Die
FFH-Fledermausarten Bechsteinfledermaus, Mausohr und
Teichfledermaus
Gerhard
Steinborn
Einleitung
Die
einzelnen Fledermausarten weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Sie sind
nachtaktiv, feldzoologisch nur schwer zu unterscheiden, besitzen
große Ähnlichkeiten im Jahres- und Tagesrhythmus, im
Jagdverhalten und den Lebensraumansprüchen. Es bietet sich daher
an, zunächst allgemein von den Fledermäusen zu sprechen.
Alle
Fledermäuse werden in Westfalen in der Roten Liste der
gefährdeten Pflanzen und Tiere aufgeführt, d.h. sie sind
mindestens in ihrem Bestand gefährdet, wenn nicht gar vom
Aussterben bedroht. Einige Arten, die GOETHE (1955) in seinem Werk
über die Säugetiere des Teutoburger Waldes und des
Lipperlandes aufführt, sind schon ausgestorben. Seit den
sechziger Jahren ist der Fledermausbestand kontinuierlich
zurückgegangen. Die Ursachen dafür sind vielfaltig. In
erster Linie sind hier Verluste von Sommer- und Winterquartieren und
der Entzug der Nahrungsgrundlage durch die Veränderung der
Landwirtschaft und der Landschaft zu nennen. Eventuelle geringfügige
Klimaveränderungen und der sog. Elektrosmog spielen sicher auch
eine wichtige Rolle. Wandel in den Ansichten über Lebensqualität
und wachsendes Umweltbewußtsein führen allmählich zu
positiven Veränderungen für alle Lebewesen und damit auch
für die Fledermäuse (z.B. geringerer Insektizid- und
Herbizideinsatz, Biotopschutz, Ackerrandstreifenprogramme u. ä.).
Auch die letzten warmen Winter und trocken-heißen Sommer haben
sich auf die Fledermausvermehrung günstig ausgewirkt. Um die
Verbreitung der Arten und ihre Bestandsentwicklung verfolgen zu
können, ist zeitaufwendige Feldarbeit nötig. Die hier
getroffenen Aussagen sind sehr pauschal. Exaktere Erkenntnisse sind
nicht vorhanden, da das Datenmaterial noch zu gering ist. Das liegt
daran, daß man Kenntnisse über Sommerquartiere oft nur
zufällig erhält und Bestandschwankungen in den
Winterquartieren wenig aussagekräftig sind, da in den für
den Menschen zugänglichen Quartieren immer nur ein Bruchteil der
Individuen aus den Sommerquartieren zu finden ist. Allein die
Vernichtung eines Winterquartiers kann zu Bestandserhöhungen in
Nachbarquartieren führen, obwohl sich am tatsächlichen
Bestand nichts verändert hat.
Die
Winterquartiere werden regelmäßig sachgerecht
kontrolliert. Dabei zeigen sich auch beeindruckende Erfolge von
durchgeführten Schutzmaßnahmen. Als Beispiel mag die
Hohlsteinhöhle im Nachbarkreis Lippe dienen. Sie wurde von 1969
bis zur Vergitterung des Eingangs fast alljährlich einmal im
Winterhalbjahr von Dr. Henning VIERHAUS und mir auf winterschlafende
Fledermäuse kontrolliert. Die Zahl der gefundenen Tiere
schwankte in der Regel zwischen 10 und 20 Exemplaren. Die ständig
frischen menschlichen Spuren deuteten auf einen regen
„Höhlentourismus" hin. Störungen für die
Fledermäuse waren damit an der Tagesordnung. In der Höhle
kehrte eine dauerhafte Ruhe erst nach der Vergitterung ein. Zehn
Jahre nach der Schließung nahmen wir am 4.3.1998 mit
Genehmigung der Unteren Landschaftsbehörde und des zuständigen
Forstbetriebsbeamten eine Kontrolluntersuchung vor, die alle unsere
Erwartungen weit übertraf. Es wurden 111 Fledermäuse
nachgewiesen. Sicher hätte sich die Zahl der überwinternden
Tiere auch ohne Schutz etwas erhöht, da sich die Bestände
aufgrund der guten klimatischen Bedingungen der letzten Jahre auch
andernorts positiv entwickelt haben. In keinem westfälischen
Winterquartier war die Steigerung auch nur annähernd so hoch.
