Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 18 (2006)
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Das Fluss-Greiskraut (Senecio fluviatilis Wallr.1840)
an der Oberweser im Bereich des Kreises Höxter

Von Stefan HÄCKER, Anne KÖSTERS, Birgit SCHORSCH und Burkhard BEINLICH

Eine der auffälligsten und wegen ihrer satten gelben Blütenfärbung auch schönsten Pflanzen des Weserufers ist das Fluss-Greiskraut, häufig auch als Fluss-Kreuzkraut bezeichnet. Es ist eine von 11 im Kreis Höxter vorkommenden Senecio-Arten aus der Familie der Korbblütler. Senecio fluviatilis wächst in uferbegleitenden Hochstaudenfluren von Flüssen und fällt zur Blütezeit im August weithin leuchtend ins Auge.

Abbildung 1
Abb. 1: Nicht nur für den Naturfreund eine Augenweide, sondern auch eine Besonderheit der Weseraue - das Fluss-Kreuzkraut. (Foto: F. GRAWE)

Morphologie

Die stattliche, ausdauernde Pflanze wird an die 2 m hoch und bildet durch ihre bis zu 60 cm langen, teilweise verzweigten Ausläufer Trupps oder Herden, die der Konkurrenz im Hochstaudengestrüpp standhalten. Durch die Herdenbildung kann es an günstigen Stellen sogar die Brennnessel verdrängen (PHILLIPI 1983). Der markige, kräftige Stängel ist dicht abstehend beblättert. Die lanzettlichen Blätter werden bis 18 cm lang und 3,5 cm breit.

Ökologie und Soziologie

Senecio fluviatilis ist eine eurasiatische Stromtalpflanze der großen Wasserläufe der Ebenen und des niedrigen Hügellandes, die einen genügenden, jährlich gleichmäßigen Wasserdurchfluss benötigt. Es wächst gesellig in der Weichholzaue und in offenen Stauden- oder Röhrichtbeständen, auf nassen und zeitweise überfluteten, stickstoffreichen, sandig-kiesigen, lehmigen oder schlammigen Böden. Nach PHILIPPI (1983) besiedelt die Pflanze auch gestörte Wuchsorte und kann über Windverbreitung auf Sekundärstandorte ausweichen.

Pflanzensoziologisch ist das Fluss-Greiskraut Kennart des Verbandes der nitrophytischen Ufersaumgesellschaften (Senecion fluviatilis; Convolvulion sepii). Bestandsbildend tritt sie als Charakterart einer eigenen Assoziation, der Flusskreuzkraut-Gesellschaft (Senecionetum fluviatilis) auf.

Verbreitung und Gefährdung

BECKHAUS (1893) fand das Fluss-Kreuzkraut noch häufig an der Oberweser, auch an Gräben und Bächen des Überschwemmungsgebietes bis zur Unterweser bei Vlotho.

In Nordrhein-Westfalen wächst Senecio fluviatilis aktuell noch am Rhein und an der Weser. Die früheren Vorkommen an der unteren Werre sind seit längerem verschollen (MEIER-BÖKE 1978). An der unteren Diemel wächst die Art im Hessischen noch zwischen Haueda und Bad Karlshafen (NITSCHE et al. 1988). Insgesamt wird die Pflanze in der nordrhein-westfälischen Roten Liste als stark gefährdet eingestuft (WOLFF- STRAUB, R. et al. 1999).

Abbildung 2
Abb. 2: Skizze des „durchschnittlichen“ Standortes des Fluss-Kreuzkrautes (9 m = Entfernung zum Fließgewässer, 3 m = Höhenabstand zum Wasser, MW = mittlerer Wasserstand) (Zeichnung: A. KÖSTERS)

Nach der Roten Liste der Pflanzengesellschaften in Nordrhein-Westfalen (LÖBF 1995) ist die Flusskreuzkraut-Gesellschaft in unserem Bundesland "von der Vernichtung bedroht". Sie gehört zu den europaweit bedeutenden Biotoptypen. Für die nordrhein-westfälische Weseraue wurde dieser FFH-Lebensraumtyp allerdings nicht erfasst, offenbar wegen des nur punktuellen Vorkommens in den Uferhochstaudenfluren.

Aktuelle Vorkommen an der Weser

Von Beständen des Fluss-Kreuzkrautes an der Oberweser berichtet bereits SCHWIER 1933 und weist auf deren Schutzwürdigkeit hin. Im Rahmen der Flora-Kartierung des Kreises Höxter (vgl. HÄCKER 1988 u. 1997) konnte die Art in fast allen der von der Weser durchflossenen Messtischblatt-Rasterflächen nachgewiesen werden.

Eine flächendeckende Erfassung der Senecio fluviatilis-Wuchsorte war bislang nicht erfolgt, erschien jedoch im Hinblick auf künftige Bewertungen über die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Weser-Ufervegetation sinnvoll.

