EGGE-WESER | Band 13 | Seiten 27-34 | 2000 |
Untersuchungen zum Vorkommen von Laubfröschen im Kreis HöxterGerhard Steinborn |
1) EinleitungIm Frühsommer 1995 vergab die Bezirksregierung Detmold über den Naturkundlichen Verein Egge-Weser den Auftrag, das Vorkommen von Laubfröschen im Kreis Höxter zu ermitteln. Die zu untersuchende Fläche wurde auf Meßtischblattebene zwischen dem NEW und mir zur Bearbeitung aufgeteilt. Dabei wurde folgende Verteilung vorgenommen (vgl. Abb.1):
Im Folgenden wird keine umfassende Darstellung zur Biologie des Laubfrosches gegeben, sondern es werden nur die Fakten herausgegriffen, die zur Bestandserfassung und für gezielte Schutzmaßnahmen erforderlich sind. AlterDas bisher höchste festgestellte Alter bei Laubfröschen liegt bei 22 Jahren. Bei Terrarientieren wird aber durchschnittlich ein Alter von 12 bis 20 Jahren erreicht. Im Freiland geht man nach bisherigen Erkenntnissen von einem Alter zwischen 3 und 6 Jahren aus. Die Mortalitätsrate wird auf 50 % geschätzt. Dieses für Amphibien relativ hohe Alter hat Auswirkungen auf die Abschätzung von Bestandsschwankungen, da nur schwer oder zumindest spät festgestellt werden kann, ob sich eine Population noch ausreichend verjüngt. Erschwerend wirken sich auch Wanderungen von Teilen der Population aus. BiotopbindungBeim Jahreslebensraum des Laubfrosches kann man drei Aktionsräume unterscheiden, die durch saisonale Wanderungen der adulten Tiere miteinander verbunden sein können. Dabei handelt es sich um den Frühjahrsbiotop (Paarungsgewässer, Laichplätze, Fortpflanzungsgewässer), den Sommerlebensraum und das Winterquartier. Frühjahrslebensraum. Von besonderer Bedeutung ist der Frühjahrslebensraum, da hier die Fortpflanzung stattfindet. Bevorzugte Wasserbiotope stellen Weiher, Teiche und Altwässer bis zu einer Tiefe von 2 m dar, dicht gefolgt von Kleinstgewässern aller Art. Sogar ruhige, vegetationsreiche Buchten von Flüssen können besiedelt werden. Der Gewässerboden beinhaltet häufiger Sand oder Kies, seltener Schlamm oder humöse Substrate. Submerse sowie schwimmende Pflanzen sind eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Paarung und Eiablage, aber nicht so bedeutungsvoll wie Röhricht. Wasserüberragende und uferbewachsende Strukturen gehören in den Bereich des fakultativen Laichplatzschemas. Dabei spielen Kraut- und Strauchschichten eine wichtige Rolle als Tagessitzwarte. Neben Weiden findet man am Ufer bevorzugter Laichgewässer oft Brombeergestrüpp als beliebte Sitzplätze. Flachere Gewässer mit entsprechend höheren Wassertemperaturen fördern die Ei- und Larvalentwicklung. Wichtig ist wahrscheinlich bei allen Gewässertypen eine ausgesprochene Sonnenexposition. Röhrichtgürtel und Krautschichten schaffen feuchtigkeitsbetonte, windgeschützte Mikrohabitate, so daß diese Merkmale wieder mit der Besonnung korrelieren. Fische kommen als Prädatoren (Räuber) von Laich, Larven und Adulten in Frage. Sommerlebensraum. Nach der Laichzeit wandert der Laubfrosch in seinen Sommerlebensraum. Dieser weist folgende allgemeine Charakteristika auf:
Winterquartier. Angeblich soll ein Teil der Laubfrösche auch im Wasser überwintern. Wenn das stimmt, stellt es doch nach bisherigen Erkenntnissen die seltene Ausnahme dar. Alle bekannten Nachweise stellen Einzelfunde dar, die Verallgemeinerungen nur bedingt gestatten. Trotzdem lassen sich schon folgende Charakteristika ableiten:
