Der Kammolch (Triturus cristatus)

Heiko Köstermeyer

EGGE-WESER Band 15 Seiten 71-74 2002

 

Der Kammolch (Triturus cristatus)

Heiko Köstermeyer

Einleitung

Der Kammolch ist mit bis zu 16 cm Körperlänge der größte einheimische Molch. Sein Name leitet sich vom auffallend hohen, an der Schwanzwurzel unterbrochenen und gezackten Hautsaum (Kamm) der Männchen zur Paarungszeit ab (Günther 1996). Als weitere deutsche Bezeichnungen finden sich bei Dürigen (1897) die Namen Sumpfmolch und Großer Wassersalamander.

Obwohl deutlicher größer als alle anderen Molche ist der Kammolch aufgrund seiner heimlichen Lebensweise, der bevorzugten großen und krautreichen Gewässer sowie der zumeist nur geringen Bestandsgrößen oft nur schwer nachweisbar, so daß bis heute noch große Kenntnislücken zur Biologie der Art, ihrer lokalen Verbreitung und den Bestandsgrößen bestehen. Hinzu kommen immer wieder Verwechslungen der Art mit anderen Molchen, vor allem in der Landtracht, aber auch in der Wassertracht.

Verwechslungsmöglichkeiten bestehen während der Paarungszeit vor allem mit den Männchen des Teichmolches (Triturus vulgaris), die jedoch wesentlich kleiner sind und einen ununterbrochenen Kamm besitzen. Bei weiblichen Kammolchen und juvenilen Tieren besteht die Verwechslungsgefahr mit Bergmolchen (Triturus alpestris) insbesondere in der Landtracht. Auch hier ist die Größe ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Hinzu kommt, daß beim Kammolch in der Regel auffällige gelbschwarzgefleckte Bauchmuster, welches Bergmolchen fehlt.

Von den vier im Kreis Höxter heimischen Wassermolcharten ist der Kammolch am längsten am Laichgewässer anzutreffen. Die Frühjahrswanderung beginnt bereits ab Mitte Februar und erstreckt sich bis in den Mai/Juni hinein. Abwandernde Tiere sind regelmäßig von Juni bis September hinein zu beobachten. In ausreichend tiefen und sauerstoffreichen Gewässern verläßt ein Teil der Population das gesamte Jahr über das Laichgewässer nicht.

Während der Paarungszeit kommt es in den Laichgewässern zu ausgedehnten Balzritualen, bei denen der Kamm der Männchen zur Anlockung der Weibchen dient. An den bevorzugten Balzplätzen bieten sich gute Gelegenheiten zur Beobachtung der ansonsten eher heimlichen Kammolche.

Nach der Paarung setzt das Weibchen die etwa 200 bis 400 befruchteten Eier einzeln in der Wasservegetation nahe der Wasseroberfläche ab (Günther 1996).

12 bis 18 Tage nach der Eiablage schlüpfen die Junglarven, die sich in Abhängigkeit von den Temperatur- und Nahrungsbedingungen innerhalb von 2 bis 4 Monaten bis zur Metamorphose entwickeln (Günther 1996).

Lebensraum

Der Kammolch nutzt ein weites Spektrum von Gewässern zum Laichen. Neben natürlichen Stillgewässern sind dies vor allem Teiche und Weiher, Stillgewässer in Abgrabungen, Wiesengräben und kleinere temporäre Gewässer (Feldmann 1981; Günther 1996; Kupfer & von Bülow 2001). Immer wieder wird der Kammolch auch in Gartenteichen beobachtet. Nur sehr selten nutzt er Fließgewässer, selbst Gräben mit nur langsam fließendem Wasser werden meist gemieden.

Obwohl der Kammolch eine Vielzahl von Gewässertypen besiedelt, stellt er relativ hohe Anforderungen an die Habitatqualität der Gewässer. Im Vergleich zu den übrigen einheimischen Molchen bevorzugt er eher größere und tiefere Gewässer, die eine gute Besonnung aufweisen, da die Larven eine hohe Wassertemperatur zur Entwicklung benötigen.

