Von Burkhard BEINLICH und Mathias LOHR
Abb. 1: | Lage des NSG „Grundlose-Taubenborn“ in der Weseraue mit Darstellung der verschiedenen Gewässer im Gebiet (Karte: W. Köble auf Grundlage TK 50) |
Ortsnah zwischen Höxter und Godelheim gelegen erfreut sich der Taubenborn großer Beliebtheit bei Erholungssuchenden und naturkundlich Interessierten. Es sind die zahlreichen Gewässer, das von Kopfweiden strukturierte Feucht- und Nassgrünland und die kleinen Erlenwälder direkt am Hangfuß der Rabenklippen und der Brunsburg, die die Besucher immer wieder in ihren Bann ziehen. Aber nicht nur die landschaftliche Vielfalt lockt die Besucher an – es ist auch die Faszination einer alten Kulturlandschaft, die sich hier im Taubenborn noch weitgehend unverfälscht erhalten hat! Bedeutung erlangt das Gebiet auch aufgrund der Tatsache, dass sich hier eine der letzten naturnahen Randsenken der gesamten Oberweserniederung findet.
Die Sonderstellung des Gebietes hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder Wissenschaftler veranlasst, bestimmten Fragestellungen im Taubenborn nachzugehen. Averdieck & Preywisch (1995) sowie Willkomm (1995) haben sich intensiv mit der Naturgeschichte der Grundlosen auseinander gesetzt, Lohr & Mitzka publizierten 2001 die Ergebnisse jahrelanger Untersuchungen zur Libellenfauna des Gebietes. Die historische Entwicklung der Weserlandschaft zwischen Höxter und Godelheim wurde von Koch detailliert untersucht, die Ergebnisse sind in diesem Heft dokumentiert (S. 4-40).
Weiterhin führt die Fachhochschule Lippe und Höxter seit mehr als zwei Jahrzehnten dort regelmäßig Geländepraktika und Kartierübungen durch. Mehrere Diplomarbeiten mit faunistischen Fragestellungen wurden über das Gebiet angefertigt. All diese Arbeiten belegen die große Bedeutung des Taubenborn für die Tier- und Pflanzenwelt. Die aus naturkundlicher Sicht überragende Bedeutung des Gebietes führte konsequenterweise zur Aufnahme des Taubenborns in das Netzwerk Natura 2000 des Europäischen Naturerbes. Die rechtliche Sicherung als Naturschutzgebiet (NSG) erfolgte 2006. Die Fläche des Schutzgebietes beträgt 71 ha.
Im Folgenden wird erstmals eine umfassendere Übersicht über die Tierwelt des Taubenborns gegeben. Da eine detaillierte Beschreibung der tierökologisch relevanten Strukturen bereits in der Arbeit von Lohr & Mitzka (2001) vorgelegt wurde, wird an dieser Stelle auf eine weitere Gebietsbeschreibung verzichtet.
Abb. 2: | Neuangelegter Kleinweiher im Sommer 2007 (Foto: B. Beinlich) |
Abb. 3: | Neuangelegter Graben mit reich entwickelter Röhrichtvegetation (Juli 2007, Foto: B. Beinlich) |
Abb. 4: | Kleine Grundlose nach der Entschlammung (Foto: B. Beinlich) |
Lediglich einige in den letzten Jahren neu entstandene Strukturen werden zum besseren Verständnis des Textes ergänzt: Im Vorfeld des Neubaus der B 64/83, die zukünftig direkt östlich des NSG verlaufen soll, wurden im Herbst und Winter 2005 zahlreiche Maßnahmen zur Förderung des Kammmolches, dessen Vorkommen im Taubenborn ursächlich für die Ausweisung als FFH-Gebiet war, durchgeführt. Im Wesentlichen handelte es sich um die Neuanlage von 14 Kleinweihern unterschiedlicher Größe und Tiefe (vgl. Abb. 2). Ihre Ausdehnung liegt zwischen 200 m² und 1000 m², ihre maximale Tiefe beträgt bei niedrigen Wasserständen 0,3 bis 1,2 m. Flachwasserzonen können im Sommerhalbjahr in größeren Bereichen trockenfallen. Die meisten Weiher führen jedoch auch in trockenen Jahren zumindest in tieferen Bereichen noch Wasser. Während im Jahr 2006 alle Gewässer eine lediglich geringe Vegetationsdeckung aufwiesen, zeigten die Vegetationsstrukturen der einzelnen Weiher im Hochsommer 2007 bereits deutliche Unterschiede: Während einige der Gewässer noch fast frei von Vegetation waren, erreichte die Vegetationsdeckung in anderen bereits mehr als 50 %.
Zusätzlich zu den Weihern wurde ein ca. 500 m langer Graben als Amphibienlebensraum und zur Abschirmung sensibler Uferbereiche angelegt (Abb. 3). Schlussendlich erfolgte im September 2006 die Entschlammung eines weitgehend verlandeten natürlichen Gewässers, der Kleinen Grundlose (Abb. 4).
Diese Maßnahmen haben das bereits vorhandene Angebot an Gewässern deutlich erhöht. Fischfreie Kleinweiher waren im Gebiet vorher kaum vorhanden und bereichern es nun.
Die folgenden Ausführungen zur Tierwelt des Taubenborns basieren im Wesentlichen auf wissenschaftlichen Untersuchungen und Kartierungen der Verfasser. Die Daten werden abgerundet durch
All den an diesen Arbeiten beteiligten Personen und sonstigen Meldern von Beobachtungen sei an dieser Stelle herzlich für ihre Mitarbeit gedankt!