WanderungenUnter Berücksichtigung des Raum-Zeit-Gefüges und der regionalen Besonderheiten lassen sich die Wanderungen des Laubfrosches in drei große Kategorien einteilen, die im Hinblick auf die zurückgelegten Distanzen im allgemeinen von der zuerst genannten bis zur zuletzt genannten zunehmen. Ortsbewegungen innerhalb eines Habitat-Types: Diese Wegstrecken schwanken in der Regel zwischen 10 und 600 m (z.B. Wanderungen von einem Rufplatz zum anderen oder im Sommerlebensraum zwischen Waldrand und nahrungsreicher Wiese). Habitatwechsel: Je nach Vernetzung Wanderungen zwischen den saisonalen Lebensräumen. Emigrationen: Durch die Auswanderung einzelner Tiere einer Population werden Neu- oder Wiederbesiedlungen möglich. Dabei sind Wanderstrecken von einigen hundert Metern bis 1 km bekannt geworden. AktivitätsmusterDie Wanderung aus dem Winterquartier zu den Laichplätzen beginnt frühestens ab Mitte März. Die Paarungszeit erstreckt sich von Mitte April bis Mitte Mai. In dieser Zeit hört man auch die „Froschkonzerte". Danach verlassen die Geschlechtstiere das Wasser, und die Rufaktivität nimmt ab, bis nur noch vereinzelte Rufer zu hören sind. Im Juli lassen sich dann die frisch verwandelten Jungtiere in der Nähe der Laichgewässer nachweisen. Von Anfang August bis Ende September lassen sich wieder öfter Rufer in den Sommerquartieren hören. Laubfrösche sind überwiegend nachtaktiv mit kleineren Aktivitätsschüben morgens, mittags und nachmittags. Die Hauptaktivitätszeit erstreckt sich vom Einsetzen der Dämmerung bis kurz vor Mittemacht. RufverhaltenDie Hauptrufaktivität fällt mit der Paarungszeit zusammen. Die Rufe ertönen vom Ufer oder aus den Flachwasserbereichen. Sie setzen in der Regel in der tieferen Dämmerung ein und enden gegen Mitternacht. Neben einer endogenen, dem Jahresrhythmus folgenden Komponente wird der tägliche Rufbeginn von der Beleuchtungsstärke und der Lufttemperatur gesteuert. Unter 8° C finden keine Konzerte statt, ebensowenig wie bei Auftreten von Wind und Windböen. Durch den hohen Schalldruck sind die Rufe bei günstiger Wetterlage und Topographie bis zu 1 km weit zu hören. 3) UntersuchungsgebietDurch die eingangs erwähnte Aufteilung des Untersuchungsgebietes arbeitete ich schwerpunktmäßig im Bereich des Eggegebirges, des westlichen Brakeler Berglandes, der Nieheimer und der Steinheimer Börde sowie im Nethetal und einem Teilbereich des Wesertales. Auf eine detaillierte Beschreibung der Geologie wird hier verzichtet, da sie als bekannt vorausgesetzt wird. Die westliche Kreisgrenze soll über dem Eggegebirgskamm verlaufen. Die in geringer Entfernung westlich davon im Kreis Paderborn liegenden stehenden Gewässer wurden aber auch kontrolliert, da sie zum gleichen Landschaftstyp gehören. 