Vegetation
natürlicher Felsen und Felsköpfe sowie lückiger
Pionierrasen
Iris Simon und
Hans-Georg Wagner
Einleitung
Felsen
haben wegen ihrer besonderen landschaftsprägenden Bedeutung
schon früh die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen, und
eine Fülle geschichtsträchtiger und kultureller Zentren des
Menschen befinden sich bis heute an und um Felsen. Felsen sind aber
auch Extremstandorte und die hier lebenden Tiere und Pflanzen
vielfach hochangepaßte Spezialisten. Im Rahmen der Umsetzung
der FFH-Richtlinie ihrer Bedeutung als Lebensraum vieler seltener und
zum Teil bedrohter Arten Rechnung getragen.
Im
Folgenden werden neben typischen Farn- und Blütenpflanzen auch
einige Moose und Flechten vorgestellt. Da die meisten Moos- und
Flechtenarten keine deutschen Namen tragen, werden die botanischen
Namen verwendet.
Charakterisierung
Felslebensräume
setzen sich aus den mehr oder weniger senkrechten Stirnflächen
der Felsen, den durch Spalten gegliederten Felswänden,
den Felsköpfen mit einsetzender Bodenbildung und den
Schutthalden unterhalb der Felsen zusammen.
Alle vier
Bereiche sind Extremstandorte mit starken Temperaturschwankungen
sowie stark angespanntem Wasserhaushalt, und das um so mehr, je
stärker sie der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Hinzu kommen
mechanische Beanspruchungen durch Erosion und Hangrutschungen. Die
Standortbedingungen an Felsen variieren auf kleinstem Raum,
entsprechend werden diese von komplexen Vegetationsmosaiken
besiedelt. Bei südlicher Exposition sind jene wiederum in
wärmeliebende Magerrasen-, Gebüsch- und Waldgesellschaften
eingebettet. Diese Wärmeinseln sind der natürliche Wuchsort
vieler wärmeliebender Arten, die heute in Kulturbiotopen wie
Kalkmagerrasen (vgl. Beinlich, 27-38, in diesem Band) und Mauerfugen
verbreitet sind.
Felsen als
eine der wenigen natürlicherweise dauerhaft waldfreien
Lebensräume Mitteleuropas sind den Spezialisten unter den
Pflanzen vorbehalten. Ihre schüttere Vegetation weist einen
hohen Anteil an Moosen und Flechten auf, die, durch ihre Lebensform
bedingt, auch monatelange Trockenheit überdauern und problemlos
ohne oder mit minimalen Feinerdeauflagen auskommen können.
Stirnflächen
Die
Stirnflächen der Felsen sind ausschließlich den Flechten,
Moosen und Algen vorbehalten. Fels besiedelnde Flechten kommen als
Krusten auf der Gesteinsoberfläche vor (epilithische Flechten)
oder dringen sogar in die obersten Gesteinsschichten ein (
endolithische Flechten). Von vielen Arten der Gattung Verrucaria
beispielsweise sind deshalb nur die winzigen, halbkugelig aus dem
Stein ragenden „Sporenbehälter“ (Perithecien)
wahrnehmbar. Auffälliger sind die zumeist an windoffenen Stellen
siedelnden Nabelflechten (Umbilicaria) oder das namensgebende,
gelb-schwarze Muster der Landkartenflechten (Rhizocarpon).
Sowohl die Nabelflechten als auch die Landkartenflechten besiedeln
silikatische Felsen. Vorkommen der Nabelflechte (Umbilicaria
polyphylla) im Kreis Höxter gibt es beispielsweise an
kleineren Felsblöcken am Köterberg. Die Landkartenflechte
(Rhizocarpon geographicum) kommt ebenfalls hier vor,
und sie besiedelt auch die Stirnflächen
der Hannoverschen Klippen bei Bad Karlshafen.
Handelt
es sich um kalkhaltige Felsformationen, ist die eng auf dem
Untergrund aufliegende Flechte Lobothallia radiosa zu finden.