Die Vielfalt der heimischen Tierarten – für Deutschland wird die Artenzahl mit ca. 48.000 beziffert (Völkl & Bick 2004) – macht einen Totalzensus mehr oder weniger unmöglich. Faunistische Arbeiten müssen sich dementsprechend immer zielgerichtet auf eine Auswahl für die jeweilige Fragestellung relevanter Arten/Artengruppen beschränken. Im Folgenden liegt unser Augenmerk daher auf charakteristischen, im Gelände gut zu beobachtenden bzw. naturschutzrelevanten Arten. Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Nachweise aus den letzten 10 Jahren.
Während die Fledermausfauna und die größeren Säuger des Taubenborns recht gut untersucht sind, liegen von den kleineren Säugetieren, insbesondere den Nagetieren, nur sporadische Nachweise vor. Regelmäßig anzutreffen sind Wildschwein und Reh sowie Waschbär, Hermelin und Mauswiesel. Seltener treten Hase und Bisamratte auf. Eichhörnchen suchen den Taubenborn vor allem im Herbst zur Nahrungssuche auf. Die Gebüsche am Bahndamm und der Waldrandbereich sind Lebensraum der Haselmaus. Aus der Gruppe der Insektenfresser sind Igel, Maulwurf und verschiedene Spitzmausarten vertreten.
Mit wenigstens 9 Arten ist die Ordnung der Fledermäuse (Chiroptera) recht artenreich im Schutzgebiet vertreten (vgl. Tab. 1).
Tab. 1: | Mittels Detektor nachgewiesene Fledermausarten im Naturschutzgebiet „Grundlose-Taubenborn“ und deren Rote Liste-Status |
Die verschiedenen Arten nutzen die Lebensräume des Taubenborns in recht unterschiedlicher Weise. Soweit bekannt stellt sich die Raumnutzung durch die verschiedenen Arten wie folgt dar:
Das Große Mausohr kann regelmäßig in den als Jagdrevier genutzten Wäldern des Ziegenbergs festgestellt werden. Der Taubenborn wird dabei von einzelnen Tieren vermutlich nur „durchflogen“ – und zwar auf dem Weg von der Wochenstube im nur knapp 3 km entfernt liegenden Historischen Rathaus von Höxter. Es ist aber auch denkbar, dass Tiere aus den bekannten Wochenstuben in Hembsen oder Meinbrexen den Taubenborn auf dem Weg in die direkt benachbarten Wälder am Ziegen- und Brunsberg aufsuchen, denn der Aktionsraum der Grossen Mausohren deckt einen Radius von bis zu 20-25 km um die Kolonie ab.
Fransenfledermäuse nutzen im Taubenborn vor allem die Erlenwälder um die beiden Grundlosen als Jagdgebiet. Eine gewisse Bedeutung kommt aber auch den Gehölzbeständen an den Abgrabungsgewässern und am Bahndamm zu.
Nachweise für Bartfledermäuse sind im Taubenborn bisher nur durch Detektoren erbracht worden. Da die beiden heimischen Arten Myotis mystacinus/brandtii akustisch nicht voneinander unterscheidbar sind, ist unklar, ob es sich um die Kleine oder Große Bartfledermaus handelt oder gar um beide. Ob die Bartfledermäuse den Taubenborn als Jagdgebiet nutzen oder ihn nur auf dem Weg von ihren (Wochenstuben ?)-Quartieren am Bruns- und Ziegenberg in Richtung Weser durchfliegen, ist nicht bekannt. Da der Taubenborn mit seinen gehölzreichen Strukturen und Wasserflächen durchaus den Habitatanforderungen von Bartfledermäusen entspricht, ist eine Nutzung des Schutzgebietes als Jagdgebiet aber wahrscheinlich.
Die Wasserfledermaus kann als die charakteristische Fledermausart des Taubenborns bezeichnet werden. Sie wurde an allen größeren Gewässern im Gebiet regelmäßig und in großer Anzahl bei der Jagd nachgewiesen.
Die Breitflügelfledermaus ist regelmäßig im Schutzgebiet nachweisbar. Die Art scheint bevorzugt das Offenland im Süden des Taubenborns als Jagdgebiet zu nutzen. Es ist wahrscheinlich, dass die im Taubenborn beobachteten Breitflügelfledermäuse in Godelheim über eine Wochenstube verfügen.
Abb. 5: | Der Bereich des Taubenborns im Schrägluftbild (1997) von SW aus. Gut erkennbar ist die eng verzahnte Lebensraumvielfalt Ziegenberghang (links), Grünland und Kleingewässer (Bildmitte) bis große Baggerseen (oben, Kieswerk) (Foto: M. Lohr) |
Die Zwergfledermaus ist zusammen mit der Wasserfledermaus die am häufigsten anzutreffende Art im Naturschutzgebiet. Sie konnte in allen Teilbereichen des Schutzgebietes nachgewiesen werden. Schwerpunkte liegen im Bereich der Waldränder zum Ziegen- und Brunsberg sowie entlang der Gehölzstrukturen in Gewässernähe.
Aus dem Taubenborn wurden bisher nur wenige Nachweise für Langohren erbracht. Da die Nachweise mittels Detektor erfolgten, ist nicht bekannt, ob es sich um das Braune oder Graue Langohr handelt, denn wie Bartfledermäuse sind auch Langohrfledermäuse mittels Detektor nicht unterscheidbar. Als Jagdgebiet dürfte der Taubenborn keine große Bedeutung für Langohren zu besitzen.
