Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 17 (2005)
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Wo wächst die Schuppenwurz im Kreis Höxter ?

Von Stefan HÄCKER

Die Schuppenwurz (Lathraea squamaria) ist eine bleiche bis rötliche blattgrünlose Pflanze, die auf den Wurzeln verschiedener Bäume oder Sträucher schmarotzt. Sie gehört zur Familie der Rachenblütler oder Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae), ist also verwandt mit den Gattungen Königskerze (Verbascum), Ehrenpreis (Veronica) oder den halbparasitischen Gattungen Wachtelweizen (Melampyrum), Klappertopf (Rhi­nanthus) oder Augentrost (Euphrasia).

Lathraea wächst in humosen Laubwäldern auf frischen bis feuchten, kalkreichen, basischen Lehmböden. Man findet sie an kaum überfluteten Stellen von Auwäldern, in Schluchtwäldern oder in Hainbuchenwäldern (Sebald et.al. 1996).

Abb.1: Schuppenwurz (Lathraea squamaria)
Quelle: www.wikipedia.de

Ihr botanischer Name Lathraea bedeutet "die Verborgene" oder auch "Heimliche" (Beckhaus 1893; Voss 1922) und so begegnet man der Pflanze, die nicht alljährlich erscheint, das blühfähige Alter erst nach etwa 10 Jahren erreicht und auch unterirdisch blühen kann (Planer-Pupp), eher selten, da man sie leicht übersieht. Sie erscheint und blüht bei uns zwischen Ende März und Anfang Mai, wenn bereits Giersch, Bingelkraut und andere Geophyten die durch die Laubschicht brechenden Schuppenwurz-Triebe zum Teil verdecken.

Lathraea squamaria kann mehrere Kilogramm schwere Rhizome ausbilden, in denen sie die dem Wirt entnommenen Stoffe speichert. Aus diesen treiben die bis zu 20 cm hohen Blütensprosse als einseitswendige Trauben in Gruppen aus dem Boden. Die violetten, dicht stehenden Blüten werden durch Hummeln oder vom Wind bestäubt. Bei unterirdischer Blüte findet auch Selbstbefruchtung (Kleistogamie) statt.

Das Rhizom wird als korallenstockartiges Netz elfenbeinweißer, seifig glänzender, klumpig gehäufter Schuppen von außerordentlicher Brüchigkeit beschrieben. Das eigentliche Wurzelwerk der Pflanze fängt erst unter dem schuppigen Knoten an und dehnt sich einen halben oder auch einen ganzen Meter rundum in die Tiefe und ist genauso spröde wie das Stängelwerk (Koelsch 1912).

Als Vollparasit treibt die Schuppenwurz ihre Saugwurzeln (Haustorien) in die Wasserleitungsbahnen (Xylem) des Wirts. Der Zeitpunkt ihres Erscheinens wird mit dem einsetzenden Saftstrom der Wirtspflanzen in Zusammenhang gebracht (Planer-Pupp).

Bei der Keimung sind die durch Ameisen oder Wasser verbreiteten Samen auf die Anwesenheit von Wurzeln der Wirtspflanzen angewiesen. Als Wirtspflanzen werden Hybrid-Pappel, Hasel,


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Esche, Ulme, Hainbuche, Erle, Weide angege­ben. Die Abhängigkeit von bestimmten Wirtsge­höl­zen und die Standortbegren­zung gleicht die Schuppenwurz durch "in riesi­gen Mengen er­zeugte Samen" aus (Koelsch 1912).

In Deutschland kommt die Schuppenwurz zerstreut vor. Sie ist nur im nordwestlichen Tiefland selten und insgesamt nicht gefährdet. In Nordrhein-Westfalen sind die Vorkommen mit wenigen Ausnahmen auf die Mittelgebirgsbereiche der Eifel, des Sauer- und Siegerlandes, sowie des Weserberglandes begrenzt (Haeupler, Jagel, Schumacher 2003). In der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in NRW wird sie in die Kategorie 3 (gefährdet) eingestuft.

In Westfalen ist die Schuppenwurz sehr selten, am häufigsten noch in den Kalkgebieten des Süd- und Weserberglandes (Runge 1989).

Fundorte im Kreis Höxter

(Beckhaus 1893; Meier-Böke 1978; Häcker 1997)

TK 4120-33 Zwischen Himmighausen und Merlsheim, links im Straßengraben (Meier-Böke 1978)
TK 4120-34 Emmersteilufer südlich Gut Oeynhausen (Meier-Böke 1978)
TK 4120-41 Emmer am Wölberg westlich Eversen (NSG), auf Pappel (Brinkmann)
TK 4122-3 kurz vor Bödexen von Holzminden aus (Beckhaus 1893)
TK 4220-11 Auenwald am Mühlenbach östlich Merlsheim, an Böschung auf Esche (Meier-Böke 1978, Brinkmann)
TK 4221-13 Brucht südlich Bellersen an Talböschung auf Ulme (04.05.1987, Häcker). Nach Absterben und Fällung des Baumes inzwischen verschwunden.
TK 4221-24
  + 4222-13
Waldstreifen am Südhang des Krekeler Berges (gepl. NSG bei Bosseborn). Zahlreich an mehreren Stellen auf Hasel/Hainbuche(?). (04.05.1986, Häcker)
   