Die grauweißen, lappenartigen Lager der Flechte Dermatocarpon
miniatum wachsen entlang von Rissen
auf den Stirnflächen auch kleinerer Felsen, die in
Steilhanglagen aus dem mageren Grünland ragen. Derartige
Vorkommen gibt es u.a. im Kreis Paderborn an den Steilhängen der
Sauer bei Lichtenau-Iggenhausen.
Auch
einige Moose besiedeln den nackten Fels, wie beispielsweise die
Graukissenmoose der Gattung Grimmia. Ihr dichter,
kissenförmiger Polsterwuchs bietet ihnen optimalen
Verdunstungsschutz. Die langen Haarspitzen der Blätter, denen
sie ihren grauen Schimmer und ihren deutschen Namen verdanken, sind
in der Lage, Feuchtigkeit aus der Luft zu kämmen. Die
gern mit diesen Moosen zusammen wachsenden Krustenflechten der
Gattung Toninia, im Gebiet vor allem T. sedifolia und
selten einmal T. physaroides, haben auf ihrer Lageroberfläche
silbergraue Schüppchen, die die Verdunstung verringern. Feucht
hingegen werden diese durchscheinend, und dann wirkt das Lager dunkel
olivgrün. Ihr Verbreitungsschwerpunkt in der Region ist das
Diemeltal und die Felsen im Wesertal, und von den Stirnflächen
greifen sie oft auch auf die mehr oder weniger senkrechten Felswände
über.
Felsspalten und Felswände
In
Felsspalten gesellen sich zu den Niederen Pflanzen auch
Gefäßpflanzen. Speziell angepaßte Farne,
beispielsweise die Streifenfarne (Gattung Asplenium), bilden
hier oft sehr stabile Dauergesellschaften. Der Braune Streifenfarn
(Asplenium trichoimanes) und die Mauerraute (Asplenium
ruta-muraria), ursprünglich Arten der Kalkfelsspalten, haben
Mauerfugen als Sekundärlebensraum erobert und sind hier so weit
verbreitet, daß die Mauerraute sogar nach ihrem neuen
Lebensraum benannt wurde. Größte Raritäten im
Oberwesergebiet sind der Nördliche Streifenfarn (Asplenium
septentrionale) und der Schwarze Streifenfarn (Asplenium
adiantum-nigrum) in den
Sandsteinfelsen am Schloß Fürstenberg. Ein typisches Moos
der Felsspalten im Kalk ist das
Glockenhutmoos (Encalypta streptocarpa). In den
feinerdereichen Spalten der Klippen am Ziegenberg siedelt das
unauffällige, braunschuppige Lager der seltenen Flechte Lecidea
lurida. Sonnige Spalten ohne Erde bevorzugen die bereits
erwähnten Flechtenarten der Gattung Toninia. Die
reinweiße, mediterrane Toninia candida hat in den
Prinzessinenklippen am Räuschenberg ihren einzigen bekannten
Fundort in ganz Nordrhein-Westfalen. Bemerkenswert ist auch das
Vorkommen des Kissenmooses Grimmia orbicularis auf senkrechtem
Kalkfels der Heinsener Klippen. Die Art war im Raum Höxter schon
Konrad Beckhaus bekannt, ist heute aber sehr
selten geworden.
Senkrechte,
nord- oder ostexponierte, schattig-luftfeuchte
Sandsteinfelsen sind der Lebensraum der seltenen Haarflechten.
Racodium rupestre zeigt sich als leicht zu übersehendes
Büschel schwärzlicher Haare an den Externsteinen bei Horn
und in der Südegge
am Hirschstein zwischen Willebadessen und Kleinenberg. In den Spalten
und Höhleneingängen schattig-feuchter Silikatfelsen wächst
auch das Leuchtmoos (Schistostega pennata). Seinen
Namen verdankt es der besonderen Eigenschaft seines Vorkeimes, Teile
des einfallenden Lichtes zu bündeln und zu reflektieren. Die
hierdurch hervorgerufenen, merkwürdig grünlich schimmernden
Reflexionen wurden früher mitunter als Edelmetall-Erz
missdeutet.
