Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 18 (2006)
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Zum Vorkommen des Gemeinen Wacholder (Juniperus communis)
im Kreis Höxter

Von Stefan HÄCKER

Der Wacholder ist einer unserer bemerkenswertesten Wildsträucher. Am bekanntesten sind sicherlich seine Vorkommen in Heidelandschaften auf Sandboden, wo er in säulenförmiger Gestalt landschaftsästhetisch in Erscheinung tritt. Man findet den Wacholder aber auch in Kalkgebieten. Im Kreis Höxter wächst er auf Magerrasen und an lichten Waldhängen der Kalkberge. In einigen Gebieten tritt er hier besonders landschaftsprägend auf, und schon früh hat man seinetwegen Flächen unter Naturschutz gestellt, so z.B. den Wandelnsberg bei Beverungen sowie den Weldaer Berg und den Iberg bei Warburg-Welda.

Die offenen, mit Schafen, Ziegen, Rindern und anderem Vieh beweideten Magerrasen und Heiden sind seit dem 19. Jahrhundert stark zurückgegangen. Nach dem Ende der Allmende und der Erfindung des Kunstdüngers wurden viele Flächen intensiver genutzt oder in Forstflächen umgewandelt. Auch der lichtbedürftige Wacholder verlor damit an Lebensraum und wurde seltener. Als Kulturrelikt ist er aber bis heute gebietsweise erhalten geblieben. 2002 wurde er zum „Baum des Jahres“ erklärt.

Biologie

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Abb. 1: Detail - fruchtender Strauch ( Foto: Grawe)

Der zu den Zypressengewächsen zählende Wacholder ist ein 3 - 5 (-12)m hoher immergrüner aufrecht wachsender Strauch oder kleiner Baum mit nadelförmigen, stechenden Blättern. Männliche und weibliche Blüten erscheinen auf getrennten Pflanzen (Zweihäusigkeit). Nach der Bestäubung durch den Wind reifen die Beerenzapfen innerhalb von 2-3 Jahren zu den schwarzblau bereiften, ca. 0,5 cm großen "Wacholderbeeren" heran. Die "Beeren" werden von verschiedenen Drosseln, vor allem von der Wacholderdrossel, gefressen und über die Ausscheidungen verbreitet (Endozoochorie).


Der Wacholder wächst auf mäßig trockenem oder wechseltrockenem, meist basenreichem (oft kalkhaltigem), nicht selten skelettreichem Lehm und Tonboden. Auch auf Sand und Torf kommt er vor (OBERDORFER 1990). Nach ELLENBERG (1978) ist der Wacholder ähnlich wie die Waldkiefer eine bodenvage, aber lichtbedürftige Pflanze, die vor allem auf trockenen Kalkböden sowie auf trockenen und feuchten Sauerhumusböden anzutreffen ist. Er wurzelt tief und kann sehr alt werden. Es ist von 300 Jahren (SEBALD et al. 1990), ja sogar 500-2000 Jahren die Rede.

 

Verbreitung

Das Verbreitungsareal des Wacholders erstreckt sich rund um die Nordhalbkugel. In Deutschland ist er, mit Lücken in den Niederungsregionen, von der Ebene bis in die Hochalpen weit verbreitet. Als Maximum der Höhenverbreitung in den Alpen gelten 3570 m.

In Nordrhein-Westfalen wächst er vor allem in der Westfälische Bucht (West- und Ostmünsterland), im Süderbergland, in der Eifel sowie in Ostwestfalen im Raum Teutoburger Wald/Senne und im Kreis Höxter. Hier liegen die Vorkommen vor allem entlang der Weser und ihrer Zuflüsse Diemel und Nethe.

