig in einem Gebiet, das recht groß sein kann. Manche Vögel ziehen allerdings am Ende des Sommers in den wärmeren Süden, zum Teil bis nach Nordafrika. Turmfalken aus Nord- und Osteuropa tauchen dagegen im Winter gelegentlich in Deutschland auf. Insbesondere auf den offenen Flächen der Mittelgebirge sind im Winter häufig Turmfalken zu sehen, während man sie dort im Sommerhalbjahr vergeblich sucht.
Abb. 3: | Turmfalke im Portrait (Foto: NABU/ M. Heng) |
Der Turmfalke zählt als ursprünglicher Felsbewohner zu den wenigen Gewinnern der Urbanisierung. Türme, hohe Häuser und Scheunen haben ihm einen zusätzlichen Lebensraum eröffnet. Da er auch viele andere Lebensraumtypen, vor allem Waldränder, besiedeln kann, ist der Turmfalke in Deutschland und in ganz Europa relativ häufig anzutreffen.
Zum Jagen benötigt der Turmfalke offene Flächen mit niedriger Vegetation. Nicht selten sieht man ihn auch an Straßenböschungen oder steilen Hängen.
In Deutschland leben knapp 50.000 Turmfalken-Paare, im gesamten Mitteleuropa rund 90.000 Brutpaare. Wir tragen hier also die besondere Verantwortung für den Erhalt dieser Art. In Europa gibt es insgesamt etwa 350.000 Brutpaare. Der Turmfalke ist damit die häufigste Falkenart in Europa.
In den letzten 30 Jahren wurden für zahlreiche Gebiete Mittel- und Nord-Ost-Europas mäßige bis starke Bestandsrückgänge gemeldet mit einem Tiefstand in den 80er Jahren. Die stärksten Abnahmen von bis zu 50 Prozent verzeichnen Russland, England und Frankreich. Die Siedlungs- Im Heft: Seitenumbruch hier! dichte hängt vom Angebot geeigneter Nistplätze und von der Nahrungssituation ab. Darum schwanken die Angaben über die Bestandsdichten sehr und liegen zwischen drei bis 90 Brutpaaren je 100 Quadratkilometer. Das Jagdrevier des Turmfalken umfasst rund 200 Hektar.
Der Turmfalke ist ein – noch – häufiger und als „Allgemeingut“ empfundener Vertreter der Greifvögel im ländlich geprägten Kreis Höxter. Er nistet in vielen Kirchtürmen und anderen geeigneten Gemäuern, so z. B. in der Südwand des Steinernen Hauses in Borgentreich, dem Sitz der Landschaftsstation. Nicht selten sieht man ihn sprichwörtlich „rüttelnd“ über der Feldflur „stehen“. Doch auch er ist von mancher Wandsanierung oder Fassadenglättung sowie der schleichenden Verschlechterung seiner Lebensraumqualität betroffen.
Abb. 4: | 30 Nisthilfen für den Turmfalken und ihr Erbauer Theo Elberich (Foto: Dirk Schiller/ NABU Höxter) |
Um hier entgegen zu steuern, veranlasste der NABU-Kreisverband Höxter, dass im November 2006 die heimische Presse ausführlich über den Turmfalken berichtete. Vom NABU-Höxter wurden kostenlos Nisthilfen für Turmfalken angeboten. „Kein Turm ohne Falke“, so lautete das Schlagwort dieser Aktion.
Kurz nach der Pressemeldung wurden auch noch alle Ortheimatpfleger des Kreises Höxter angeschrieben und um Installation der kostenlosen Nistkästen gebeten. Es wurden dann die rund 30 bestellten Nistkästen (siehe Abb. 4) in der NABU-Werkstatt in Marienmünster-Born selber hergestellt und zum Jahreswechsel 2006/2007 an die Interessenten ausgeliefert.
Von geschickten Bastlern können Nisthilfen für den Turmfalken sehr leicht selber hergestellt werden. Die Außenmaße B/ H/ T betragen etwa 42/ 30/ 26 cm, wobei die Vorderfront auf der ganzen Breite zur Hälfte offen bleibt (s. Abb. 5).
Abb. 5: | Turmfalkenkasten im Detail (Foto: Theo Elberich/ NABU Höxter) |
Der Text ist eine veränderte und ergänzte Wiedergabe aus der NABU-Broschüre „Der Turmfalke - Vogel des Jahres 2007“.
Naumann, Johann Friedrich 1899: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas: Band V, Tafel 20 – Gera, hier: digitale Fassung http://www.biologie.uni-hamburg.de /b-online /birds/2180_72.htm, 30.12.2007, 18:00 MEZ
Anschrift der Verfasser: Theo Elberich Geschäftsstelle NABU-Höxter Born 28 37696 Marienmünster nabu-hoexter@web.de Heinz Kowalski NABU Landesverband NRW Merowinger Str. 88 40225 Düsseldorf