Felsköpfe und Simse mit
beginnender Bodenbildung
Bei der
Vegetation der Felsköpfe handelt es sich um natürliche
Magerrasen, je nach Ausgangsgestein um Silikat- oder Kalkmagerrasen.
Die exponiertesten Bereiche sind oft reich an Sukkulenten, also
Pflanzen mit wasserspeichernden Pflanzenteilen. Auf Silikat finden
wir hier die Große Fetthenne (Sedum
telephium). Im Kalk ist der Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre)
die häufigste Sukkulente. Nur im Winterhalbjahr und nach
Regenfällen sind hier die im Sommer völlig eingetrockneten
Lager von Blaualgenflechten der Gattung Collema zu finden. Sie
quellen bei Regenwetter stark auf. Collema fuscovirens ist
eine in diesem Zustand leicht kenntliche, „glibberig“-bräunliche
Art mit starken Längsfurchen auf der Oberfläche.
Gesteinsschutthalden
Zu den
Gesteinsschutthalden zählen feinerdearmer Gesteinsschutt sowie
feinerde- und skelettreiche (stark steindurchsetzte) Fließerden
an Steilhängen. Die Vegetation variiert je nach Gesteinsart,
Exposition und Intensität der Hangrutschungen. In
Kalkschutthalden des Weserberglandes siedelt beispielsweise die
Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), die als
Schuttkriecher in der Lage ist, mit ihrem ausgedehnten Wurzelwerk das
Substrat festzulegen (Pott, 1995) und damit auch für
Magerrasenarten besiedelbar zu machen. Ebenfalls als Schuttstauer
fungiert im häufig benachbarten und ebenfalls durch
Hangrutschungen beeinflußten Orchideen-Buchenwald das Blaugras
(Sesleria varia). Am Ziegenberg findet sich in solchen
Situationen ferner das einzige Vorkommen des Bitteren Kreuzblümchens
(Polygala amara ssp. brachyptera) in
Nordrhein-Westfalen.
Verbreitung
Natürliche
Felsbildungen gibt es in Mitteleuropa außerhalb der Alpen vor
allem entlang der größeren Flüsse. Schwerpunkte sind
die Steilabfälle und Durchbruchstäler der fränkischen
und schwäbischen Alb. (Ssymank et al. 1998).
Im Kreis Höxter finden wir die größten
natürlichen Felsbildungen im Wesertal: die Hannoverschen Klippen
bei Bad Karlshafen und die Rabenklippen am Ziegenberg bei Höxter.
Darüber hinaus können Felsen durch Vulkanismus (z.B.
Desenberg), geologische Verwerfungen (Egge) und besonders harte
Gesteinsformationen im Wechsel mit weicheren Schichten entstehen.
Solche „Härtlinge“ können dann in geologischen
Zeiträumen durch fortschreitende Erosion herausmodelliert
werden, wie dies bei den Externsteinen bei Horn geschehen ist.
Nutzungsgeschichte
Natürliche
Felsen sind, wie der Name schon sagt, einer der wenigen auch heute
noch natürlichen und nicht nutzungsabhängigen Lebensräume
Mitteleuropas. Gestein ist allerdings zusammen mit Holz das älteste
Baumaterial der Menschheit. Je nach Gesteinsart, Eignung als
Baumaterial und Aufwand des Abbaus sind natürliche Felsen
deshalb potentiell durch Gesteinsabbau gefährdet. Andererseits
sind Steinbrüche zum Teil wichtige Sekundärlebensräume
für Felsarten und Arten der Magerrasen (vgl.:
Beinlich, 27-38,
in diesem Band). Steinbrüche gibt es sowohl in den Hannoverschen
Klippen als auch in der Egge und den Muschelkalksteilhängen um
Höxter.
