Die FFH-Fledermausarten Bechsteinfledermaus, Mausohr und Teichfledermaus

Gerhard Steinborn

EGGE-WESER Band 15 Seiten 67-70 2002

 

Die FFH-Fledermausarten
Bechsteinfledermaus, Mausohr und Teichfledermaus

Gerhard Steinborn

Einleitung

Die einzelnen Fledermausarten weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Sie sind nachtaktiv, feldzoologisch nur schwer zu unterscheiden, besitzen große Ähnlichkeiten im Jahres- und Tagesrhythmus, im Jagdverhalten und den Lebensraumansprüchen. Es bietet sich daher an, zunächst allgemein von den Fledermäusen zu sprechen.

Alle Fledermäuse werden in Westfalen in der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere aufgeführt, d.h. sie sind mindestens in ihrem Bestand gefährdet, wenn nicht gar vom Aussterben bedroht. Einige Arten, die GOETHE (1955) in seinem Werk über die Säugetiere des Teutoburger Waldes und des Lipperlandes aufführt, sind schon ausgestorben. Seit den sechziger Jahren ist der Fledermausbestand kontinuierlich zurückgegangen. Die Ursachen dafür sind vielfaltig. In erster Linie sind hier Verluste von Sommer- und Winterquartieren und der Entzug der Nahrungsgrundlage durch die Veränderung der Landwirtschaft und der Landschaft zu nennen. Eventuelle geringfügige Klimaveränderungen und der sog. Elektrosmog spielen sicher auch eine wichtige Rolle. Wandel in den Ansichten über Lebensqualität und wachsendes Umweltbewußtsein führen allmählich zu positiven Veränderungen für alle Lebewesen und damit auch für die Fledermäuse (z.B. geringerer Insektizid- und Herbizideinsatz, Biotopschutz, Ackerrandstreifenprogramme u. ä.). Auch die letzten warmen Winter und trocken-heißen Sommer haben sich auf die Fledermausvermehrung günstig ausgewirkt. Um die Verbreitung der Arten und ihre Bestandsentwicklung verfolgen zu können, ist zeitaufwendige Feldarbeit nötig. Die hier getroffenen Aussagen sind sehr pauschal. Exaktere Erkenntnisse sind nicht vorhanden, da das Datenmaterial noch zu gering ist. Das liegt daran, daß man Kenntnisse über Sommerquartiere oft nur zufällig erhält und Bestandschwankungen in den Winterquartieren wenig aussagekräftig sind, da in den für den Menschen zugänglichen Quartieren immer nur ein Bruchteil der Individuen aus den Sommerquartieren zu finden ist. Allein die Vernichtung eines Winterquartiers kann zu Bestandserhöhungen in Nachbarquartieren führen, obwohl sich am tatsächlichen Bestand nichts verändert hat.

Die Winterquartiere werden regelmäßig sachgerecht kontrolliert. Dabei zeigen sich auch beeindruckende Erfolge von durchgeführten Schutzmaßnahmen. Als Beispiel mag die Hohlsteinhöhle im Nachbarkreis Lippe dienen. Sie wurde von 1969 bis zur Vergitterung des Eingangs fast alljährlich einmal im Winterhalbjahr von Dr. Henning VIERHAUS und mir auf winterschlafende Fledermäuse kontrolliert. Die Zahl der gefundenen Tiere schwankte in der Regel zwischen 10 und 20 Exemplaren. Die ständig frischen menschlichen Spuren deuteten auf einen regen „Höhlentourismus" hin. Störungen für die Fledermäuse waren damit an der Tagesordnung. In der Höhle kehrte eine dauerhafte Ruhe erst nach der Vergitterung ein. Zehn Jahre nach der Schließung nahmen wir am 4.3.1998 mit Genehmigung der Unteren Landschaftsbehörde und des zuständigen Forstbetriebsbeamten eine Kontrolluntersuchung vor, die alle unsere Erwartungen weit übertraf. Es wurden 111 Fledermäuse nachgewiesen. Sicher hätte sich die Zahl der überwinternden Tiere auch ohne Schutz etwas erhöht, da sich die Bestände aufgrund der guten klimatischen Bedingungen der letzten Jahre auch andernorts positiv entwickelt haben. In keinem westfälischen Winterquartier war die Steigerung auch nur annähernd so hoch. Als Beweis, daß sich hier besonders das Fehlen von jeglichen Störungen positiv bemerkbar gemacht hat, können auch die Hangplätze der Tiere dienen. Die Fledermäuse hängen jetzt zum großen Teil sehr niedrig, nämlich in Augenhöhe bis Zimmerhöhe und darunter frei an den Wänden. Das wäre früher in der sehr engen Höhle durch den ständigen Publikumsverkehr nicht möglich gewesen. Im Kreis Höxter sind in den letzten Jahren ebenfalls Schutzmaßnahmen für den Erhalt der Fledermauswinterquartiere getroffen worden z. B. durch Vergitterung oder Schaffung von Einflugmöglichkeiten in bisher verschlossene Quartiere. Daten über die Auswirkungen liegen noch nicht vor.