Urwüchsig ist der Wacholder nach SEBALD et al. (1990) im Felsgebüsch. Seine weite Verbreitung erreichte er infolge Jahrhunderte langer Beweidung, die auch auf vormals bewaldeten kargen Standorten zusagende Wuchsflächen für den genügsamen Strauch schuf. Hier konnte er sich als vom Vieh wegen der spitzen Nadelblätter verschmähtes "Weideunkraut" entfalten. Pflanzensoziologisch ist er zu den wärmeliebenden Berberitzengebüschen (Berberidion) zu rechnen, die im Kreis Höxter an sonnenexponierten Kalkhängen vorkommen und zu denen neben Berberitze (Berberis vulgaris) auch Liguster (Ligustrum vulgare), Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) und Rosen-Arten (Rosa rubiginosa, R. micrantha) gehören.

 

Bedeutung und Verwendung

Der Wacholder hat sowohl kulturhistorische, als auch medizinische Bedeutung. FISCHER (1983) beschreibt ihn als den europäischen Totembaum, dem man Kraft zusprach und der - ebenso wie die Eibe - auch heute noch bevorzugt auf den Friedhöfen gepflanzt wird. Die Bedeutung spiegelt sich auch in den etwa 150 verschiedenen Namen für die Pflanze. Wacholder heißt Wachhalter (=Lebendigmacher). Eine andere Bezeichnung, Kranewitt, geht auf den Krammetvogel (Wacholderdrossel) zurück.

Seit alters her gilt der Wacholder als eine der wichtigsten Heilpflanzen. Die stark desinfizierende Wirkung des Wacholders wurde in Zeiten der Pest zum Schutz vor Ansteckung eingesetzt, indem man das Holz verbrannte und mit den glühenden Scheiten die Krankenstuben ausräucherte. Als Räuchermittel für Fleisch und Fisch wird der Wacholder bis heute genutzt. Allgemein bekannt ist die Verwendung der "Beeren" als Gewürz oder zur Herstellung von Spirituosen (z.B. Steinhäger, Gin, Genever). In der Pflanzenheilkunde wird Wacholder auch als Ableitungsmittel eingesetzt.

Das feinfaserige, weiche, biegsame und dauerhafte Holz wird zu Drechslerarbeiten und zur Herstellung von Pfeifenröhren, Spazierstöcken und Zahnstochern genutzt (FRANKE, 1985).

 

Aus dem Kreis Höxter ist die örtliche Nutzung von Wacholderpflanzen des Wandelnsberges bei Beverungen zu Bindereizwecken; zur Ausschmückung von Straßen, zur Uferbefestigung und zum Räuchern in Schlachtereien dokumentiert.

 

Rückgang und Gefährdung

In früheren Zeiten war der Wacholder viel verbreiteter und häufiger als heute. BECKHAUS(1893) beschreibt das Vorkommen in Westfalen als "truppweise, auch einzeln, in den Heiden der Ebenen, auf dürren Bergen, meist gemein, am schönsten auf Kalkbergen".

Bereits GRAEBNER stellt 1934 im Zusammenhang mit der Naturschutzgebietsausweisung des Wandelnsberges eine ständige Abnahme der Wacholderbestände in Westfalen fest. In der Flora von Lippe (MEIER-BÖKE, 1978) wird der Wacholder als "stärkstens im Rückgang durch die Kiefern- und Fichtenmonokulturen" eingestuft.

Als "Weideunkraut" wurden Wacholderbüsche auf bewirtschafteten Flächen von Zeit zu Zeit abgehauen, so z.B. am Kahlenberg bei Ottbergen noch 1984.

Heute noch zeugt in einigen Buchenwäldern abgestorbenes Wacholdergehölz von früheren Freiflächen (z.B. Iberg bei Welda). An lichten Waldstellen findet man gelegentlich auch noch lebende Wacholder, meist unter Kiefer, die als genügsame Baumart auf die kargen Triften gepflanzt wurde und dem Unterwuchs oft noch ausreichend Licht und Raum zum Überleben gewährt.

Die Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere weist den Wacholder für Nordrhein-Westfalen insgesamt und für das Weserbergland als "gefährdet" aus. In den Tieflandregionen von NRW gilt er bereits als "stark gefährdet".