Eine gut ausgebildete submerse Vegetation ist für den Kammolch als Versteckmöglichkeit vor Fraßfeinden sehr wichtig. Reich strukturierte Gewässerböden mit Totholz, Steinen etc. können diese Funktion z.T. übernehmen. Des weiteren müssen die Gewässer zumindest fischarm, besser fischfrei sein, da sowohl die Larven als auch die Adulttiere einem starken Prädationsdruck durch Fische unterliegen.

Die Landlebensräume des Kammolches sind sehr vielgestaltig. Häufig liegen die Sommerlebensräume in unmittelbarer Nähe der Laichgewässer. Sie können aber auch einen Kilometer und mehr vom Gewässer entfernt sein (Kupfer 1998; Stoefer & Schneeweiss 1999). Bevorzugt werden vor allem feuchtes Grünland und Laubwälder, wie Buchen- oder Auwälder. Den Wäldern kommt mit großer Wahrscheinlichkeit neben den Gewässern auch eine hohe Bedeutung als Überwinterungsort für den Kammolch zu. Genauere Untersuchungen zu diesem Teil des Jahreslebensraumes fehlen bisher noch. Als Zufallsfunde werden Kammolche im Winter immer wieder auch in Kellern, Schächten, Schotterkörpern, kleinen Erdhöhlen und ähnlichem gefunden.

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet des Kammolches erstreckt sich von Mittelfrankreich bis zum Ural. Im Norden bilden das südliche Skandinavien, im Süden die Alpen die Verbreitungsgrenze. Das Zentrum des Verbreitungsgebietes liegt in Mitteleuropa mit einem Schwerpunkt innerhalb Deutschlands.

In Deutschland ist der Kammolch weit verbreitet und in fast allen Naturräumen anzutreffen. Größere Verbreitungslücken treten lediglich in Nordwestdeutschland und in den Höhenlagen Süddeutschlands auf.

Abb. 1: Verbreitung des Kammolches in Deutschland (Günther 1996)

Die Schwerpunkte seiner Verbreitung in Nordrhein-Westfalen liegen in Westfalen im Münsterland, im Hellwegraum der westfälischen Bucht und im Weserbergland. Gemieden werden in NRW vor allem die Höhenlagen. In den Mittelgebirgen beschränken sich die wenigen Nachweise v.a. auf die Tallagen.

Im Kreis Höxter konnte der Kammolch noch in 31 von 186 Sechzehntel-Quadranten nachgewiesen werden (Beinlich et al. 2000). Die aktuellen Nachweise liegen überwiegend im Altkreis Höxter.

Bestand

Der Kammolch gehört zu den Amphibienarten, die im Verlauf der letzten Jahre starke Bestandseinbußen hinnehmen mußten. In NRW konnten im Rahmen der Kartierung „Herpetofauna 2000“ nach 1992 nur noch in 43% der Quadranten mit bekannten Kammolchpopulationen auch aktuelle Vorkommen nachgewiesen werden (Kupfer & von Bülow 2001). Die Bestandsgrößen werden überwiegend als gering eingeschätzt. Dieser Trend deckt sich weitgehend mit den Beobachtungen aus anderen Bundesländern (Günther 1996), so daß deutschlandweit und wohl auch europaweit von einem erheblichem Bestandsrückgang der Art ausgegangen werden muß. Insbesondere große Bestände von über 100 oder sogar über 1000 Tieren werden immer seltener (Günther 1996; Krone et al. 2001; Kupfer & von Bülow 2001; Podloucky 2001).

Lediglich 5 der Kammolchvorkommen in NRW, für die eine Populationsgrößenschätzung vorliegt, wurden auf über 100 Tiere geschätzt (Feldmann 1981; Kupfer & von Bülow 2001). Diese Bestandseinschätzung dürfte aber zu pessimistisch sein: Allein im Kreis Höxter sind derzeit 4 Populationen bekannt, die eine Größe von über 100 Tieren aufweisen. Neben den bekannten Populationen in den FFH-Gebieten Steinheimer Holz, Tongrube Nieheim und Grundlose/Taubenborn bei Höxter konnte 2002 auch im Feuchtgebiet Multhöpen bei Ottenhausen eine Population mit über 100 Tieren nachgewiesen werden (Lischewski & Lischewski 2001, Beinlich mdl. Mitl).