Im Sommer müssen Nistkästen untersucht und die Tiere bei der Jagd beobachtet werden. Da das wegen der Dunkelheit oft nicht möglich ist, kommt ein sog. Bat-detector zum Einsatz, der die Ultraschallaute der Fledermäuse hörbar macht und teilweise eine Bestimmung ermöglicht. Außerdem wird allen Hinweisen auf das Vorhandensein von Fledermäusen nachgegangen. Trotz allem steht die neuere Fledermausforschung im Kreis Höxter erst am Anfang, wie die vielen noch vorhandenen Lücken zeigen.

Im folgenden werden die FFH-Arten Art einzeln behandelt. Die angegebenen Maße und Kennzeichen sollen dem Leser eine erste Einordnung gefundener Tiere ermöglichen. Eine genaue Artbestimmung ist nur durch Verwendung der entsprechenden Fachliteratur möglich. Es wäre wünschenswert, wenn gefundene tote Tiere dem Autor zur Bestätigung der Bestimmung und zur Registratur überlassen würden. An Hinweisen auf Quartiere, Wochenstuben (Weibchenkolonien zur Jungenaufzucht) und sonstigen Fledermausbeobachtungen ist der Autor natürlich dringend interessiert.

Bechsteinfledermaus - Myotis bechsteini (Kuhl, 1817)

Kennzeichen:

Mittelgroße Art

Kopf-Rumpf: 45 - 55 mm

Unterarm: 39 - 47 mm

Spannweite: 250 - 286 mm

Ohr: 23 - 26 mm, auffallend lang und relativ breit

Rückenfell: fahlbraun bis rötlich braun, Fell relativ lang

Bauchfell: hellgrau

Vorkommen im Kreis Höxter:

Frühere Autoren (LANDOIS,1883; v.VIETINGHOFF,1951 und GOETHE,1955) bezeichnen die Bechsteinfledermaus als einzeln und selten vorkommend. Auch nach heutigem Erkenntnisstand kann man nicht von häufigem Vorkommen sprechen. Der Verbreitungsschwerpunkt dieser Art innerhalb Westfalens befindet sich eindeutig in Lippe. Das dürfte mit großer Sicherheit an den Landschaftsstrukturen (besonders im Osten des Truppenübungsplatzes Senne) liegen, die den Habitatansprüchen dieser Art sehr entgegen kommen. Da der Kreis Höxter ähnliche Strukturen aufweist, gelangen auch hier einige Nachweise im Saumertal nahe der Tonenburg, an den Brenkhäuser Teichen, in Bremerberg, im Scherfeder Wald und im Bielenbergstollen.

Lebensweise:

Als bevorzugte Lebensräume der Bechsteinfledermaus sind Auwaldbereiche, Bruchwälder, Waldränder an Bachläufen und Baumbestände in der Nähe stehender Gewässer anzusehen.