Auch vom Kleinen Abendsegler wurden bisher nur wenige Nachweise im Taubenborn erbracht. Er sucht das Gebiet nur unregelmäßig auf.
Große Abendsegler können immer wieder im Taubenborn, der mit seinen zahlreichen Gewässern ein sehr gutes Jagdgebiet für die Art darstellt, verhört werden. Wochenquartiere der Art dürften sich in den angrenzenden Wäldern befinden, Quartierbäume der Männchen sind unter anderem in der Wallanlage der Stadt Höxter bekannt.
Die Vogelwelt des Naturschutzgebietes „Grundlose-Taubenborn“ ist mit 87 aktuell vorkommenden Arten (vgl. Tab. 2) sehr vielfältig. 53 Arten nutzen den Taubenborn regelmäßig als Brutplatz, was ebenfalls eine sehr hohe Zahl für ein Gebiet von knapp 71 ha darstellt! Als Besonderheiten für den Naturraum sind die Brutvorkommen der Wasserralle und der Beutelmeise zu benennen. Beide Arten sind im Oberweserraum sehr selten. Bemerkenswert sind auch die Beobachtungen des Schlagschwirls, für den in der Oberweserniederung in den letzten Jahren immer wieder Brutnachweise erbracht werden konnten. Für den Taubenborn steht ein solcher Nachweis aber noch aus.
Aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre liegen für den Taubenborn weitere interessante Vogelnachweise vor. Bis zu dieser Zeit waren dort regelmäßig rastende Kiebitze anzutreffen, Rebhuhn und Uferschwalbe gehörten damals ebenso wie der Flussregenpfeifer zur Brutvogelfauna. Aus den Jahren 2006 und 2007 liegen erstmals wieder Brutnachweise des Flussregenpfeifers vor – er profitiert kurzzeitig von größeren vegetationsfreien Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem der Baggerseen, die im Vorfeld des geplanten Neubaus der B 64/83 geschaffen wurden. Dass die Uferschwalbe nicht mehr als Brutvogel im Gebiet anzutreffen ist, ist eine Folge der Einstellung des Kiesabbaus. Die Art nutzte für die Anlage ihrer Brutröhren die durch den Abbau entstandenen Steilufer, die jedoch aktuell nicht mehr zu finden sind. Ursprüngliche Bruthabitate der Art finden sich an dynamischen Fließgewässern, an denen regelmäßig auf natürliche Weise Uferabbrüche entstehen.
Während die Bedeutung des Schutzgebietes für Brutvögel und Nahrungsgäste hoch ist, ist sie für Zug- und Rastvögel eher gering. Sowohl Wasser- als auch Watvögel sind während der Zugzeiten nur vereinzelt oder in geringer Individuendichte anzutreffen – eine Folge dichter Ufergehölze und fehlender Flachwasserbereiche.
Tab. 2: Die Avifauna des Naturschutzgebietes „Grundlose-Taubenborn“ (Brut- und Nahrungsgäste, Durchzügler und Wintergäste) und Rote Liste-Status. Dargestellt sind nur die Arten, für die Nachweise seit 2000 vorliegen. ________________________________________________________________________________ Deutscher Name Wissenschaftlicher Name RL D RL NRW Status ________________________________________________________________________________ Haubentaucher Podiceps cristatus BV Kormoran Phalacrocorax carbo NG, WG Graureiher Ardea cinerea NG Höckerschwan Cygnus olor NG Nilgans Alopochen aegyptiacus BV Pfeifente Anas Penelope R DZ Stockente Anas platyrhynchos BV, NG Tafelente Aythya farina 2 WG Reiherente Aythya fuligula WG, NG Fischadler Pandion haliaetus 3 0 DZ Schwarzmilan Milvus migrans R NG Rotmilan Milvus milvus 2 NG Sperber Accipiter nisus NG Mäusebussard Buteo buteo NG Turmfalke Falco tinnunculus NG Baumfalke Falco subbuteo 3 3 NG Wasserralle Rallus aquaticus 2 (BV) Tüpfelsumpfhuhn Porzana porzana 3 1 DZ Teichhuhn Gallinula chloropus V V (BV) Bläßhuhn Fulca atra BV Flussregenpfeifer Charadrius dubius 3 (BV) Bekassine Gallinago gallinago 2 1 DZ Waldwasserläufer Tringa ochropus DZ Flussuferläufer Actitis hypoleucus 3 0 DZ Rotschenkel Tringa totanus 3 1 DZ Ringeltaube Colomba palumbus BV Kuckuck Cuculus canorus V V BV Waldkauz Strix aluco BV Mauersegler Apus apus NG Eisvogel Alcedo atthis V 3 NG Grauspecht Picus canus 3 NG Grünspecht Picus viridis 3 NG Schwarzspecht Dryocopus martius 3 NG Buntspecht Picoides major NG Kleinspecht Picoides minor 3 NG Feldlerche Alauda arvensis V BV Rauchschwalbe Hirundo rustica V 3 NG Mehlschwalbe Delichon urbica V NG Schafstelze Motacilla flava V 3 NG Gebirgsstelze Motacilla cinerea NG Bachstelze Motacilla alba BV Zaunkönig Troglodytes troglodytes BV Heckenbraunelle Prunella modularis BV Rotkehlchen Erithacus rubecula BV Braunkehlchen Saxicola rubetra 3 2 DZ Nachtigall Luscinia megarhynchos 3 BV Amsel Turdus merula BV Wacholderdrossel Turdus pilaris BV RL D 1998 Rote Liste-Status für Deutschland nach Witt et al. (1998) RL NRW 1999 Rote Liste-Status für NRW nach Nottmeyer-Linden et al. (1999) BV = Brutvogel, (BV) = seltener oder sporadischer Brutvogel, NG = Nahrungsgast, DZ = Durchzügler, WG = Wintergast 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnliste, R: Extrem selten, mit geographischer Restriktion
Im Heft nimmt Tabelle 2 zwei Seiten ein. Die Tabelle wurde wegen der Datenmenge umgestaltet. Sie nimmt deshalb nur eine Seite in Anspruch.