Als Beweis, daß sich hier besonders das Fehlen von jeglichen
Störungen positiv bemerkbar gemacht hat, können auch die
Hangplätze der Tiere dienen. Die Fledermäuse hängen
jetzt zum großen Teil sehr niedrig, nämlich in Augenhöhe
bis Zimmerhöhe und darunter frei an den Wänden. Das wäre
früher in der sehr engen Höhle durch den ständigen
Publikumsverkehr nicht möglich gewesen. Im Kreis Höxter
sind in den letzten Jahren ebenfalls Schutzmaßnahmen für
den Erhalt der Fledermauswinterquartiere getroffen worden z. B. durch
Vergitterung oder Schaffung von Einflugmöglichkeiten in bisher
verschlossene Quartiere. Daten über die Auswirkungen liegen noch
nicht vor.
Im Sommer
müssen Nistkästen untersucht und die Tiere bei der Jagd
beobachtet werden. Da das wegen der Dunkelheit oft nicht möglich
ist, kommt ein sog. Bat-detector zum Einsatz, der die Ultraschallaute
der Fledermäuse hörbar macht und teilweise eine Bestimmung
ermöglicht. Außerdem wird allen Hinweisen auf das
Vorhandensein von Fledermäusen nachgegangen. Trotz allem steht
die neuere Fledermausforschung im Kreis Höxter erst am Anfang,
wie die vielen noch vorhandenen Lücken zeigen.
Im
folgenden werden die FFH-Arten Art einzeln behandelt. Die angegebenen
Maße und Kennzeichen sollen dem Leser eine erste Einordnung
gefundener Tiere ermöglichen. Eine genaue Artbestimmung ist nur
durch Verwendung der entsprechenden Fachliteratur möglich. Es
wäre wünschenswert, wenn gefundene tote Tiere dem Autor zur
Bestätigung der Bestimmung und zur Registratur überlassen
würden. An Hinweisen auf Quartiere, Wochenstuben
(Weibchenkolonien zur Jungenaufzucht) und sonstigen
Fledermausbeobachtungen ist der Autor natürlich dringend
interessiert.
Bechsteinfledermaus - Myotis
bechsteini (Kuhl, 1817)
Kennzeichen:
Mittelgroße
Art
Kopf-Rumpf:
45 - 55 mm
Unterarm:
39 - 47 mm
Spannweite:
250 - 286 mm
Ohr: 23 -
26 mm, auffallend lang und relativ breit
Rückenfell:
fahlbraun bis rötlich braun, Fell relativ lang
Bauchfell:
hellgrau
Vorkommen
im Kreis Höxter:
Frühere
Autoren (LANDOIS,1883; v.VIETINGHOFF,1951 und GOETHE,1955) bezeichnen
die Bechsteinfledermaus als einzeln und selten vorkommend. Auch nach
heutigem Erkenntnisstand kann man nicht von häufigem Vorkommen
sprechen. Der Verbreitungsschwerpunkt dieser Art innerhalb Westfalens
befindet sich eindeutig in Lippe. Das dürfte mit großer
Sicherheit an den Landschaftsstrukturen (besonders im Osten des
Truppenübungsplatzes Senne) liegen, die den Habitatansprüchen
dieser Art sehr entgegen kommen. Da der Kreis Höxter ähnliche
Strukturen aufweist, gelangen auch hier einige Nachweise im Saumertal
nahe der Tonenburg, an den Brenkhäuser Teichen, in Bremerberg,
im Scherfeder Wald und im Bielenbergstollen.
Lebensweise:
Als
bevorzugte Lebensräume der Bechsteinfledermaus sind
Auwaldbereiche, Bruchwälder, Waldränder an Bachläufen
und Baumbestände in der Nähe stehender Gewässer
anzusehen.
