Die Streuobstbestände im Kreis Höxtervon Walter Köble, Ulrike Battmer, Burkhard Beinlich und Uli Wycisk AnlaßUnter Streuobstwiesen versteht man mehrfach nutzbare, mit Obstbäumen bestandene Flächen, die nicht nur der Ernte von Früchten wie Äpfel oder Birnen, sondern gleichzeitig auch der Gewinnung von Heu oder als Weide dienen (Lucke et al. 1992, Bünger 1996). Sie sind fester Bestandteil der traditionellen mitteleuropäischen Kulturlandschaft und sind im Kreis Höxter auch heute noch in weiten Bereichen landschaftsprägend. Vor allem im Frühjahr beleben sie das Landschaftsbild durch ihre Blütenpracht, im Herbst erfreuen die bunten Obstfrüchte das Auge des Betrachters. Darüber hinaus schmeicheln die zahlreichen Sorten mit den ebenso vielfältigen Aromen den Geschmacksnerven des Genießers. Aber auch aus Sicht des Artenschutzes sind Streuobstbestände von großer Bedeutung. Sie bieten Nahrung und Behausung für viele Tierarten. Für den Steinkauz, der im Kreis Höxter aus klimatischen Gründen nur sporadisch auftritt, stellen die Höhlungen in den Ästen alter Obstbäume die bevorzugten Bruthöhlen dar (MUNLV 2003). Im Frühling werden während der Obstblüte zahlreiche Insekten angelockt, zum Beispiel Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Aber auch die reifen und überreifen Früchte stellen für Insekten eine wertvolle Nahrungsquelle dar. Wegen dieses Insektenreichtums werden die Streuobstwiese gerne von Vögeln und Igeln besucht. Für Fledermäuse ist dieser Lebensraum ebenfalls ein wertvolles Jagdhabitat. Und gerade im Winter bessern viele Tiere, insbesondere Vögel, ihr karges Futterangebot durch den einen oder anderen am Baum verbliebenen Apfel oder eine Birne auf oder graben die gefrorenen Früchte aus dem Schnee aus. Leider ist der Bestand dieses wertvollen Lebensraumes in ganz Deutschland bedroht. Als Folge der Intensivierung der Landwirtschaft und des Obstbaus sowie des Preisverfalls für landwirtschaftliche Produkte ist die Streuobstwiesennutzung aufgrund des erhöhten Arbeitsaufwandes bei der Pflege und Ernte unwirtschaftlich geworden. Auch die seitens der EU gezahlten Prämien zur Rodung der Hochstamm-Obstbäume und die europaweiten Normierungen der Obstsorten trugen bzw. tragen zum Niedergang der Streuobstwiesen bei (Simon 1992 u.v.m.). Um die noch vorhandenen Bestände dauerhaft zu sichern, ist es zwingend erforderlich, den Produkten der Streuobstwiesen wieder einen Marktwert zu verschaffen. Erste Schritte in diese Richtung wurden im heimischen Raum im Rahmen des „Modellprojektes Obstwiesenschutz NRW“ getan. Dieses auf zunächst drei Jahre terminierte Projekt gewährleistet die fachliche Betreuung der Landwirte durch Regionalberater. Die Regionalberater engagieren sich darüber hinaus auch in Verarbeitungs- und Vermarktungsfragen (Erzeugung von Most, Veredlung zu Spirituosen etc.). Weitere Informationen hierzu finden sich im Internet unter www.bund-nrw.de/landwirtschaft-obstwiesenschutz.htm. Bisher fehlt aber für die meisten Regionen des Landes eine aktuelle Übersicht über die Verteilung, den Zustand und die Zusammensetzung der Obstbaumbestände. Sie ist eine wichtige Planungsgrundlage. Dieser Mangel wurde für den Kreis Höxter im Jahr 2002 durch eine kreisweite Kartierung behoben. VorgehensweiseNach einer Vorkartierung im Jahre 2001 wurde im Kartierungsjahr 2002 wie folgt verfahren:
Die Kartierungen fanden im Zeitraum von März bis Dezember 2002 statt, zeitgleich erfolgte die Dateneingabe und Auswertung. Die kartographische Umsetzung der Ergebnisse wurde im März/April des Jahres 2003 durchgeführt. ErgebnisseGesamtzahlen und räumliche VerteilungIm Kreis Höxter wurden insgesamt 4.056 Einzelbestände (ab 3 Bäumen) erfaßt. Die Gesamtzahl der Bäume beläuft sich auf 60.894 Obstbäume. Hinzu kommen die innerörtlichen Bestände, deren Zahl auf ca. 15.000 - 20.000 Bäume geschätzt wird. Dies ist ein sehr hoher Wert für den Regierungsbezirk Detmold. Leider liegen den Verfassern keine aktuellen Zahlen aus den anderen Kreisen Ostwestfalen-Lippes vor, so daß als Bezugsgröße nur die Ergebnisse der Obstbaumzählung aus dem Jahre 1965 herangezogen werden kann. Damals wurden im Regierungsbezirk Detmold 663.443 Hoch- und Halbstämme im extensiven Obstbau gezählt (Bünger 1996). Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der massive Rückgang der Streuobstbestände erst danach einsetzte (> 50 % Rückgang von 1965 bis 1990), dürften heute im Kreis Höxter gut ein Viertel der Streuobstbestände des gesamten Regierungsbezirkes anzutreffen sein. Die verschiedenen Obstbaumarten sind wie folgt im Kreis vertreten:
Abb. 1: Prozentuale Verteilung der Obstbaumarten im Kreis Höxter Abb. 2: Quantitative Verteilung der Obstbäume im Kreis Höxter Abb. 3: Altersaufbau der Streuobstbestände im Kreis Höxter Abb. 4: Pflegezustand der Streuobstbestände im Kreis Höxter Apfelbäume stellen also mit 58,8 % die wichtigste Obstbaumart des Kreises dar, gefolgt von der Zwetschge mit gut 28 % (vgl. Abb. 1). Bezüglich der Lage (Ortsrand, freie Feldflur) setzen sich die Bestände wie folgt zusammen:
Bei 1.415 Beständen handelt es sich um lineare Obstbaumpflanzungen (straßen- oder wegeparallel, Obstbaumreihen entlang Parzellengrenzen etc.), 2.624 Bestände finden sich im Bereich der eigentlichen Streuobstwiesen. Auf die einzelnen Städte des Kreises verteilen sich die Obstbäume wie in Abb. 2 gezeigt. Mit 9.540 Bäumen finden sich im Stadtgebiet von Höxter mit Abstand
die meisten Bäume, die wenigsten im Stadtgebiet von
Marienmünster (4.153 Hochstammbäume). Berücksichtigt
man die Flächengröße der einzelnen Städte,
stellen sich die Verhältnisse jedoch anders dar (vgl. Tab. 1).