Da diese Strukturen gerade im Kreis Höxter noch gut vertreten sind, können noch weitere Vorkommen erwartet werden. Die einzigen bisher bekannten westfälischen Wochenstuben liegen alle in Lippe, und zwar im NSG Norder Teich und im Truppenübungsplatz Senne. Als baumbewohnende Art ist natürlich das Angebot an Natur- oder Nisthöhlen für die Besiedlung ebenfalls ein wichtiger Faktor.

In den Winterquartieren hängen die Tiere meist einzeln frei an der Wand und nur gelegentlich in Spalten in tieferen Höhlenbereichen.

Ihren Jagdflug beginnt die Bechsteinfledermaus erst nach Einbruch der Dunkelheit. Sie fliegt recht niedrig (l - 5 m) und jagt auch auf engstem Raum sehr geschickt.

Schutz:

Erhaltung von Auwaldresten und Bruchwaldbereichen sowie alter Bäume mit Höhlungen, Anbringen von Fledermauskästen und Erhalt der Winterquartiere.

Mausohr - Myotis myotis (Borkhausen, 1797)

Kennzeichen:

Größte einheimische Fledermausart

Kopf-Rumpf: 67 - 79 mm

Unterarm: 54 - 67 mm

Spannweite: 350 - 430 mm

Ohr: 26 - 31 mm

Rückenfell: hell graubraun, z.T. mit rostbraunem Anflug

Bauchfell: weißgrau

Vorkommen im Kreis Höxter:

Schon im subfossilen Knochenmaterial der Hohlsteinhöhle wurde die Art mit 19,9 % Anteil nachgewiesen. GOETHE, 1955 bezeichnet sie als die Art mit der höchsten Orts- und Flächendichte. Ob das noch zutrifft, darf zumindest bezweifelt werden, da lange Jahre ein kontinuierlicher Rückgang erfolgte, der erst in den letzten Jahren eine leichte Umkehrung aufweist. Durch die ländliche Strukturierung weiter Teile des Kreises Höxter dürfte die Art aber immer noch gut vertreten sein. Sommermassenquartiere werden manchmal durch Abriß oder Neueindeckung der Dächer vernichtet. Wochenstuben (größere Weibchenkolonien mit Jungtieren) befinden sich im Kreis Höxter bevorzugt auf den Dachböden von Schlössern, Klöstern, Gutshäusern, Rathäusern und nur vereinzelt in normalen Wohngebäuden.

In den Winterquartieren hängen einige Tiere jahrelang zentimetergenau an der selben Stelle. Der Überwinterungsplatz wird in der Regel je nach Witterung gegen Ende Oktober aufgesucht und erst Ende März bis Anfang April wieder verlassen.

Lebensweise:

Das Mausohr bevorzugt als Lebensraum offenes Gelände, lichte baumbestandene Parklandschaften, wo es nach Einbruch der Dunkelheit jagt. Der Jagdflug ist relativ langsam und spielt sich in Höhen zwischen 0 m und 10 m ab. Gelegentlich wird die Beute auch zu Fuß vom Boden aufgesammelt. Die Sommerquartiere sind an menschliche Siedlungen gebunden. Die Art bevorzugt hier großräumige Dachböden, in deren Firsten die Kolonien hängen. Bei kühler Witterung scharen sich die Tiere um die Kamine, während sie sich bei Wärme auf dem ganzen Dachboden verteilen. Durch die zahlreichen Schlösser, Güter und Kirchen gibt es im Kreis Höxter noch ein hinreichendes Angebot an Sommerquartieren.

Schutz:

Erhaltung der Sommerquartiere durch Einflugöffnungen (ca. 30 cm x 30 cm). Bei Neueindeckungen von Dächern Fledermausziegel (oder Lüftungsziegel ohne Gitter) als Einflug einbauen. Quartiere möglichst wenig stören. Keine toxischen Holzschutzmittel verwenden. Gezielter Schutz von Sommer- und Winterquartieren.