Da diese
Strukturen gerade im Kreis Höxter noch gut vertreten sind,
können noch weitere Vorkommen erwartet werden. Die einzigen
bisher bekannten westfälischen Wochenstuben liegen alle in
Lippe, und zwar im NSG Norder Teich und im Truppenübungsplatz
Senne. Als baumbewohnende Art ist natürlich das Angebot an
Natur- oder Nisthöhlen für die Besiedlung ebenfalls ein
wichtiger Faktor.
In den
Winterquartieren hängen die Tiere meist einzeln frei an der Wand
und nur gelegentlich in Spalten in tieferen Höhlenbereichen.
Ihren
Jagdflug beginnt die Bechsteinfledermaus erst nach Einbruch der
Dunkelheit. Sie fliegt recht niedrig (l - 5 m) und jagt auch auf
engstem Raum sehr geschickt.
Schutz:
Erhaltung
von Auwaldresten und Bruchwaldbereichen sowie alter Bäume mit
Höhlungen, Anbringen von Fledermauskästen und Erhalt der
Winterquartiere.
Mausohr - Myotis myotis
(Borkhausen, 1797)
Kennzeichen:
Größte
einheimische Fledermausart
Kopf-Rumpf:
67 - 79 mm
Unterarm:
54 - 67 mm
Spannweite:
350 - 430 mm
Ohr: 26 -
31 mm
Rückenfell:
hell graubraun, z.T. mit rostbraunem Anflug
Bauchfell:
weißgrau
Vorkommen
im Kreis Höxter:
Schon im
subfossilen Knochenmaterial der Hohlsteinhöhle wurde die Art mit
19,9 % Anteil nachgewiesen. GOETHE, 1955 bezeichnet sie als die Art
mit der höchsten Orts- und Flächendichte. Ob das noch
zutrifft, darf zumindest bezweifelt werden, da lange Jahre ein
kontinuierlicher Rückgang erfolgte, der erst in den letzten
Jahren eine leichte Umkehrung aufweist. Durch die ländliche
Strukturierung weiter Teile des Kreises Höxter dürfte die
Art aber immer noch gut vertreten sein. Sommermassenquartiere werden
manchmal durch Abriß oder Neueindeckung der Dächer
vernichtet. Wochenstuben (größere Weibchenkolonien mit
Jungtieren) befinden sich im Kreis Höxter bevorzugt auf den
Dachböden von Schlössern, Klöstern, Gutshäusern,
Rathäusern und nur vereinzelt in normalen Wohngebäuden.
In den
Winterquartieren hängen einige Tiere jahrelang zentimetergenau
an der selben Stelle. Der Überwinterungsplatz wird in der Regel
je nach Witterung gegen Ende Oktober aufgesucht und erst Ende März
bis Anfang April wieder verlassen.
Lebensweise:
Das
Mausohr bevorzugt als Lebensraum offenes Gelände, lichte
baumbestandene Parklandschaften, wo es nach Einbruch der Dunkelheit
jagt. Der Jagdflug ist relativ langsam und spielt sich in Höhen
zwischen 0 m und 10 m ab. Gelegentlich wird die Beute auch zu Fuß
vom Boden aufgesammelt. Die Sommerquartiere sind an menschliche
Siedlungen gebunden. Die Art bevorzugt hier großräumige
Dachböden, in deren Firsten die Kolonien hängen. Bei kühler
Witterung scharen sich die Tiere um die Kamine, während sie sich
bei Wärme auf dem ganzen Dachboden verteilen. Durch die
zahlreichen Schlösser, Güter und Kirchen gibt es im Kreis
Höxter noch ein hinreichendes Angebot an Sommerquartieren.
Schutz:
Erhaltung
der Sommerquartiere durch Einflugöffnungen (ca. 30 cm x 30 cm).
Bei Neueindeckungen von Dächern Fledermausziegel (oder
Lüftungsziegel ohne Gitter) als Einflug einbauen. Quartiere
möglichst wenig stören. Keine toxischen Holzschutzmittel
verwenden. Gezielter Schutz von Sommer- und Winterquartieren.
