Vegetation natürlicher Felsen und Felsköpfe sowie lückiger Pionierrasen

Iris Simon und Hans-Georg Wagner

EGGE-WESER Band 15 Seiten 43-48 2002

 

Vegetation natürlicher Felsen und Felsköpfe
sowie lückiger Pionierrasen

Iris Simon und Hans-Georg Wagner

Einleitung

Felsen haben wegen ihrer besonderen landschaftsprägenden Bedeutung schon früh die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen, und eine Fülle geschichtsträchtiger und kultureller Zentren des Menschen befinden sich bis heute an und um Felsen. Felsen sind aber auch Extremstandorte und die hier lebenden Tiere und Pflanzen vielfach hochangepaßte Spezialisten. Im Rahmen der Umsetzung der FFH-Richtlinie ihrer Bedeutung als Lebensraum vieler seltener und zum Teil bedrohter Arten Rechnung getragen.

Im Folgenden werden neben typischen Farn- und Blütenpflanzen auch einige Moose und Flechten vorgestellt. Da die meisten Moos- und Flechtenarten keine deutschen Namen tragen, werden die botanischen Namen verwendet.

Charakterisierung

Felslebensräume setzen sich aus den mehr oder weniger senkrechten Stirnflächen der Felsen, den durch Spalten gegliederten Felswänden, den Felsköpfen mit einsetzender Bodenbildung und den Schutthalden unterhalb der Felsen zusammen.

Alle vier Bereiche sind Extremstandorte mit starken Temperaturschwankungen sowie stark angespanntem Wasserhaushalt, und das um so mehr, je stärker sie der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Hinzu kommen mechanische Beanspruchungen durch Erosion und Hangrutschungen. Die Standortbedingungen an Felsen variieren auf kleinstem Raum, entsprechend werden diese von komplexen Vegetationsmosaiken besiedelt. Bei südlicher Exposition sind jene wiederum in wärmeliebende Magerrasen-, Gebüsch- und Waldgesellschaften eingebettet. Diese Wärmeinseln sind der natürliche Wuchsort vieler wärmeliebender Arten, die heute in Kulturbiotopen wie Kalkmagerrasen (vgl. Beinlich, 27-38, in diesem Band) und Mauerfugen verbreitet sind.

Felsen als eine der wenigen natürlicherweise dauerhaft waldfreien Lebensräume Mitteleuropas sind den Spezialisten unter den Pflanzen vorbehalten. Ihre schüttere Vegetation weist einen hohen Anteil an Moosen und Flechten auf, die, durch ihre Lebensform bedingt, auch monatelange Trockenheit überdauern und problemlos ohne oder mit minimalen Feinerdeauflagen auskommen können.

Stirnflächen

Die Stirnflächen der Felsen sind ausschließlich den Flechten, Moosen und Algen vorbehalten. Fels besiedelnde Flechten kommen als Krusten auf der Gesteinsoberfläche vor (epilithische Flechten) oder dringen sogar in die obersten Gesteinsschichten ein ( endolithische Flechten). Von vielen Arten der Gattung Verrucaria beispielsweise sind deshalb nur die winzigen, halbkugelig aus dem Stein ragenden „Sporenbehälter“ (Perithecien) wahrnehmbar. Auffälliger sind die zumeist an windoffenen Stellen siedelnden Nabelflechten (Umbilicaria) oder das namensgebende, gelb-schwarze Muster der Landkartenflechten (Rhizocarpon). Sowohl die Nabelflechten als auch die Landkartenflechten besiedeln silikatische Felsen. Vorkommen der Nabelflechte (Umbilicaria polyphylla) im Kreis Höxter gibt es beispielsweise an kleineren Felsblöcken am Köterberg. Die Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum) kommt ebenfalls hier vor, und sie besiedelt auch die Stirnflächen der Hannoverschen Klippen bei Bad Karlshafen.