TK 4222-33 Netheaue in Amelunxen,
ca. 250 Bl.Stg. auf Hybrid-Pappel (18.04.2005, Häcker)
TK 4321-22 "Langer Grund" zwischen Amelunxen und Drenke, mehr als 100 Bl.Stg. auf Hybrid-Pappel (April 1988, Häcker)
TK 4420-33 Auenwald an der Diemel bei Rimbeck (NSG), zahlreich, ca. 200 Bl.Stg. auf Hybrid-Pappel (Anfang 1990er Jahre, Weiffen; 1994, Häcker)
TK 4420-43
  + 4520-21
Fuß des Heinberges an der Diemel südlich Ossendorf (NSG), zahlreich an mindestens zwei Stellen (April 1997, Weiffen, Beine; Häcker)
TK 4422-11 Samensberg bei Manrode (NSG), auf Hasel (1986, Häcker)

Abb. 2: Schuppenwurz im Kreis Höxter am 18.04.2005 (Foto: Burkhard Beinlich)

Die Schuppenwurz kommt also auch im Kreis Höxter nur selten vor. Ihre bekannten rezenten Wuchsorte konzentrieren sich auffällig in Gebieten, die inzwischen als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind oder die als naturschutzwürdig gelten.

Dies wirft die Frage auf, wie hoch der Erfassungsgrad der tatsächlichen Vorkommen von Lathraea im Kreis Höxter ist. Hybrid-Pappel und Hasel als Hauptwirte und auch die der Schuppenwurz zusagenden Standortverhältnisse sind im Kreis Höxter verbreitet anzutreffen.



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Es ist nicht auszuschließen, dass die Pflanze aufgrund ihrer Verborgenheit auch übersehen wurde und man bisher eher zufällig auf sie gestoßen ist. Daher wäre eine gezielte Nachsuche wünschenswert. Es wird gebeten, Schuppenwurz-Funde an die Landschaftsstation im Kreis Höxter (Umweltdatenbank) zu melden:

  Telefon: 05643-9488-02
      Fax: 05643-0488-01
  oder per eMail an
  umweltdatenbank@landschaftsstation-hoexter.com
Abb. 3: Blühende Schuppenwurz
(Foto: Laurent Francini)

Aufgrund der dargestellten Abhängigkeiten und der komplizierten Biologie der Pflanze werden ihre Vorkommen jedoch stets begrenzt und auch grundsätzlich gefährdet sein. Seit einiger Zeit werden die in früheren Jahrzehnten in Auen gern gepflanzten Hybrid-Pappeln nach und nach, meist komplett, von den Fließgewässern wieder entfernt, um dem einheimischen Gehölzbewuchs Raum zu geben. Bei radikaler Umsetzung dieser in den Gewässerentwicklungskonzepten vorgeschlagenen Maßnahmen würde jedoch ein erheblicher Teil der oben aufgeführten Schuppenwurz-Vorkommen auch verschwinden. Wie weit solche von den Fällaktionen bereits betroffen sind oder waren, wird man nicht mehr feststellen.

Es wird daher an die zuständigen Städte appelliert, Pappeln an ausgesuchten Stellen auch zu erhalten, nicht nur als Wirts­bäume von Schuppenwurz oder Misteln, sondern auch als Höhlen- und Nistbäume oder als Strukturele­mente, die insbesondere von der Vogelwelt (z.B. Drosselzug) verstärkt angenommen werden.


Literatur:

Beckhaus, K. (1893): Flora von Westfalen. - Münster

Häcker, S. (1997): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen im Kreis Höxter und angrenzenden Gebieten. - Egge-Weser 9:9-152 . Höxter

Haeupler, H., A. Jagel, W. Schumacher (2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen. - Recklinghausen

Koelsch, A. (1912): Würger im Pflanzenreich. - Stuttgart

Meier-Böke, A. (1978): Flora von Lippe. - Detmold

Planer-Pupp, C. (2005): Schuppenwurz Lathraea squanaria). -
http://www.natur-lexikon.com/Texte/pp/001/00001/pp00001.html (02.05.2005)

   

Runge, F. (1989): Die Flora Westfalens. - Münster

Voss, A. (1922): Botanisches Hilfs- und Wörterbuch. - Berlin

Sebald, O., S. Seybold, G. Philippi, A. Wörz (1996): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Bd. 5. - Stuttgart


Mündliche Auskünfte:

Helmut Brinkmann (Bad Meinberg),
Marie-Luise Weiffen (Warburg-Ossendorf)

 

Anschrift des Verfassers:

Stefan Häcker
Drostenkamp 24
32760 Detmold


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