Teichfledermaus - Myotis
dasycneme (Boie, 1825)
Kennzeichen:
Mittelgroße
Art
Kopf-Rumpf
: 57 - 67 mm
Unterarm:
43 - 49,2 mm
Spannweite:
200 - 300 mm
Ohr: 16 -
19 mm
Rückenfell:
bräunlich oder fahl graubraun mit seidigem Glanz
Bauchfell:
weißgrau, scharf von der Oberseite abgesetzt
Vorkommen
im Kreis Höxter:
Neuere
Funde aus dem Kreis Höxter liegen nur von winterschlafenden
Tieren vor. Sie hingen meist gut versteckt in Spalten, seltener frei
an der Wand oder der Decke.
Auch in
den übrigen Teilen Westfalens existieren nur Winternachweise.
Beringungen haben ergeben, daß es sich ausschließlich um
Tiere handelt, die in Holland leben und unsere Region nur für
den Winterschlaf aufsuchen.
Zumindest
früher kam die Teichfledermaus auch vereinzelt im Sommer in
Lippe vor. Das beweisen Tiere, die SCHACHT am 12.5.1888 vermutlich
aus der Gegend von Veldrom und am 3.6.1888 aus Rotensiek bei Horn
bekam. Deren richtige Bestimmung wurde damals von anerkannten
Chiropterologen bestätigt (GOETHE, 1955). Es kann natürlich
nicht ausgeschlossen werden, daß doch noch oder schon wieder
einzelne Sommerquartiere in unserer Gegend existieren; aber aktuelle
Nachweise aus den Sommermonaten gibt es nicht.
Lebensweise:
Nach
bisherigem Kenntnisstand handelt es sich bei der Teichfledermaus um
eine Art, die gewässerreiche Gebiete mit Wäldern und Wiesen
im Flachland besiedelt. Ihre Wochenstuben und Sommerquartiere
befinden sich meist auf Dachböden oder Kirchtürmen, wo die
Tiere in Gruppen an dunklen Stellen im Firstbereich hängen. Bei
der Suche nach geeigneten Winterquartieren dringt sie aber auch in
die Mittelgebirge vor.
Schutz:
Gezielter
Schutz der Winterquartiere notwendig, Biotopschutz
Literatur
GOETHE, F.
(1955): Die Säugetiere des Teutoburger Waldes und des
Lipperlandes. - Abh. Landesmus. Naturk. Münster 17 (1/2): 5 -195
ROTE LISTE
der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere, 2.
Fassung (1986). -Schriftenreihe der LÖLF, Bd. 4: 142 – 145
SCHACHT, H.
(1892): Die Raubsäugetiere des Teutoburger Waldes - Zoologischer
Garten 1887 -1892
SCHRÖDER,
F.-W. u. STEINBORN, G. (1992): Gefährdete Säugetiere in
Lippe - Lippischer Heimatbund, Detmold
SCHRÖDER,
F.-W. u. STEINBORN, G. (2001): Die lippischen Säugetiere -
Lippischer Heimatbund, Detmold
STEINBORN, G.
(1978): Die Kleinsäuger der Senne - ihre Verbreitung und
ökologische Situation. -Berichte des Naturwissenschaftl. Vereins
Bielefeld, Sonderheft: 195 – 215
STEINBORN, G.
(1983): Erste faunistische Untersuchungen in den Höhlen der
Paderborner Hochfläche und des Lipperlandes. - Karst und Höhle
1982/83: 171 – 174
STEINBORN, G.
(1986): Gefährdete Säugetiere in Naturschutzgebieten des
Kreises Lippe -Naturschutzgebiete in Lippe: 103 – 106
STEINBORN, G.
(1992): Die Kleinsäuger des Truppenübungsplatzes Senne -
Truppenübungsplatz Senne / Militär und Naturschutz : 89 -
96, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des
Truppenübungsplatzes Senne; Regierungspräsident Detmold,
Oberfinanzdirektion Münster, Britische Rheinarmee
Anschrift
des Autors:
Gerhard Steinborn, Bremerberg 26, 37696
Marienmünster
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