Bedeutung für den
Naturschutz und das europäische Naturerbe
Natürlichen
Felsen kommt aus Sicht des Biotop- und Artenschutzes eine hohe
Bedeutung zu. Felslebensräume sind einige der wenigen vom
Menschen nahezu unbeinflussten Reste der Naturlandschaft
Mitteleuropas. Diese in NRW seltenen Biotoptypen bieten einer
Vielzahl von z.T. hochgradig gefährdeten Tier- und Pflanzenarten
Lebensraum. Hierzu gehören u.a. wärmeliebende Schnecken-
und Nachtfalterarten. Felsbrütende Vögel wie der Uhu, der
Wander- und Turmfalke finden hier natürliche Brutstätten
und Rückzugsbereiche. Felsformationen mit tiefen Spalten und
Höhlen sind wichtige Quartiere für Fledermäuse. Je
nach Eignung handelt es sich um kurzfristige Sommerquartiere,
Wochenstuben oder Überwinterungsquartiere (vgl.
Steinborn, in
diesem Band).
Einigen
Felslebensräumen kommt darüber hinaus eine besondere
Bedeutung durch ihre biogeographische Sonderstellung zu. Ein
herausragendes Beispiel hierfür ist im Kreis Höxter der
Ziegenberg. Arten wie die Berg-Kronwicke (Coronilla coronanta)
und der Bergfenchel (Seseli libanotis) sowie die äußerst
seltene Bartlings-Sommerwurz (Orobanche bartlingii), die auf
Seseli libanotis schmarotzt, erreichen hier die Nordwestgrenze
ihrer Verbreitung. Ihre Vorkommen sind von landesweiter Bedeutung für
den Artenschutz.
Kurzcharakteristik der
FFH-Lebensräume (Ssymank et al. 1998)
Kalk-
und Kalkschieferschutthalden der hochmontanen bis nivalen Stufe
(NATURA 2000-Code 8120), Kalk-, Mergel- und
Kalkschiefer-Schutthalden der hochmontanen bis alpinen (nivalen)
Stufe mit überwiegend Vegetation der Verbände Thlaspion
rotundifolii, Drabion hoppeanae und Petasition paradoxi in
Deutschland nur in den Alpen
Silikatschutthalden
der kollinen bis montanen Stufe (NATURA 2000-Code 8150),
natürliche und naturnahe Silikatschutthalden der kollinen bis
montanen Stufe, z.T. an trocken-warmen Standorten, mit
Galeopsietalia-segetum-Gesellschaften, in allen silikatischen
Mittelgebirgen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur im
Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation
ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende
Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Die meisten typischen Arten
kommen hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.
Kalkschutthalden
der kollinen bis montanen Stufe (NATURA 2000-Code 8160),
natürliche und naturnahe Kalk- und Mergelschutthalden der
kollinen bis montanen Stufe, oft an trocken-warmen Standorten, mit
Stipetalia calamagrostis-Gesellschaften, in allen kalkgeprägten
Mittelgebirgen und den Kalkalpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen
mit Vorkommen in Süderbergland, Eifel und Weserbergland. Im
Kreis Höxter sind Kalkschutthalden besonders entlang der
Wesersteilhänge aus Muschelkalk ausgeprägt. Auch hier
fehlen einige südlich verbreitete Arten.
Natürliche
und naturnahe Kalkfelsen und ihre Felsspaltvegetation (NATURA
2000-Code 8210), trockene bis frische Kalkfelsen und Kalksteilwände
mit ihrer Felsspaltenvegetation (Potentilletalia caulescentis) in
allen Höhenstufen, in allen kalkgeprägten Mittelgebirgen
und den Kalkalpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen mit Vorkommen
in Süderbergland, Eifel und Weserbergland. Im Kreis Höxter
sind Kalkfelsen besonders entlang der Wesersteilhänge aus
Muschelkalk ausgeprägt. Auch hier fehlen einige südlich
verbreitete Arten.
Silikatfelsen
und ihre Felsspaltenvegetation (NATURA 2000-Code 8220),
Silikatfelsen mit ihrer Felsspaltenvegetation (Androsacetalia
vandellii) in allen Höhenstufen, in allen silikatischen
Mittelgebirgen und den Alpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur
im Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation
ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende
Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Die meisten typischen Arten
kommen hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.