Alle fünf in der Region vorkommenden Reptilienarten sind im NSG „Grundlose-Taubenborn“ beheimatet. Von besonderer Bedeutung sind die Vorkommen der beiden Schlangenarten Ringel- und Schlingnatter (Natrix natrix und Coronella austriaca). Während erstere vor allem in den Feuchtlebensräumen und an den Gewässern anzutreffen ist, handelt es sich bei der Schlingnatter – ebenso wie bei der Zauneidechse - um eine Art der trockenen-warmen Lebensräume, deren wichtigsten Lebensräume im Bereich der Felsbänder und Blößen an den Hängen und am Hangfuß von Ziegen- und Brunsberg zu finden sind. Daneben nutzt sie den Bahndamm im Osten des Taubenborns als Lebensraum.
Abb. 6: | Schwimmende Ringelnatter (Natrix natrix) im NSG „Grundlose-Taubenborn“ 6.10.2007 (Foto: B. Beinlich) |
Die Gewässer im Naturschutzgebiet dienen aktuell 10 Amphibienarten regelmäßig als Fortpflanzungsgebiet (vgl. Tab. 4). Von einer weiteren Art, dem Laubfrosch (Hyla arborea), konnte in den letzten Jahren einmal ein rufendes Männchen verhört werden. Für diese Art, die im gesamten oberen Wesertal nur sporadisch anzutreffen ist, liegen für den Taubenborn auch aus der Vergangenheit keine Reproduktionsnachweise vor. Es ist bekannt, dass in Gewässern des benachbarten Gutes Maygadessen in den 1990er Jahren Laubfrösche aus Schleswig-Holstein angesiedelt wurden.
Abb. 7: | Teichfrosch (Rana escuelanta; Foto: F. Grawe) |
Da die Amphibienfauna im Oberweserraum zwischen Holzminden und Bad Karlshafen nur 11 Arten (bzw. 12 unter Berücksichtigung des nur sporadisch anzutreffenden Laubfrosches) aufweist, ist im Taubenborn nahezu das gesamte Artenspektrum beheimatet – eine Zahl, die nur noch an einer weiteren Stelle im Wesertal zwischen Heinsen und Bad Karlshafen (Kiesgrube Oppermann) erreicht wird.
Tab. 5 im Heft auf Seite 50! |
Aber nicht nur die hohe Artenzahl sondern vor allem auch die dort erreichten Individuendichten machen den Taubenborn zu einem überregional bedeutsamen Feuchtgebiet (vgl. Tab. 5). Bei umfangreichen Untersuchungen im Vorfeld des Neubaus der B 64/83 zwischen Godelheim und Höxter konnten insgesamt über 56.000 Individuen festgestellt werden. Teichmolch (Triturus vulgaris) und Erdkröte (Bufo bufo) dominieren mit 25.000 bzw. 20.000 Individuen das Spektrum.
Mit 8.000 Individuen weist auch der Bergmolch (Triturus alpestris) eine kopfstarke Population auf. Die anderen Arten kommen dagegen in wesentlich geringeren Populationsdichten vor. So ist die Sammelgruppe der Grünfrösche – sie umfasst Seefrosch (Rana ridibunda), Kleinen Wasserfrosch (R. lessonae) und Teichfrosch (R. kl. esculenta) – mit ~ 1.500 Individuen vertreten. Die Populationsgröße des Kammmolchs (Triturus cristatus) beträgt knapp 800 Individuen. Mit 275 Tieren ist die Population des Grasfrosches (Rana temporaria) überraschend klein und dokumentiert einen Trend, der seit vielen Jahren im Weserbergland feststellbar ist: Die Bestände der einst nach der Erdkröte häufigsten heimischen Amphibienart sind stark rückläufig. In vielen Gebieten sind die Bestände mittlerweile weitgehend zusammen gebrochen. Auch der Fadenmolch (Triturus helveticus) ist ebenfalls nur mit einer kleinen Population im Taubenborn vertreten.
Der Tab. 4 kann die Nutzung der verschiedenen Gewässertypen durch die unterschiedlichen Arten entnommen werden. Es wird deutlich, dass die neu angelegten Kleinweiher die höchste Diversität aufweisen, gefolgt von den verschiedenen krautreichen Gräben, die das Gebiet durchziehen. Eine große Bedeutung für die Amphibienfauna besitzen auch die beiden Grundlosen: In ihnen erreichen mehrere Arten die höchsten Individuendichten, unter ihnen auch der Kammmolch. Die größte Bedeutung als Laichgewässer für den Kammmolch weisen aber die unregelmäßig überfluteten Wiesen und Weiden auf – dort ist eine Reproduktion zwar nur unregelmäßig möglich, in Jahren mit hohen Wasserständen liegt der Reproduktionserfolg aber um ein Vielfaches über dem in den anderen Laichgewässern. Die flächenmäßig dominierenden Abgrabungsgewässer sind nur für zwei Amphibienarten von größerer Bedeutung – für Erdkröte und Teichfrosch. Insbesondere für die Erdkröte stellen sie die wichtigsten Reproduktionsgewässer dar, denn aufgrund der Giftigkeit der Kaulquappen und der ausgewachsenen Tiere ist die Erdkröte im Gegensatz zu den anderen Amphibienarten vor Fischen als Fraßfeinden gut geschützt.