An der Oberweser zwischen Bad Karlshafen und Stahle wurden daher im Sommer 2005 und 2006 die Bestände des Fluss-Kreuzkrautes kartiert. Die Erfassung ergab insgesamt 70 Wuchsstellen (vgl. Beitrag zum Weserufer in diesem Heft). An 14 Stellen wurden bestimmte Parameter des Wuchsortes und die Begleitflora notiert. Senecio fluviatilis wuchs im Schnitt 3 m (1,5 bis 5 m) über dem Sommerniedrigwasserstand. Der Abstand zum Wasser betrug im Sommer durchschnittlich ca. 8 m (3 bis 12 m). Die Individuenstärke der Trupps und Herden lagen zwischen 4 und ca. 400 Blütenstängeln.

Die Begleit- und Umgebungsflora besteht in der Regel aus Arten der stickstoffliebenden Hochstaudenfluren. Stetige Begleitpflanzen am Weserufer sind Brennessel (Urtica dioica), Zaunwinde (Calystegia sepium), Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera) und Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea).

Die Flusskreuzkraut-Bestände konzentrieren sich in den Uferabschnitten mit typischem Hochstaudenbewuchs. Markante Vorkommen befinden sich zwischen Bad Karlshafen und Herstelle, unterhalb Würgassen, in den Bereichen Meinbrexen und Fürstenberg sowie unterhalb von Stahle. Gleichmäßig verteilt ist die Art zwischen Corvey und Holzminden.

Da Senecio fluviatilis Tritt, Beweidung und Mahd nicht verträgt, fehlt es, wie auch die meisten übrigen Hochstaudenarten in den auf diese Weise genutzten Abschnitten vollständig. Längere Uferstrecken ohne Senecio befinden sich z.B. im Bereich Godelheim und Boffzen.

Schutz des Fluss-Kreuzkrautes

Ob die Bestände des Fluss-Kreuzkrautes seit der Kartierung 1988 abgenommen oder sich gar ausgebreitet haben, lässt sich wegen der seinerzeit nicht durchgängigen Erfassung kaum abschätzen. Sicher ist, dass die Art dort verschwunden ist, wo Uferpartien zwischenzeitlich in Weidenutzung genommen wurden, etwa bei Wehrden und Stahle.

Aufgrund der Seltenheit und Schutzbedürftigkeit des Fluss-Kreuzkrautes als einheimisches Florenelement der Ufer großer Flüsse sollten seine Vorkommen im Rahmen eines Art-Monitorings weiterhin beobachtet werden. Die Bestände an der Weser sind zur Blütezeit auch auf die Entfernung gut und schnell von den Radwegen aus erfassbar.

Als Beitrag zum Schutz des Fluss-Kreuzkrautes wäre zunächst eine Festschreibung der derzeitigen Verteilung der Ufernutzung wichtig. Die Beweidung des unmittelbaren Uferbereichs sollte auf keinen Fall ausgedehnt werden. Bei punktuellen Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Weser für die Naherholung und den Tourismus sollten die zu schützenden Wuchsorte des Fluss-Kreuzkrautes sowie auch anderer seltener Uferpflanzen als Kriterium bei der Standortauswahl Berücksichtigung finden.

Literatur:

BECKHAUS, K. (1893): Flora von Westfalen. 1096 S.

HÄCKER, S. (1988): Beobachtungen zur Flora des Weserufers im Kreis Höxter. - Egge- Weser 5 (2). S. 43-50.

HÄCKER, S. (1997): Atlas zur Verbreitung der Farn- und Blütenpflanzen im Kreis Höxter und angrenzenden Gebieten. - Egge-Weser 9. S. 9-152.

HAEUPLER, H., JAGEL, A., SCHUMACHER, W. (2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen. Hrsg.:LÖBF NW. Recklinghausen LÖBF: Rote Liste der Pflanzengesellschaften in Nordrhein-Westfalen, S. 249.

LÖBF NW (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen.- Recklinghausen.

MEIER-BÖKE, A. (1978): Flora von Lippe .518 S.

NITSCHE, L., NITSCHE, S. & LUCAN, V. (1988): Flora des Kasseler Raumes. Teil I. – Naturschutz in Nordhessen, Sonderheft 4. Kassel

SCHWIER, H. (1933): Am Weserufer. - Teutoburger Wald u. Weserbergland 7 (7): S. 3-5. Bielefeld.

SEBALD, O., SEYBOLD, S., PHILIPPI, G. (1990): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Bd.6. – Stuttgart

VERBÜCHELN, G. & HINTERLANG, D. & PARDEY, A. & POTT, R. & RAABE, U. & VAN DE WEYER, K. (1995): Rote Liste der Pflanzengesellschaften in Nordrhein- Westfalen — Schriftenr. LÖBF NRW 5: 318 S.

WOLFF-STRAUB, R., BÜSCHER, D., DIEKJOBST, H., FASEL, P., FOERSTER, E., GÖTTE, R., JAGEL, A., KAPLAN, K., KOSLOWSKI, I., KUTZELNIGG, H., RAABE, U., SCHUMACHER, W. & VANBERG, CH. (1999): Rote Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-Westfalen 3. Fassg. In: LÖBF NRW (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 3. Fassg. - Schriftenr. LÖBF NRW 17: 75- 171.


    Anschrift der Verfasser: Stefan Häcker,
                             Drostenkamp 24,
                             32760 Detmold

                             Dr. Burkhard Beinlich,
                             Anne Kösters u. Birgit Schorsch,
                             Lanschaftsstation im Kreis Höxter,
                             Zur Specke 4,
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