Silikatfelsenkuppen
mit ihrer Pioniervegetation (NATURA 2000-Code 8230),
Silikatfelskuppen mit ihrer Pioniervegetation auf flachgründigen
Felsstandorten und Felsgrus (Sedo-Scleranthion, Sedo albi-Veronicion
dillenii) in allen Höhenstufen. in allen silikatischen
Mittelgebirgen und den Alpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur
im Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation
ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende
Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Viele typische Arten kommen
hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.
Gefährdung
Die an
natürlichen Felsen vorkommenden Pflanzengesellschaften sind in
der Roten Liste der Pflanzengesellschaften Nordrhein-Westfalens
durchweg als „von Natur aus selten“ bis „gefährdet“
eingestuft (Verbücheln et al. 1998). Dies hängt unmittelbar
damit zusammen, daß Felsen in den Mittelgebirgen kleinflächige
und isolierte Vorkommen haben. Die natürlicherweise kleinen
Populationen der Felsspezialisten bilden stabile Dauergesellschaften,
sind bei Beeinträchtigung „ihres“ Felsens allerdings
sehr schnell von völliger Auslöschung bedroht, da sie meist
wenig Möglichkeit haben auszuweichen. Dies trifft insbesondere
zu, wenn Felsen innerhalb von Wäldern liegen und nicht von
Offenlandbiotopen umgeben sind. Dort, wo kleine und größere
Felsformationen eingebettet in Magerrasen vorkommen, können
selbst Felsen mit wenigen Dezimetern Größe wärmeliebenden
Felsarten Lebensraum bieten. Vielerorts hat jedoch die Aufgabe der
Weidenutzung von Steilhängen dazu geführt, daß die in
den Steilhängen eingebetteten kleinen Felsen völlig
beschattet im Wald liegen und nun wärme- und lichtbedürftigen
Felsarten keinen Lebensraum mehr bieten. Waldfrei sind heute oft nur
noch die großen Felswände (Witschel 1998). Auch die heute
bewaldeten Weserhänge bei Höxter waren früher
großenteils beweidet, nicht von ungefähr hat der
„Ziegen“-Berg seinen Namen.
Eine
unmittelbare Gefährdung von Felslebensräumen geht vom
Gesteinsabbau aus (s.o.). Punktuell kommt es zu einer Gefährdung
durch Kletterer und Wanderer. Beide Nutzungen sollten für Felsen
mit gut ausgeprägter Felsvegetation, Fledermausquartieren und
felsbrütenden Vögeln ausgeschlossen werden.
Langfristig
ebenso gefährlich sind schleichende Veränderungen in der
unmittelbaren Umgebung der Felsen, beispielsweise durch Änderung
der Lichtverhältnisse und Eintrag von Bestandesabfall wie
Nadelstreu oder Restholz aus Durchforstungen. Hiervon sind Felsen
natürlich um so stärker betroffen, je geringer ihre Höhe
und Ausdehnung ist. Ein Vorkommen des Frauenschuhs (Cypripedium
calceolus) in den Wesersteilhängen bei Würgassen wurde
beispielsweise auf diese Weise kürzlich fast vollständig
vernichtet.
Die Natürlichen Felsen
des europaweiten Schutzgebietsystems NATURA 2000 im Kreis Höxter
Von den
FFH-Gebieten des Kreises Höxter sind folgende Gebiete (zum Teil)
auf Grund ihrer Felslebensräume in das europaweite
Schutzgebietssystem NATURA 2000 aufgenommen worden:
Buchenwälder der Weserhänge
Das
FFH-Gebiet „Buchenwälder der Weserhänge“ umfaßt
die bewaldeten Muschelkalksteilhänge westlich des Wesertals
zwischen Godelheim im Süden und Stahle im Norden. Herausragender
Bestandteil des Gebiets sind die Rabenklippen am Ziegenberg bei
Höxter. Daneben treten an den flachgründigen Steilhängen
immer wieder Felsen zu Tage. Hervorzuheben sind beispielsweise die
Prinzessinnen-Klippen zwischen Höxter und Stahle. Die
Kalk-Buchenwälder um Höxter gelten in ihrer besonders
artenreichen Ausprägung als einmalig, weit über den
Naturraum hinaus. Dies ist nicht zuletzt in der engen Verzahnung mit
wärmebegünstigten Biotopen wie den Rabenklippen begründet.