Handelt es sich um kalkhaltige Felsformationen, ist die eng auf dem Untergrund aufliegende Flechte Lobothallia radiosa zu finden. Die grauweißen, lappenartigen Lager der Flechte Dermatocarpon miniatum wachsen entlang von Rissen auf den Stirnflächen auch kleinerer Felsen, die in Steilhanglagen aus dem mageren Grünland ragen. Derartige Vorkommen gibt es u.a. im Kreis Paderborn an den Steilhängen der Sauer bei Lichtenau-Iggenhausen.

Auch einige Moose besiedeln den nackten Fels, wie beispielsweise die Graukissenmoose der Gattung Grimmia. Ihr dichter, kissenförmiger Polsterwuchs bietet ihnen optimalen Verdunstungsschutz. Die langen Haarspitzen der Blätter, denen sie ihren grauen Schimmer und ihren deutschen Namen verdanken, sind in der Lage, Feuchtigkeit aus der Luft zu kämmen. Die gern mit diesen Moosen zusammen wachsenden Krustenflechten der Gattung Toninia, im Gebiet vor allem T. sedifolia und selten einmal T. physaroides, haben auf ihrer Lageroberfläche silbergraue Schüppchen, die die Verdunstung verringern. Feucht hingegen werden diese durchscheinend, und dann wirkt das Lager dunkel olivgrün. Ihr Verbreitungsschwerpunkt in der Region ist das Diemeltal und die Felsen im Wesertal, und von den Stirnflächen greifen sie oft auch auf die mehr oder weniger senkrechten Felswände über.

Felsspalten und Felswände

In Felsspalten gesellen sich zu den Niederen Pflanzen auch Gefäßpflanzen. Speziell angepaßte Farne, beispielsweise die Streifenfarne (Gattung Asplenium), bilden hier oft sehr stabile Dauergesellschaften. Der Braune Streifenfarn (Asplenium trichoimanes) und die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria), ursprünglich Arten der Kalkfelsspalten, haben Mauerfugen als Sekundärlebensraum erobert und sind hier so weit verbreitet, daß die Mauerraute sogar nach ihrem neuen Lebensraum benannt wurde. Größte Raritäten im Oberwesergebiet sind der Nördliche Streifenfarn (Asplenium septentrionale) und der Schwarze Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum) in den Sandsteinfelsen am Schloß Fürstenberg. Ein typisches Moos der Felsspalten im Kalk ist das Glockenhutmoos (Encalypta streptocarpa). In den feinerdereichen Spalten der Klippen am Ziegenberg siedelt das unauffällige, braunschuppige Lager der seltenen Flechte Lecidea lurida. Sonnige Spalten ohne Erde bevorzugen die bereits erwähnten Flechtenarten der Gattung Toninia. Die reinweiße, mediterrane Toninia candida hat in den Prinzessinenklippen am Räuschenberg ihren einzigen bekannten Fundort in ganz Nordrhein-Westfalen. Bemerkenswert ist auch das Vorkommen des Kissenmooses Grimmia orbicularis auf senkrechtem Kalkfels der Heinsener Klippen. Die Art war im Raum Höxter schon Konrad Beckhaus bekannt, ist heute aber sehr selten geworden.

Senkrechte, nord- oder ostexponierte, schattig-luftfeuchte Sandsteinfelsen sind der Lebensraum der seltenen Haarflechten. Racodium rupestre zeigt sich als leicht zu übersehendes Büschel schwärzlicher Haare an den Externsteinen bei Horn und in der Südegge am Hirschstein zwischen Willebadessen und Kleinenberg. In den Spalten und Höhleneingängen schattig-feuchter Silikatfelsen wächst auch das Leuchtmoos (Schistostega pennata). Seinen Namen verdankt es der besonderen Eigenschaft seines Vorkeimes, Teile des einfallenden Lichtes zu bündeln und zu reflektieren. Die hierdurch hervorgerufenen, merkwürdig grünlich schimmernden Reflexionen wurden früher mitunter als Edelmetall-Erz missdeutet.