Für die meisten Arten fungieren die westlich gelegenen Hangbereiche und die klüftigen Felsformationen von Ziegenberg mit Rabenklippen und Brunsberg als wichtigste Winterquartiere. Nur in kleinem Umfang nutzen Tiere (insbesondere Erdkröte, Grasfrosch, Kammmolch) Winterquartiere im Osten des Taubenborns.
Ursprünglich beschränkte sich das Angebot an permanent bespannten Stillgewässern im Taubenborn auf die natürlichen Kleingewässer – die Grundlosen – und eine Reihe von Viehtränken. Die das Schutzgebiet durchziehenden Gräben (Holz- und Hechtgraben) trocknen regelmäßig in niederschlagsarmen Sommern aus und können deshalb nicht dauerhaft von Fischen besiedelt werden. Sie übernehmen aber seit je her eine wichtige Funktion als Reproduktionsstätte für einige Fischarten, insbesondere für den Hecht. Das Lebensraumangebot für Fische wurde erst in Folge des in den 1960er Jahren einsetzenden Kiesabbaus deutlich ausgeweitet. Die entstehenden Abgrabungsgewässer wurden bald fischereilich genutzt – der Fischereiverein Höxter ist dort z. B. seit 1970 Pächter.
Die heute im Taubenborn lebenden Fischarten (Tab. 6) stammen zu einem nicht unerheblichen Teil von Besatzmaßnahmen ab. Es handelt sich im Wesentlichen um folgende Arten: Aal, Zander, Rotfeder, Karpfen und Schleie (Thiele, schriftl. Mitt.). Da in den ersten Pachtverträgen dem Angelverein aufgegeben wurde, die Verkrautung der Teiche zu „bekämpfen“, wurde in den 70er Jahren wohl auch der aus Ostasien stammende Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) ausgesetzt. Diese Fischart ernährt sich rein vegetarisch und wurde in den 1960er und 70er Jahren weltweit zur „Bekämpfung“ submerser Vegetation außerhalb seines eigentlichen Verbreitungsgebietes ausgewildert. Da diese wärmeliebende Art nur bei Wassertemperaturen von 22 – 26° C ablaicht, vermehrt sie sich in unseren heimischen Gewässern normalerweise nicht und dürfte heute in den Gewässern des Taubenborns nicht mehr anzutreffen sein.
Tab. 6: Die Fische des Naturschutzgebietes „Grundlose -Taubenborn“
mit Rote Liste-Status
Deutscher Name Wissenschaftlicher Name RL D RL NRW
Aal Anguilla anguilla 3
Hecht Esox lucius 3 3
Plötze, Rotauge Rutilus rutilus
Moderlieschen Leucaspius delineatus 3 3
Rotfeder Scardinius erythrophthalmus 3
Laube, Ukelei Alburnus alburnus
Güster, Blicke Abramis bjoerkna
Brassen, Brachsen Abramis brama
Graskarpfen Ctenopharyngodon idella
Schleie Tinca tinca V
Karausche Carassius carassius 3 2
Giebel Carassius gibelio
Karpfen Cyprinus carpio 2 (Wildform)
Flussbarsch Perca fluviatilis
Kaulbarsch Gymnocephalus cernuus
Zander Sander lucioperca
RL D 1998 Rote Liste-Status für Deutschland nach Bless, Lelek & Waterstraat(1998)
RL NRW 1999 Rote Liste-Status für NRW nach Klinger, Schmidt & Steinberg (1999)
2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnliste
Ob die verbleibenden 10 Fischarten bei Hochwasser oder über Hecht- und Holzgraben von selbst aus der Weser ins Gebiet eingewandert sind, ist nicht bekannt. Zumindest für Arten wie Flussbarsch, Hecht, Brassen, Plötze oder Kaulbarsch ist diese Annahme sehr wahrscheinlich. Der Kaulbarsch gilt z.B. als typische Pionierart, die neu entstandene Gewässer wie Abgrabungsgewässer sehr rasch besiedelt.
Überraschend ist die Ansiedlung des Moderlieschens in einem der in 2005 neu angelegten Kleingewässer im Jahr 2007. Die Kleinfischart ist bisher aus dem Taubenborn nicht belegt und trat im Frühjahr 2007 plötzlich in größerer Zahl in dem isoliert liegenden Kleingewässer auf. Ein Hochwasser hatte es zuvor nicht gegeben! Ein Besatz ist wenig wahrscheinlich, denn das Gewässer liegt abseits und der Kleinfisch ist bei Hobbytierhaltern wenig verbreitet. Vielmehr scheint diese Fischart krautiger Kleingewässer im Taubenborn seinem plattdeutschen Namen „Moderloseken“ alle Ehre zu machen: Der Name nimmt Bezug darauf, das dieser Kleinfisch immer wieder plötzlich und scheinbar in Kleingewässern auftaucht, so dass ihm die Fähigkeit der „Urzeugung“ angedichtet wurde.