 

Vorkommen des Wacholders im Kreis Höxter

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Abb. 2: Wacholderbestand auf dem Weldaer Berg (Foto: F. GRAWE)

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts war der Wacholder offenbar auch im Kreis Höxter so weit zurückgegangen, dass die noch verbliebenen größeren Bestände als Besonderheiten gewertet wurden und ab 1930 zu Naturschutzgebietsausweisungen führten. Unter den ersten Naturschutzgebieten des Kreises Höxter waren die größeren Wacholderflächen am Wandelnsberg, Iberg, Weldaer Berg und Bielenberg.

Ab 1980 wurden schließlich auch die meisten noch erhaltenen Kalkmagerrasen, und damit fast alle Wacholdervorkommen im Kreis Höxter unter Naturschutz gestellt.

In den Naturschutzgebieten weist der Kreis Höxter aktuell noch einen erfreulich guten Bestand an Wacholdern auf. Auffällig ist, dass sich die Vorkommen auf bestimmte Räume konzentrieren und auf den größeren Halbtrockenrasenflächen bei Scherfede und Willebadessen fehlen. Möglicherweise liegt die Ursache hierfür auch im früher gebietsweise üblichen Abflämmen von Ödlandflächen.

Die individuenreicheren Wacholdervorkommen im Kreis Höxter weisen eine erstaunliche Vielfalt an Wuchsformen auf. Es gibt Sträucher, die - vermutlich durch äußere Einflüsse verursacht - bei Wuchshöhen von kaum einem Meter viele m² flächig bedecken. Aufrechte Wacholder können in sehr schlanker Form, z.B. am Weldaer Berg oder Kahlenberg (Ottbergen), 7 bis 8 m Höhe erreichen. Die Stammverzweigung bei Solitären setzt häufig bereits in etwa 30 cm Höhe an. Markant, aber relativ selten sind Halbstämme von ovalem Wuchs oder ausgesprochene Säulenformen. Nur ausnahmsweise begegnet man baumartig verzweigten Exemplaren mit bis zu rechtwinklig abstehenden Ästen.

Die Anzahl der Wacholder ist bei großen und alten Beständen schwer zu schätzen. Die Sträucher sind oft mehrtriebig oder auseinandergebrochen, andererseits gibt es auch eng beieinander stehende Gruppen von Pflanzen.

Insgesamt dürfte der aktuelle Wacholderbestand im Kreis Höxter bei etwa 6000 Exemplaren liegen. Mehr als 90 % davon verteilen sich dabei auf nur 8 Gebiete. Allein auf dem Weldaer Berg und dem Nullenberg (NSG Wandelnsberg) wächst mit ca. 3000 Exemplaren fast die Hälfte der Wacholder des Kreises.

 

Wacholder-Vorkommen im Kreis Höxter:
(fett = große Vorkommen)

Ovenhausen: Bramberg, Eschenberg, Rumberg

Brenkhausen: Räuschenberg

Höxter: Bielenberg, Weinberg, Ziegenberg

Ottbergen: Stockberg, Kahlenberg, Mühlenberg, Gräunenberg

Bruchhausen: Hüwe

Amelunxen: Waldränder zwischen Stockberg und Langer Berg

Beverungen: Wandelnsberg, Nullenberg, Selsberge, Rotzberg

Körbecke: Wacholderberg (Schwiemelkopf), Alstertalhänge

Daseburg: Unteres Eggeltal

Dalheim: Kalkberg, Diemelmühle, Schlachberg

Calenberg: Osterberg, Sportplatz, Wolfsbusch

Welda: Weldaer Berg, Iberg, Eichholz, Schalkstal, Hoppenberg

Ossendorf: Heinberg

 

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Abb. 3: Wacholdervorkommen im Kreis Höxter, unmaßstäblich (Kartenlayout: D. KRÄMER)

Das Verjüngungsproblem

Auffällig ist, dass in den Gebieten mit großen und alten Wacholderbeständen oftmals keinerlei Naturverjüngung zu finden ist. Überhaupt sind junge Wacholderpflanzen in nennenswerter Zahl nur in einigen wenigen Gebieten (Stockberg, Bramberg, Bielenberg, Mühlenberg, Kahlenberg, Iberg) zu finden.