Felsköpfe und Simse mit beginnender Bodenbildung

Bei der Vegetation der Felsköpfe handelt es sich um natürliche Magerrasen, je nach Ausgangsgestein um Silikat- oder Kalkmagerrasen. Die exponiertesten Bereiche sind oft reich an Sukkulenten, also Pflanzen mit wasserspeichernden Pflanzenteilen. Auf Silikat finden wir hier die Große Fetthenne (Sedum telephium). Im Kalk ist der Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre) die häufigste Sukkulente. Nur im Winterhalbjahr und nach Regenfällen sind hier die im Sommer völlig eingetrockneten Lager von Blaualgenflechten der Gattung Collema zu finden. Sie quellen bei Regenwetter stark auf. Collema fuscovirens ist eine in diesem Zustand leicht kenntliche, „glibberig“-bräunliche Art mit starken Längsfurchen auf der Oberfläche.

Gesteinsschutthalden

Zu den Gesteinsschutthalden zählen feinerdearmer Gesteinsschutt sowie feinerde- und skelettreiche (stark steindurchsetzte) Fließerden an Steilhängen. Die Vegetation variiert je nach Gesteinsart, Exposition und Intensität der Hangrutschungen. In Kalkschutthalden des Weserberglandes siedelt beispielsweise die Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), die als Schuttkriecher in der Lage ist, mit ihrem ausgedehnten Wurzelwerk das Substrat festzulegen (Pott, 1995) und damit auch für Magerrasenarten besiedelbar zu machen. Ebenfalls als Schuttstauer fungiert im häufig benachbarten und ebenfalls durch Hangrutschungen beeinflußten Orchideen-Buchenwald das Blaugras (Sesleria varia). Am Ziegenberg findet sich in solchen Situationen ferner das einzige Vorkommen des Bitteren Kreuzblümchens (Polygala amara ssp. brachyptera) in Nordrhein-Westfalen.

Verbreitung

Natürliche Felsbildungen gibt es in Mitteleuropa außerhalb der Alpen vor allem entlang der größeren Flüsse. Schwerpunkte sind die Steilabfälle und Durchbruchstäler der fränkischen und schwäbischen Alb. (Ssymank et al. 1998). Im Kreis Höxter finden wir die größten natürlichen Felsbildungen im Wesertal: die Hannoverschen Klippen bei Bad Karlshafen und die Rabenklippen am Ziegenberg bei Höxter. Darüber hinaus können Felsen durch Vulkanismus (z.B. Desenberg), geologische Verwerfungen (Egge) und besonders harte Gesteinsformationen im Wechsel mit weicheren Schichten entstehen. Solche „Härtlinge“ können dann in geologischen Zeiträumen durch fortschreitende Erosion herausmodelliert werden, wie dies bei den Externsteinen bei Horn geschehen ist.

Nutzungsgeschichte

Natürliche Felsen sind, wie der Name schon sagt, einer der wenigen auch heute noch natürlichen und nicht nutzungsabhängigen Lebensräume Mitteleuropas. Gestein ist allerdings zusammen mit Holz das älteste Baumaterial der Menschheit. Je nach Gesteinsart, Eignung als Baumaterial und Aufwand des Abbaus sind natürliche Felsen deshalb potentiell durch Gesteinsabbau gefährdet. Andererseits sind Steinbrüche zum Teil wichtige Sekundärlebensräume für Felsarten und Arten der Magerrasen (vgl.: Beinlich, 27-38, in diesem Band). Steinbrüche gibt es sowohl in den Hannoverschen Klippen als auch in der Egge und den Muschelkalksteilhängen um Höxter.