„Mit Unterschutzstellung des Taubenborns wurden dem Fischereiverein Höxter hinsichtlich des Besatzes enge Grenzen gesetzt: Seit 2006 ist künstlicher Besatz heimischer Fischarten in der Regel nur zulässig, wenn die natürliche Fortpflanzung einer Art beeinträchtigt ist oder eine ursprünglich heimische Fischart wiederangesiedelt werden soll. Weiterhin darf nach einem Fischsterben besetzt werden.
Die Besatzmaßnahme bedarf der Zustimmung des Verpächters, der Unteren Fischereibehörde und der Unteren Landschaftsbehörde. Weiterhin hat der Fischereiverein bei der Nutzung der Gewässer den Schutz, den Erhalt und die Entwicklung der Kammmolchpopulation vorrangig zu berücksichtigen“ (Thiele, schriftl. Mitt.).
Tagfalter und Dickkopffalter sind mit 27 Arten im Taubenborn vertreten. Für den Naturraum ist die Tagfalterzönose als überdurchschnittlich artenreich einzustufen, auch wenn man berücksichtigt, dass sich einige Arten (Kaisermantel, C-Falter) vermutlich nicht im Gebiet reproduzieren, sondern aus den angrenzenden Wäldern von Ziegenberg und Räuschenberg zufliegen.
Der Großteil der Arten ist im Taubenborn aber nur in geringer Individuendichte vertreten, höhere Abundanzen erreichen nur die ubiquitären und weit verbreiteten Arten wie z.B. die verschiedenen Weißlinge, Aurorafalter, Ochsenauge, Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge oder Admiral. Von einer ganzen Reihe von Arten liegen bisher nur Einzelnachweise vor, so dass die Bodenständigkeit nicht belegt ist. Hierzu gehören z.B. Großer Schillerfalter, Kleiner Eisvogel und Schachbrettfalter.
Tab. 7: | Die tagfliegenden Schmetterlinge des Naturschutzgebietes „Grundlose-Taubenborn“ mit Rote Liste-Status |
Auch die Heuschreckenfauna präsentiert sich mit bisher 15 nachgewiesenen Arten im regionalen Vergleich als recht artenreich. Als typische Arten der Feuchtgebiete sind die Säbeldornschrecke (Tetrix subulata), Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) und der Sumpfgrashüpfer (Chorthippus montanus) hervorzuheben. Alle drei Arten sind im Gebiet zumeist in relativ geringer Populationsgröße anzutreffen.
Erwähnenswert ist auch der Nachweis eines einzelnen Weibchens der Sichelschrecke (Phaneroptera falcata) im Sommer 2006 in einer Ruderalflur zwischen den beiden großen Baggerseen. Es handelt sich um eine Laubheuschrecke mit südlicher Verbreitung, die bisher im Weserbergland nicht beheimatet war und erstmals im Jahr 2001 im Kreis Höxter nachgewiesen wurde (Hill & Beinlich 2001).
Tab. 8: Die Heuschrecken des Naturschutzgebietes „Grundlose-Taubenborn“ mit Rote Liste-Status ________________________________________________________________________________ Deutscher Name Wissenschaftlicher Name RL D RL NRW RL WB ________________________________________________________________________________ Gemeine Sichelschrecke Phaneroptera falcata Punktierte Zartschrecke Leptophyes punctatissima Gemeine Eichenschrecke Meconema thalassinum Grünes Heupferd Tettigonia viridissima Roesels Beißschrecke Metrioptera roeseli Gewöhnliche Strauchschrecke Pholidoptera griseoaptera Heimchen* Acheta domesticus Säbeldornschrecke Tetrix subulata V V Gemeine Dornschrecke Tetrix undulata Sumpfschrecke Stethophyma grossum 2 2 1 Bunter Grashüpfer Omocestus viridulus Nachtigall-Grashüpfer Chorthippus biguttulus Weißrandiger Grashüpfer Chorthippus albomarginatus V Gemeiner Grashüpfer Chorthippus parallelus Sumpfgrashüpfer Chorthippus montanus 3 2 2 ________________________________________________________________________________ RL D 1998 Rote Liste-Status für Deutschland nach Ingrisch, Köhler et al.(1998) RL NRW 1999 Rote Liste-Status für NRW nach Volpers et al. (1999) 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnliste * Nachweise um 1990
Die Gesamtanzahl der für das Gebiet „Grundlose-Taubenborn“ nachgewiesenen Libellenarten beläuft sich bislang auf 36, von denen mindestens 31 bodenständig sind und das Gebiet somit zur Fortpflanzung nutzen (vgl. Tab. 9). Damit beherbergt das Gebiet mehr als 80 % der bislang an der Oberweser und seinen Nebenflüssen zwischen Bad Karlshafen und Bodenwerder (etwa 70 Flusskilometer) nachgewiesenen 43 Arten (vgl. Lohr 2007).
Insgesamt sind 15 Arten in der Roten Liste für Nordrhein-Westfalen verzeichnet, sieben der im Gebiet bodenständigen Arten gelten landesweit als gefährdet oder stark gefährdet. Hervorzuheben ist das Vorkommen der stark gefährdeten Gemeinen Winterlibelle (Sympecma fusca) und des Frühen Schilfjägers (Brachytron pratense), die im Gebiet jeweils mehrere Fortpflanzungsgewässer besitzen. Von hoher naturschutzfachlicher Bedeutung sind auch die Vorkommen der Gefleckten Heidelibelle (Sympetrum flaveolum), die jahrweise in den temporären Gewässern des Feuchtgrünlandes hohe Abundanzen erreicht.