Die zum Schutz des Kammolches im Kreis Höxter ausgewiesenen FFH-Gebiete besitzen aufgrund ihrer aktuell noch hohen Bestände landesweit eine große Bedeutung. Dem heimischen Raum kommt eine wichtige Funktion für den Erhalt des Kammolches und die Vernetzung der Kammolchbestände in Ostwestfalen und Südniedersachsen zu.

Leider ist auch hier, vor allem in der Tongrube Nieheim und im Taubenborn ein Rückgang der Bestände zu verzeichnen. Wurde in der Tongrube Nieheim der Bestand Mitte des letzten Jahrzehntes noch mit ca. 600 Tieren angegeben (Dudler 1998), konnten bei aktuellen Bestandserhebungen nur noch etwa 200 Tiere nachgewiesen werden. Eine ähnliche Entwicklung ist im Taubenborn zu beobachten. Der deutliche Bestandsrückgang im Taubenborn ist anscheinend mit einem Rückgang der für den Kammolch geeigneten Gewässer korreliert.

Gefährdung

Der Kammolch ist vor allem durch den Rückgang an geeigneten Laichgewässern gefährdet. Neben dem allgemeinen Verlust von Kleingewässern ist insbesondere die Umwandlung von Gewässern in Freizeit- und Angelgewässer eine wichtige Gefährdungsursache, da der Kammolch sehr empfindlich auf Fischbesatz und Störungen im Bereich der Uferzone reagiert.

Zusätzlich zum Verlust der Laichgewässer wirken sich auch die immer stärkere Zerschneidung der Landschaft durch Straßen und der weiter fortschreitende Strukturverlust auf landwirtschaftlich genutzten Flächen negativ auf die Bestände aus. Die verbleibenden Kammolchpopulationen unterliegen einer zunehmenden Isolation, so daß die Wieder- oder Neubesiedlung geeigneter Lebensräume nur noch eingeschränkt stattfindet. Verschärfend kommt hinzu, daß die meisten Kammolchpopulationen inzwischen zu klein sind, um als Besiedlungsquelle dienen zu können.

Deutschlandweit gilt der Kammolch inzwischen als stark gefährdet, in Nordrhein-Westfalen und dem Weserbergland werden seine Bestände als gefährdet eingestuft (Bundesamt für Naturschutz 1998; Schlüpmann & Geiger 1999). Für die Zukunft ist jedoch auch hier mit einer höheren Gefährdungseinstufung zu rechnen. Eine europaweite Einstufung in eine Gefährdungskategorie existiert zur Zeit nicht. Da die oben genannten Gefährdungsfaktoren jedoch zunehmend auch in den bisher noch nicht so stark beeinträchtigten ländlichen Räumen (z.B. in weiten Teilen Osteuropas) wirken, ist auch europaweit von einer Gefährdung der Art auszugehen.

Die Kammolchbestände in allen drei „Kammolch-FFH-Gebieten“ im Kreis Höxter unterliegen derzeit einer erheblichen Gefährdung durch Verschlechterung der Habitatqualität der Laichgewässer, insbesondere durch Zunahme der Fischbestände. Die Landlebensräume sind hingegen weitgehend gesichert. Lediglich in der Tongrube Nieheim stehen nicht ausreichend geeignete Landlebensräume, insbesondere für eine Ausbreitung der Art, zur Verfügung. In Nieheim und im Taubenborn sind die Bestände zusätzlich durch Straßenverkehr gefährdet. Die Ausbreitungsmöglichkeiten des Kammolches werden hierdurch stark eingeschränkt.

Innerhalb des europäischen Netzwerkes „Natura 2000“ ist den drei „Kammolch-FFH-Gebieten“ im Kreis Höxter eine hohe Bedeutung zuzusprechen. Die Gebiete leisten einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Art in der Region und können aufgrund ihrer noch vorhandenen Populationsgrößen als Wiederbesiedlungsquellen dienen.