Bedeutung für den Naturschutz und das europäische Naturerbe

Natürlichen Felsen kommt aus Sicht des Biotop- und Artenschutzes eine hohe Bedeutung zu. Felslebensräume sind einige der wenigen vom Menschen nahezu unbeinflussten Reste der Naturlandschaft Mitteleuropas. Diese in NRW seltenen Biotoptypen bieten einer Vielzahl von z.T. hochgradig gefährdeten Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Hierzu gehören u.a. wärmeliebende Schnecken- und Nachtfalterarten. Felsbrütende Vögel wie der Uhu, der Wander- und Turmfalke finden hier natürliche Brutstätten und Rückzugsbereiche. Felsformationen mit tiefen Spalten und Höhlen sind wichtige Quartiere für Fledermäuse. Je nach Eignung handelt es sich um kurzfristige Sommerquartiere, Wochenstuben oder Überwinterungsquartiere (vgl. Steinborn, in diesem Band).

Einigen Felslebensräumen kommt darüber hinaus eine besondere Bedeutung durch ihre biogeographische Sonderstellung zu. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist im Kreis Höxter der Ziegenberg. Arten wie die Berg-Kronwicke (Coronilla coronanta) und der Bergfenchel (Seseli libanotis) sowie die äußerst seltene Bartlings-Sommerwurz (Orobanche bartlingii), die auf Seseli libanotis schmarotzt, erreichen hier die Nordwestgrenze ihrer Verbreitung. Ihre Vorkommen sind von landesweiter Bedeutung für den Artenschutz.

Kurzcharakteristik der FFH-Lebensräume (Ssymank et al. 1998)

  • Kalk- und Kalkschieferschutthalden der hochmontanen bis nivalen Stufe (NATURA 2000-Code 8120), Kalk-, Mergel- und Kalkschiefer-Schutthalden der hochmontanen bis alpinen (nivalen) Stufe mit überwiegend Vegetation der Verbände Thlaspion rotundifolii, Drabion hoppeanae und Petasition paradoxi in Deutschland nur in den Alpen

  • Silikatschutthalden der kollinen bis montanen Stufe (NATURA 2000-Code 8150), natürliche und naturnahe Silikatschutthalden der kollinen bis montanen Stufe, z.T. an trocken-warmen Standorten, mit Galeopsietalia-segetum-Gesellschaften, in allen silikatischen Mittelgebirgen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur im Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Die meisten typischen Arten kommen hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.

  • Kalkschutthalden der kollinen bis montanen Stufe (NATURA 2000-Code 8160), natürliche und naturnahe Kalk- und Mergelschutthalden der kollinen bis montanen Stufe, oft an trocken-warmen Standorten, mit Stipetalia calamagrostis-Gesellschaften, in allen kalkgeprägten Mittelgebirgen und den Kalkalpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen mit Vorkommen in Süderbergland, Eifel und Weserbergland. Im Kreis Höxter sind Kalkschutthalden besonders entlang der Wesersteilhänge aus Muschelkalk ausgeprägt. Auch hier fehlen einige südlich verbreitete Arten.

  • Natürliche und naturnahe Kalkfelsen und ihre Felsspaltvegetation (NATURA 2000-Code 8210), trockene bis frische Kalkfelsen und Kalksteilwände mit ihrer Felsspaltenvegetation (Potentilletalia caulescentis) in allen Höhenstufen, in allen kalkgeprägten Mittelgebirgen und den Kalkalpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen mit Vorkommen in Süderbergland, Eifel und Weserbergland. Im Kreis Höxter sind Kalkfelsen besonders entlang der Wesersteilhänge aus Muschelkalk ausgeprägt. Auch hier fehlen einige südlich verbreitete Arten.

  • Silikatfelsen und ihre Felsspaltenvegetation (NATURA 2000-Code 8220), Silikatfelsen mit ihrer Felsspaltenvegetation (Androsacetalia vandellii) in allen Höhenstufen, in allen silikatischen Mittelgebirgen und den Alpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur im Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Die meisten typischen Arten kommen hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.