Bisher gibt es über die Ursachen hierfür keine gesicherten Erkenntnisse. In Versuchen wurde festgestellt, dass die Keimungsrate von "Beeren" alter Wacholder mit 2-4 % äußerst gering ist. Bei den Früchten jüngerer Büsche liegt sie dagegen bei 50-60 % (SCHMITT, 2006 briefl.). Auch scheint extensive Schafbeweidung einer Verjüngung förderlich zu sein, kontinuierliche, relativ intensive Beweidung mit Schafen oder Ziegen aber eher abträglich, da der Jungwuchs zu stark verbissen wird.

Eigenen Beobachtungen zufolge benötigt der Wacholder zum Keimen, An- und Emporwachsen offenbar Schutz. Als immergrüner Strauch ist er möglicherweise in jungen Jahren bei strengerem Frost austrocknungsgefährdet. Bei einer ausgeglichenen Altersstruktur, wie sie am schönsten am Stockberg bei Ottbergen zu finden ist, können im günstigen Fall um die 40 Jungpflanzen bei einem fruchtenden Wacholderstrauch gezählt werden. Einzelverjüngung tritt im Waldmantel, am Rand der Gebüsche oder am Fuß von Kiefernstämmen im lichten Forst auf. Dorthin werden die Früchte von Vögeln verbreitet.

Wenn heute in einigen Gebieten der Wacholder im Vergleich zu früheren Jahren zunehmend in Erscheinung tritt und zum dominanten Gehölz wird, so ist dies auch auf die Zurückdrängung der übrigen Gehölzarten im Rahmen von Pflegemaßnahmen zurückzuführen. Im Schutz anderer Gehölze angewachsen, scheint er nach der Freistellung förmlich zu explodieren und bildet schließlich selbst geschlossene Gebüsche. Die Selektion findet hier durch den Menschen statt, der den Wacholder zum Schutzobjekt wählt, und nicht durch Beweidung.

Die Verjüngungsproblematik ist nach Auskunft von SCHMITT (Forstgenbank NRW, 2006 briefl.) z.Zt. Gegenstand zweier wissenschaftlicher Untersuchungen, deren Ergebnisse im Herbst 2006 zu erwarten sind. Für die Naturschutzarbeit sind die gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf den dauerhaften Erhalt der Wacholdertrockenrasen auch als FFH-Lebensraumtyp wichtig. Dem Kreis Höxter kommt hierbei aufgrund der landesweit bedeutenden Vorkommen eine besondere Verantwortung zu.

 

 

Literatur:

BECKHAUS, K. (1893): Flora von Westfalen. 1096 S.

FISCHER, S. (1983): Blätter von Bäumen. 187 S. - München

FRANKE, W. (1985): Nutzpflanzenkunde. 470 S. - Stuttgart

HAEUPLER, H., JAGEL, A., SCHUMACHER, W. (2003). Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen. Hrsg.: LÖBF NW. Recklinghausen

WOLFF-STRAUB, R., BÜSCHER, D., DIEKJOBST, H., FASEL, P., FOERSTER, E., GÖTTE, R., JAGEL, A., KAPLAN, K., KOSLOWSKI, I., KUTZELNIGG, H., RAABE, U., SCHUMACHER, W. & VANBERG, CH. (1999): Rote Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-Westfalen 3. Fassg. In: LÖBF NRW (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen,3. Fassg. - Schriftenr. LÖBF NRW 17: 75-171.

OBERDORFER, E. (1990): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. - Stuttgart

SEBALD, O., SEYBOLD, S., PHILIPPI, G. (1990): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Bd.1. - Stuttgart


  Anschrift des Verfassers:  Stefan Häcker
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