Teichfledermaus - Myotis dasycneme (Boie, 1825)

Kennzeichen:

Mittelgroße Art

Kopf-Rumpf : 57 - 67 mm

Unterarm: 43 - 49,2 mm

Spannweite: 200 - 300 mm

Ohr: 16 - 19 mm

Rückenfell: bräunlich oder fahl graubraun mit seidigem Glanz

Bauchfell: weißgrau, scharf von der Oberseite abgesetzt

Vorkommen im Kreis Höxter:

Neuere Funde aus dem Kreis Höxter liegen nur von winterschlafenden Tieren vor. Sie hingen meist gut versteckt in Spalten, seltener frei an der Wand oder der Decke.

Auch in den übrigen Teilen Westfalens existieren nur Winternachweise. Beringungen haben ergeben, daß es sich ausschließlich um Tiere handelt, die in Holland leben und unsere Region nur für den Winterschlaf aufsuchen.

Zumindest früher kam die Teichfledermaus auch vereinzelt im Sommer in Lippe vor. Das beweisen Tiere, die SCHACHT am 12.5.1888 vermutlich aus der Gegend von Veldrom und am 3.6.1888 aus Rotensiek bei Horn bekam. Deren richtige Bestimmung wurde damals von anerkannten Chiropterologen bestätigt (GOETHE, 1955). Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß doch noch oder schon wieder einzelne Sommerquartiere in unserer Gegend existieren; aber aktuelle Nachweise aus den Sommermonaten gibt es nicht.

Lebensweise:

Nach bisherigem Kenntnisstand handelt es sich bei der Teichfledermaus um eine Art, die gewässerreiche Gebiete mit Wäldern und Wiesen im Flachland besiedelt. Ihre Wochenstuben und Sommerquartiere befinden sich meist auf Dachböden oder Kirchtürmen, wo die Tiere in Gruppen an dunklen Stellen im Firstbereich hängen. Bei der Suche nach geeigneten Winterquartieren dringt sie aber auch in die Mittelgebirge vor.

Schutz:

Gezielter Schutz der Winterquartiere notwendig, Biotopschutz

Literatur

GOETHE, F. (1955): Die Säugetiere des Teutoburger Waldes und des Lipperlandes. - Abh. Landesmus. Naturk. Münster 17 (1/2): 5 -195

ROTE LISTE der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere, 2. Fassung (1986). -Schriftenreihe der LÖLF, Bd. 4: 142 – 145

SCHACHT, H. (1892): Die Raubsäugetiere des Teutoburger Waldes - Zoologischer Garten 1887 -1892

SCHRÖDER, F.-W. u. STEINBORN, G. (1992): Gefährdete Säugetiere in Lippe - Lippischer Heimatbund, Detmold

SCHRÖDER, F.-W. u. STEINBORN, G. (2001): Die lippischen Säugetiere - Lippischer Heimatbund, Detmold

STEINBORN, G. (1978): Die Kleinsäuger der Senne - ihre Verbreitung und ökologische Situation. -Berichte des Naturwissenschaftl. Vereins Bielefeld, Sonderheft: 195 – 215

STEINBORN, G. (1983): Erste faunistische Untersuchungen in den Höhlen der Paderborner Hochfläche und des Lipperlandes. - Karst und Höhle 1982/83: 171 – 174

STEINBORN, G. (1986): Gefährdete Säugetiere in Naturschutzgebieten des Kreises Lippe -Naturschutzgebiete in Lippe: 103 – 106

STEINBORN, G. (1992): Die Kleinsäuger des Truppenübungsplatzes Senne - Truppenübungsplatz Senne / Militär und Naturschutz : 89 - 96, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Truppenübungsplatzes Senne; Regierungspräsident Detmold, Oberfinanzdirektion Münster, Britische Rheinarmee

Anschrift des Autors:
Gerhard Steinborn, Bremerberg 26, 37696 Marienmünster

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