Abb. 8: | Der stark gefährdete Frühe Schilfjäger (Brachytron pratense) ist im Frühjahr regelmäßig im Taubenborn zu beobachten (Foto: M. Lohr, 29.04.2007) |
Seit 2001 wurden mit der Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo), der Südlichen Binsenjungfer (Lestes barbarus), der Glänzenden Binsenjungfer (Lestes dryas), der Kleinen Pechlibelle (Ischnura pumilio), der Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea), der Frühen Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii) und der Gebänderten Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum) sieben Arten neu für das Gebiet nachgewiesen (vgl. Lohr & Mitzka 2001). Dabei wurde – wie bereits zuvor in den 1980er und 1990er Jahren (vgl. Lohr & Mitzka 2001) – eine weitere Ausbreitung wärmeliebender Libellenarten beobachtet. Die 2001 erstmals nachgewiesene Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) ist seit spätestens 2003 in mehreren Abgrabungsgewässern bodenständig, was durch Exuvienfunde belegt wurde. In den Jahren 2006 und 2007 gehörte sie an einigen Uferabschnitten bereits zu den häufigsten Großlibellen.
Die Frühe Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii) wurde 2003 in einem Einzeltier bei Holzminden erstmals für den Oberweserraum zwischen Bad Karlshafen und Bodenwerder nachgewiesen (Lohr 2007). 2006 gelang im Gebiet „Grundlose -Taubenborn“ die Beobachtung von mindestens drei Männchen an im Jahr zuvor neu angelegten Kleinweihern. Im Frühsommer 2007 waren Imagines der Art im Gebiet sehr häufig. Im Sommer entwickelte sich in zahlreichen Kleinweihern eine zweite Generation, was durch zahlreiche Exuvienfunde zwischen Mitte August und Mitte Oktober belegt wurde. Die vor allem in Südeuropa weit verbreitete, wärmeliebende Art ist sehr wanderfreudig und die mitteleuropäischen Beobachtungen werden überwiegend auf Einwanderungen zurückgeführt (vgl. Lempert 1997). In den vergangenen Jahren mehren sich jedoch Funde von Vorkommen, die über mehrere Jahre bestehen (Übersicht z. B. in Ott 2000). Es bleibt daher abzuwarten, ob sich mit der Frühen Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii) eine weitere südliche Art im Oberweserraum etablieren kann.
Eine Beschreibung der Libellengemeinschaften der Abgrabungsgewässer, des Hecht- und Holzgrabens sowie der Grundlosen erfolgte bereits durch Lohr & Mitzka (2001). Im Folgenden beschränken wir uns daher auf die Libellengemeinschaften des Feuchtgrünlandes sowie der 2005 neu angelegten Kleinweiher.
In den Senken ehemaliger Hochflutrinnen finden sich überwiegend als Grünland genutzte wechselfeuchte Standorte, die in Zeiten hoher Grundwasserstände überflutet sind. Diese Gewässer fallen je nach Grundwassereinfluss oft über einen Zeitraum von mehreren Monaten trocken, während sie nach Hochwasserereignissen und in niederschlagsreichen Jahren oft bis weit in den Sommer hinein Wasser führen.
Abb. 9: | Überflutete Weiden im Taubenborn bei Hochwasserlage (Foto: B. Beinlich) |
Einige z. T. hoch spezialisierte Libellenarten sind an diese Wasserstandsschwankungen angepasst, indem sie die Trockenzeiten im Eistadium überdauern können. Hierzu zählt u. a. die Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum), die z. B. in den Jahren 2002 und 2003 in großer Zahl an den Senken des Feuchtgrünlandes flog und sich im Taubenborn ausschließlich hier fortpflanzt. Weitere Arten, die sich regelmäßig hier finden sind die Schwarze Heidelibelle (S. danae), die Blutrote Heidelibelle (S. sanguineum) und die Große Heidelibelle (S. striolatum).
Insgesamt 12 der 14 zur Förderung der Kammmolche angelegten Gewässer wurden 2006 und 2007 regelmäßig auf ihre Libellenbesiedlung hin untersucht. Mit 23 bodenständigen Arten erreichen die Kleinweiher bereits zwei Jahre nach ihrer Anlage eine fast so hohe Artenzahl, wie die der Abgrabungsgewässer (27 Arten, vgl. Tab. 9). Die rasche Besiedlung der neu angelegten Weiher ist vor allem auch auf die räumliche Nähe zu den artenreichen Gewässern des Gebietes zurückzuführen. Trotzdem weisen die Weiher einige Arten auf, die in den anderen Gewässertypen des Untersuchungsgebietes sehr selten sind oder fehlen. Erstmals in den neu angelegten Weihern wurden für den Taubenborn die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas), die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio), die Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) und die Frühe Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii) nachgewiesen. Die Kleine Pechlibelle und die Frühe Heidelibelle finden sich zusammen mit dem Plattbauch (Libellula depressa) vor allem in den fast vegetationsfreien Pionierstadien der Kleinweiher. Es bleibt abzuwarten, ob sie die Gewässer dauerhaft besiedeln können.
Die Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) besiedelt – ebenso wie die Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae) – im Gebiet „Grundlose-Taubenborn“ Flachwasserzonen der Kleinweiher, die bereits eine mittlere Deckung der krautigen Vegetation aufweisen und Flutrasen dort bereits stellenweise dichtere Bestände bilden.