Pro km² sind die meisten Bäume in Marienmünster
anzutreffen (64,66 Bäume/km²), das Schlußlicht bei
der Dichte der Obstbäume ist die Stadt Warburg mit 34,17
Bäumen/km². Tab. 1: Absolute Zahl der erfaßten Hochstammobstbäume und die Dichte pro km²
Altersaufbau und PflegezustandStellen sich die rein zahlenmäßigen Ergebnisse bezüglich der Obstbäume für den Kreis Höxter sehr positiv dar, ist der Erhaltungszustand der meisten Bestände weitaus weniger zufriedenstellend: Knapp die Hälfte der Obstbäume befindet sich in der Altersphase. Lediglich bei knapp 20 % der Bäume handelt es sich um Bäume in der jungen Ertragsphase bzw. um Neupflanzungen (vgl. Abb. 3): Auch bezüglich des Erhaltungszustandes der Bäume bzw. der Bestände ist es im Kreis Höxter nicht besser bestellt – über 73 % der Bäume wurden seit vielen Jahren nicht mehr gepflegt (vgl. Abb. 4). Lediglich knapp 9 % der Bäume befinden sich in einem guten Pflegezustand! Bezüglich des Pflegezustand sind die Verhältnisse in den meisten Städten des Kreises ähnlich. Lediglich im Stadtgebiet Borgentreich stellt sich die Situation mit 91 % ungepflegter Bäume noch deutlich ungünstiger dar. Positiv fallen dagegen die Städte Marienmünster und Steinheim auf, wo der Anteil der ungepflegten Bäume mit knapp 63 % bzw. 52 % deutlich unter dem Kreisdurchschnitt liegt. FazitIm Kreis Höxter findet sich ein Großteil der Streuobstbestände Ostwestfalen-Lippes. Allerdings ist aufgrund des ungünstigen Altersaufbaus und fehlender Pflege damit zu rechnen, daß die Bestände in den nächsten 20 bis 40 Jahren auf etwa die Hälfte des aktuellen Wertes zurückgehen werden. Um diesen Trend zu stoppen, sind große Kraftanstrengungen erforderlich, damit dem Streuobstbau wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben wird. Neben einer Förderung der Bestände durch öffentliche Mittel(Kulurlandschaftsprogramm etc.) ist es vor allem wichtig, die Produkte in Wert zu setzten, d.h. die Früchte als Tafelobst, Apfelsaft oder -schorle (wie z. B. in Ottenhausen) oder Obstler (Beispiel: Bellersen) marktfähig zu machen. Darüber hinaus wird bei der großen Zahl der Bestände vor allem
großes ehrenamtliches Engagement der Heimat- und
Naturschutzvereine zum Erhalt der Bestände wichtig sein!
Die sehr aufwendigen und zeitintensiven Arbeiten wären ohne finanzielle Förderung seitens der Bezirksregierung in Detmold nicht möglich gewesen. Ihr sei an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung gedankt. LiteraturBünger, L. (1996): Erhaltung und Wiederbegründung von Streuobstbeständen in Nordrhein-Westfalen. – LÖBF-Schriftenreihe 9 Lucke, R., R. Silbereisen & E. Herzberger (1992): Obstbäume in der Landschaft. – Ulmer Verlag Ministerium für Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW (MUNLV, Hrsg.)(2003): Der Steinkauz. Lebensraum, Bestandssituation, Schutzmöglichkeiten Simon, L. (1992): Entwurf, Ergebnisse und Konsequenzen der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zum Biotopsicherungsprogramm "Streuobstwiesen" des Landes Rheinland-Pfalz. - in: Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Begleituntersuchungen zum Biotopsicherungsprogramm "Streuobstwiesen". - Beiträge Landespflege Rheinland-Pfalz 15: 5-56
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