Wie bereits oben erwähnt erreichen die Berg-Kronwicke und der
Bergfenchel hier die Nordwestgrenzen ihrer Verbreitung. Der Roßkümmel
(Laser trilobum) hat hier ein Schwerpunktvorkommen in
Deutschland.
Hannoversche Klippen bei Bad
Karlshafen
Die
mächtigen Sandsteintürme der Hannoverschen Klippen sind ein
Wahrzeichen des Oberwesertales bei Bad Karlshafen. Die Schutthalden
zu ihren Füßen werden überwiegend von Pioniergehölzen
u.a. aus Rosen und Salweide eingenommen. Die lianenartige Waldrebe
(Clematis vitalba) erscheint hier wegen der Nähe zur
Weser und der damit verbundenen hohen Luftfeuchte besonders vital. An
sonnigen, vegetationsarmen Stellen dazwischen fällt der Steife
Schöterich (Erysimum hieraciifolium) im späten
Frühjahr ins Auge. Die über 70m hohen, senkrechten
Felswände sind unzugänglich und werden überwiegend von
Krustenflechten bedeckt. Vermutlich ist hier die seltene, weißblaue
Krustenflechte Porpidia albocaerulescens verbreitet, die
kürzlich wenig oberhalb der Klippen erstmals für
Niedersachen nachgewiesen werden konnte (Bartsch &
Wagner in
Vorb.). Nur auf einigen wenigen, kleineren Felsvorsprüngen
siedeln höhere Pflanzen. Der Färber-Ginster (Genista
tinctoria) fällt zur Blütezeit schon von weitem ins
Auge. Vereinzelt haben sich auch Weißdornsträucher in den
Fels gekrallt. Zwischen den sieben Felstürmen siedelt in steilen
Hangrutschungen ein lichter Eichenwald. Seine Krautschicht wird von
Farnen dominiert (s.o.). Auf den teilweise zugänglichen
Felsköpfen fallen unter anderem Laubflechten wie Parmelia
conspersa besonders auf. Typische Moose der Felsköpfe sind
das Haartragende Frauenhaarmoos (Polytrichum piliferum) und
die Zackenmützenmoose wie das Wollhaarige Zackenmützenmoos
(Racomitrium aciculare). Beide Moose ertragen zeitweilig
völliges Austrocknen und können mit ihren Haaren feinste
Nebeltropfen aus der Luft kämmen.
Literatur
Bartsch, L. &
Wagner, H.-G. (2003): Porpidia albocaerulescens (Wulfen)
Hertel & Knoph neu für Niedersachsen. – in Vorb.
Ellenberg, H.
(1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer,
dynamischer und historischer Sicht. – 5., stark veränderte
und verb. Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).
Pott, R.
(1995): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. –2., überarb.
und stark erweiterte Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).
Ssymank, A.,
Haucke, U.,
Rückriem, C. & E.
Schröder unter Mitarbeit
von Messer, D. (1998): Das europäische Schutzgebietssystem
NATURA 2000: BfN-Handbuch zur Umsetzung der
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. –
Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 53: 565 S.
Verbücheln,
G. et al. (1998): Rote Liste der Pflanzengesellschaften in
Nordrhein-Westfalen (LÖBF/ LAFAO)[Hrsg.]- CD zur LÖBF
Schriftenreihe 5, erweiterte u. überarbeitete Aufl.
Recklinghausen.
Witschel, M.
(1998): Gefährdung der Felsflora – Ursachen,
Handlungsbedarf und Ergebnisse aus der Naturschutzpraxis. –
Schr.-R. f. Vegetationskunde 29: 251-260, BfN, Bonn-Bad Godesberg.
Anschriften
der Autoren:
Iris Simon, Herkestr. 6, 33014 Bad
Driburg Hans-Georg Wagner, Schlesische Str. 52, 37671 Höxter
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