Abschließend werden noch einige Anmerkungen zu auffälligen Vertretern aus weiteren Tiergruppen gemacht. Aus der Ordnung der Käfer ist der größte heimische Vertreter, der Hirschkäfer (Lucanus cervus), im Schutzgebiet regelmäßig anzutreffen. Die Larvalhabitate dieses xylobionten Käfers dürften sich wohl zum überwiegenden Teil in den Wäldern am Ziegenberg befinden, abends fliegen die Tiere aber regelmäßig in den Taubenborn ein.
Abb. 10: | Wespenspinne (Argiope bruennichi) mit Großer Pechlibelle (Ischnura elegans), 13.08.200 (Foto: M. Lohr) |
In den verschiedenen Stillgewässern ist ein weiterer großer Vertreter aus der Käferfauna regelmäßig anzutreffen, der Gelbrandkäfer (Dytiscus marginalis). Dort sind auch zwei große räuberische Wasserwanzen beheimatet, der Wasserskorpion (Nepa cenerea) und die Stabwanze (Ranatra linealis).
In den Baggerseen ist eine unserer heimischen Großmuscheln anzutreffen, die Gemeine Teichmuschel (Anodonta anatina). Sie besiedelt alle Baggerseen – wenn auch nur in relativ geringer Individuendichte.
Eine auffällige Vertreterin aus der Klasse der Spinnentiere ist die Wespenspinne (Argiope bruennichi). Es handelt sich um eine ursprünglich südlich verbreitete Art, die seit den 1980er Jahren nach Norden expandiert. Im Spätsommer gehört sie heute aufgrund ihrer lebhaft schwarz-gelben Zeichnung zu den auffallendsten wirbellosen Tieren. Auch die Radnetze dieser Art sind aufgrund ihres charakteristischen Zickzack-Bandes unverkennbar.
Im Naturschutzgebiet „Grundlose-Taubenborn“ ist trotz jahrhunderte langer menschlicher Einflussnahme (vgl. Koch 2007) eine für natürliche oder naturnahe Flussniederungen typische Vielfalt an Gewässer- und Biotopstrukturen erhalten geblieben. Die überwiegend extensiv betriebene Landwirtschaft – weitgehend Weidewirtschaft – und naturverträgliche Erholungsnutzung tragen zusätzlich zum Artenreichtum des Gebietes bei, der für den gesamten Oberweserraum einmalig ist.
Von überregionaler Bedeutung ist das Schutzgebiet insbesondere für die Amphibien- und Libellenfauna. Das große Angebot an unterschiedlichsten Gewässertypen bietet 10 Amphibien- und wenigstens 31 Libellenarten günstige Reproduktionsbedingungen. Bei den Amphibien sind neben der Artenzahl und dem Vorkommen europaweit geschützter Arten die großen Populationen wertbestimmend. Insbesondere die Populationsgrößen bei Erdkröte, Teich- und Bergmolch und Grünfrosch stechen hervor. Das größte bei Berger & Günther (1996) erwähnte Vorkommen des Bergmolchs in Deutschland weist max. 4.000 Tiere auf (Taubenborn: 8.000). Beim Teichmolch gelten schon Bestände mit 2.000 Tieren (Taubenborn: 25.000!) als sehr groß (Buschendorf & Günther 1996). Auch bei der Erdkröte ist die Situation ähnlich – Populationen mit mehr als 1.000 Tieren (Taubenborn: 20.000) sind die Ausnahme.
Auch bei den Libellen charakterisieren nicht so sehr die Vorkommen einzelner seltener oder gefährdeter Arten das Gebiet – vielmehr ist es der außergewöhnlich große Artenreichtum des Gebietes, der seine überregionale Bedeutung ausmacht.
Aber auch für Arten aus den anderen Tiergruppen ist der Taubenborn von zumindest regionaler Bedeutung. Dies gilt für einige Fledermausarten (z.B. die Wasserfledermaus) und darüber hinaus für unsere beiden heimischen Schlangenarten (Ringel- und Schlingnatter).
Die Aufnahme des Gebietes in das europäische Netzwerk Natura 2000 soll gewährleisten, dass der Arten- und Naturreichtum des Taubenborns dauerhaft erhalten bleibt. Die Anlage der Kleinweiher haben die Gewässervielfalt und damit die Bedeutung des Gebietes weiter erhöht. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der geplante Neubau der B 64/83 für das Gebiet und seine Pflanzen- und Tierwelt haben wird. Insbesondere wird sich der Lärmpegel im Gebiet deutlich erhöhen und es somit auch für Erholungssuchende deutlich unattraktiver machen. Wie stark die Beeinträchtigungen sein werden, hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, die negativen Auswirkungen durch die Trassenführung und -gestaltung sowie durch Ausgleichsmaßnahmen möglichst gering zu halten. In diesem Zuge ist auch die Einrichtung großflächiger, extensiv genutzter Weideflächen anzustreben, deren Umsetzung zum Erhalt und darüber hinaus zu einer weiteren Steigerung der Artenvielfalt beitragen wird.
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Anschriften der Verfasser: Dr. Burkhard Beinlich Landschaftsstation im Kreis Höxter Zur Specke 4 34434 Borgentreich beinlich@landschaftsstation-hoexter.com Mathias Lohr Fachhochschule Lippe und Höxter, Fachgebiete Tierökologie und Landschaftsökologie An der Wilhelmshöhe 44 37671 Höxter mathias.lohr@fh-luh.de