  • Silikatfelsenkuppen mit ihrer Pioniervegetation (NATURA 2000-Code 8230), Silikatfelskuppen mit ihrer Pioniervegetation auf flachgründigen Felsstandorten und Felsgrus (Sedo-Scleranthion, Sedo albi-Veronicion dillenii) in allen Höhenstufen. in allen silikatischen Mittelgebirgen und den Alpen vorkommend, in Nordrhein-Westfalen nur im Süderbergland und in der Eifel mit typischer Vegetation ausgeprägt. Im Kreis Höxter gibt es entsprechende Strukturen an den Hannoverschen Klippen. Viele typische Arten kommen hier jedoch aus Arealgründen nicht mehr vor.

Gefährdung

Die an natürlichen Felsen vorkommenden Pflanzengesellschaften sind in der Roten Liste der Pflanzengesellschaften Nordrhein-Westfalens durchweg als „von Natur aus selten“ bis „gefährdet“ eingestuft (Verbücheln et al. 1998). Dies hängt unmittelbar damit zusammen, daß Felsen in den Mittelgebirgen kleinflächige und isolierte Vorkommen haben. Die natürlicherweise kleinen Populationen der Felsspezialisten bilden stabile Dauergesellschaften, sind bei Beeinträchtigung „ihres“ Felsens allerdings sehr schnell von völliger Auslöschung bedroht, da sie meist wenig Möglichkeit haben auszuweichen. Dies trifft insbesondere zu, wenn Felsen innerhalb von Wäldern liegen und nicht von Offenlandbiotopen umgeben sind. Dort, wo kleine und größere Felsformationen eingebettet in Magerrasen vorkommen, können selbst Felsen mit wenigen Dezimetern Größe wärmeliebenden Felsarten Lebensraum bieten. Vielerorts hat jedoch die Aufgabe der Weidenutzung von Steilhängen dazu geführt, daß die in den Steilhängen eingebetteten kleinen Felsen völlig beschattet im Wald liegen und nun wärme- und lichtbedürftigen Felsarten keinen Lebensraum mehr bieten. Waldfrei sind heute oft nur noch die großen Felswände (Witschel 1998). Auch die heute bewaldeten Weserhänge bei Höxter waren früher großenteils beweidet, nicht von ungefähr hat der „Ziegen“-Berg seinen Namen.

Eine unmittelbare Gefährdung von Felslebensräumen geht vom Gesteinsabbau aus (s.o.). Punktuell kommt es zu einer Gefährdung durch Kletterer und Wanderer. Beide Nutzungen sollten für Felsen mit gut ausgeprägter Felsvegetation, Fledermausquartieren und felsbrütenden Vögeln ausgeschlossen werden.

Langfristig ebenso gefährlich sind schleichende Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung der Felsen, beispielsweise durch Änderung der Lichtverhältnisse und Eintrag von Bestandesabfall wie Nadelstreu oder Restholz aus Durchforstungen. Hiervon sind Felsen natürlich um so stärker betroffen, je geringer ihre Höhe und Ausdehnung ist. Ein Vorkommen des Frauenschuhs (Cypripedium calceolus) in den Wesersteilhängen bei Würgassen wurde beispielsweise auf diese Weise kürzlich fast vollständig vernichtet.

Die Natürlichen Felsen des europaweiten Schutzgebietsystems NATURA 2000 im Kreis Höxter

Von den FFH-Gebieten des Kreises Höxter sind folgende Gebiete (zum Teil) auf Grund ihrer Felslebensräume in das europaweite Schutzgebietssystem NATURA 2000 aufgenommen worden:

Buchenwälder der Weserhänge

Das FFH-Gebiet „Buchenwälder der Weserhänge“ umfaßt die bewaldeten Muschelkalksteilhänge westlich des Wesertals zwischen Godelheim im Süden und Stahle im Norden. Herausragender Bestandteil des Gebiets sind die Rabenklippen am Ziegenberg bei Höxter. Daneben treten an den flachgründigen Steilhängen immer wieder Felsen zu Tage. Hervorzuheben sind beispielsweise die Prinzessinnen-Klippen zwischen Höxter und Stahle. Die Kalk-Buchenwälder um Höxter gelten in ihrer besonders artenreichen Ausprägung als einmalig, weit über den Naturraum hinaus. Dies ist nicht zuletzt in der engen Verzahnung mit wärmebegünstigten Biotopen wie den Rabenklippen begründet. Wie bereits oben erwähnt erreichen die Berg-Kronwicke und der Bergfenchel hier die Nordwestgrenzen ihrer Verbreitung. Der Roßkümmel (Laser trilobum) hat hier ein Schwerpunktvorkommen in Deutschland.

Hannoversche Klippen bei Bad Karlshafen

Die mächtigen Sandsteintürme der Hannoverschen Klippen sind ein Wahrzeichen des Oberwesertales bei Bad Karlshafen. Die Schutthalden zu ihren Füßen werden überwiegend von Pioniergehölzen u.a. aus Rosen und Salweide eingenommen. Die lianenartige Waldrebe (Clematis vitalba) erscheint hier wegen der Nähe zur Weser und der damit verbundenen hohen Luftfeuchte besonders vital. An sonnigen, vegetationsarmen Stellen dazwischen fällt der Steife Schöterich (Erysimum hieraciifolium) im späten Frühjahr ins Auge. Die über 70m hohen, senkrechten Felswände sind unzugänglich und werden überwiegend von Krustenflechten bedeckt. Vermutlich ist hier die seltene, weißblaue Krustenflechte Porpidia albocaerulescens verbreitet, die kürzlich wenig oberhalb der Klippen erstmals für Niedersachen nachgewiesen werden konnte (Bartsch & Wagner in Vorb.). Nur auf einigen wenigen, kleineren Felsvorsprüngen siedeln höhere Pflanzen. Der Färber-Ginster (Genista tinctoria) fällt zur Blütezeit schon von weitem ins Auge. Vereinzelt haben sich auch Weißdornsträucher in den Fels gekrallt. Zwischen den sieben Felstürmen siedelt in steilen Hangrutschungen ein lichter Eichenwald. Seine Krautschicht wird von Farnen dominiert (s.o.). Auf den teilweise zugänglichen Felsköpfen fallen unter anderem Laubflechten wie Parmelia conspersa besonders auf. Typische Moose der Felsköpfe sind das Haartragende Frauenhaarmoos (Polytrichum piliferum) und die Zackenmützenmoose wie das Wollhaarige Zackenmützenmoos (Racomitrium aciculare). Beide Moose ertragen zeitweilig völliges Austrocknen und können mit ihren Haaren feinste Nebeltropfen aus der Luft kämmen.

Literatur

Bartsch, L. & Wagner, H.-G. (2003): Porpidia albocaerulescens (Wulfen) Hertel & Knoph neu für Niedersachsen. – in Vorb.

Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. – 5., stark veränderte und verb. Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).

Pott, R. (1995): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. –2., überarb. und stark erweiterte Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).

Ssymank, A., Haucke, U., Rückriem, C. & E. Schröder unter Mitarbeit von Messer, D. (1998): Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000: BfN-Handbuch zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 53: 565 S.

Verbücheln, G. et al. (1998): Rote Liste der Pflanzengesellschaften in Nordrhein-Westfalen (LÖBF/ LAFAO)[Hrsg.]- CD zur LÖBF Schriftenreihe 5, erweiterte u. überarbeitete Aufl. Recklinghausen.

Witschel, M. (1998): Gefährdung der Felsflora – Ursachen, Handlungsbedarf und Ergebnisse aus der Naturschutzpraxis. – Schr.-R. f. Vegetationskunde 29: 251-260, BfN, Bonn-Bad Godesberg.

Anschriften der Autoren:
Iris Simon, Herkestr. 6, 33014 Bad Driburg
Hans-Georg Wagner, Schlesische Str. 52, 37671 Höxter

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