Maßnahmen zum Erhalt

Alle unter besonderer Berücksichtigung des Kammolches im Kreis Höxter ausgewiesenen FFH-Gebiete unterliegen derzeit Beeinträchtigungen, die ihre Funktion als Baustein des Netzwerkes Natura 2000 gefährden. In sämtlichen Gebieten ist vordringlich eine Verbesserung der Gewässerqualität für den Kammolch notwendig. Im „Steinheimer Holz“ und der „Tongrube Nieheim“ kann dies durch Optimierung der bestehenden Gewässer erfolgen, in den Grundlosen/Taubenborn empfiehlt es sich, zusätzlich neue Gewässer anzulegen.

Zumindest im Bereich der „Tongrube Nieheim“ sind auf Dauer auch Verbesserungen des Landlebensraumes notwendig.

Die Vernetzung der bestehenden Kammolchgewässer muß durch Maßnahmen des Biotopverbundes auch außerhalb von Schutzgebieten deutlich verbessert werden. Nur so sind die FFH-Gebiete in der Lage ihre Funktion als Ausbreitungszentren der Art auch wahrzunehmen. Ein erfolgreiches Beispiel gezielter Maßnahmen zur Förderung der Ausbreitung von Amphibien ist das Programm für den Laubfrosch „Ein König sucht sein Reich“ (vgl. Geiger et al. 2000). Eine Ausweitung dieses Programmes auf den häufig mit dem Laubfrosch vergesellschafteten Kammolch wäre geeignet, die Vernetzung der einzelnen Kammolchlebensräume deutlich zu verbessern.

Literatur

Beinlich, B., u. Wycisk et al. (2000): "Die Amphibien im Kreis Höxter. Ein Beitrag zur Biologie, Verbreitung, Gefährdung und zum Schutz der Amphibien." Veröffentlichungen des Naturkund­lichen Vereins Egge-Weser e.V. 13: 3-26.

Bundesamt für Naturschutz (1998): "Rote Listen gefährdeter Tiere Deutschlands." Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 434.

Dudler, H. (1998): Pflege- und Entwicklungsplan NSG "Artenschutzgrube Nieheim" und "Tongrube Rath" Kreis Höxter. Recklinghausen. p.114.

Dürigen, B. (1897): Deutschlands Reptilien und Amphibien. Magdeburg.

Feldmann, R. (1981): "Die Amphibien und Reptilien Westfalens." Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster in Westfalen 43(4): 1-161.

Geiger, A., M. Steven et al. (2000): "Laubfroschschutz im Münsterland - Das Kooperationsprojekt "Ein König sucht sein Reich" im Artenschutzprogramm NRW." LÖBF-Mitteilungen 2000(4): 16-34.

Günther, R. (1996): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Jena Stuttgart Lübeck Ulm, Gustav Fischer.

Krone, A., K.-D. Kühnel et al. (2001): "Verbreitung des Kammolches (Triturus cristatus) in den Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern." Rana Sonderheft 4: 63-70.

Kupfer, A. (1998): "Wanderstrecken einzelner Kammolche (Triturus cristatus) in einem Agrarlebensraum." Zeitschrift für Feldherpetologie 5: 238-242.

Kupfer, A. & B. von Bülow (2001): "Der Kammolch (Triturus cristatus) in Nordrhein-Westfalen: Verbreitung, Habitate und Gefährdung." Rana Sonderheft 4: 83-91.

Lischewski, D. & U. Lischewski (2001): Natura 2000 DE-4222-302 Grundlose Taubenborn.
http://www.natura2000.munlv.nrw.de/default_n.htm.20.8.2002.

Podloucky, R. (2001): "Zur Verbreitung und Bestandssituation des Kammolches Triturus cristatus in Niedersachsen, Bremen und dem südlichen Hamburg." Rana Sonderheft 4: 51-62.

Schlüpmann, M. & A. Geiger (1999): Rote Liste der gefährdeten Kriechtiere (Reptilia) und Lurche (Amphibia) in Nordrhein-Westfalen. Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. Landesanstalt für Ökologie, B. u. F. L. f. A. N.-W. Recklinghausen, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung: pp. 375-404.

Stoefer, M. & N. Schneeweiss (1999): "Zeitliche und räumliche Aspekte beim Schutz von Amphibien in der Agrarlandschaft des Barnims." RANA Sonderheft 3: 41-48.

Anschrift des Autors: Heiko Köstermeyer, Corvey 12, 37671 Höxter

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