4) MethodikZunächst wurden alle älteren Literaturstellen, die unseren Raum betreffen, gesichtet und auf damalige Laubfroschvorkommen hin durchsucht. Ebenso wurden Exkursionsprotokolle von gemeinsamen Amphibienexkursionen mit Herrn Preywisch nochmals durchforscht. Gewässer, die laut Aufzeichnungen Laubfroschvorkommen aufwiesen, wurden bei den jetzigen Untersuchungen mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht, d.h. sie wurden mehrfach pro Jahr kontrolliert, nach Kaulquappen abgefischt und nach übersommernden Tieren abgesucht. Alle anderen Gewässer wurden wegen des Aktivitätsmusters des Laubfrosches vornehmlich im Mai bis Mitte Juni in der Dämmerung angefahren. An Ort und Stelle wurde dann ca. eine Viertelstunde gelauscht. Setzte in der Zeit kein Froschkonzert ein, kam eine Klangattrappe zum Einsatz, um die Frösche zum Rufen zu animieren, und danach wurde weiter gewartet. Auf eine ursprünglich geplante detaillierte Beschreibung der Laichgewässer wurde verzichtet, da mir der NEW mitteilte, daß hierüber eine parallel durchgeführte Kleingewässerkartierung hinreichend Aufschluß gibt. Die Exkursionen wurden meistens von mir allein durchgeführt. Gelegentlich begleiteten mich Frau Elisabeth Blaschke und Herr Heinrich Schmelter, denen an dieser Stelle recht herzlich dafür gedankt wird. Die Kartierung im Jahr 1996 blieb aufgrund der sehr ungünstigen Wetterbedingungen (Kälte und Trockenheit) ohne positiven Nachweis. 1997 war das Wetter nicht sehr viel besser, es gelangen aber immerhin Einzelnachweise in Brakel und Ottenhausen. Im größten Vorkommen in den Nieheimer Tongruben waren trotz Vorhandensein von Laubfröschen keine Nachweise möglich. Das zeigt die besondere Schwierigkeit des Nachweises dieser Art bei ungünstigen Witterungsbedingungen. Mit Aussagen von Negativnachweisen sollte man daher vorsichtig umgehen. Optimale Witterungsbedingungen herrschten dagegen Mitte Mai 1998. In dieser Zeit wurden jeden Abend Kontrollen der hauptverdächtigen Gewässer vorgenommen, wobei etliche Vorkommen bestätigt und die Individuenzahl der rufenden Männchen gut ermittelt werden konnten. Gelegentliche Begegnungen mit Jagdpächtern oder der Polizei zeigen, dass es vorteilhaft ist, bei der Kontrolle von Gewässern in Waldgebieten eine Fahrerlaubnis vorweisen zu können. 5) ErgebnisseTabelle 1: Kartierung von Laubfroschvorkommen im Kreis Höxter in den Jahren 1995 -1998
Tabelle 2: Kartierung von Laubfroschvorkommen im Kreis Höxter in den Jahren 1995 -1998
In 13 von 122 untersuchten Gewässern konnten im Jahr 1998 Laubfrösche nachgewiesen werden. Die ersten Untersuchungen in den Jahren 1995 bis 1997 ergaben nur den Nachweis von 2 Rufern 1996 und 3 Rufern 1997 in Ottenhausen. An allen anderen Gewässern, auch an solchen, die noch ständig von Laubfröschen besiedelt sind, wie die Teiche im Kaiser-Wilhelm-Hain in Brakel oder die Nieheimer Tongruben, gelangen trotz mehrfacher Kontrollen keine Nachweise. Das zeigt meiner Ansicht nach deutlich, welche entscheidende Rolle die Witterung zur Zeit der Bestandsaufnahme spielt und wie schwierig dementsprechend Aussagen zur Bestandsentwicklung zu treffen sind. Um hier zu gesicherten Aussagen zu kommen, sind Beobachtungen über einen wesentlich längeren Zeitraum als bei anderen Amphibien notwendig. Eine wesentlich neue Erkenntnis dieser Bestandserfassung ist die bisher unbekannt gewesene Besiedlung des Diemeltales und eng angrenzender Räume durch den Laubfrosch. Es bleibt abzuwarten, ob von hier auch eine Besiedlung weiterer Gewässer mit guten Biotopstrukturen in der Egge erfolgt oder ob die klimatischen Verhältnisse dies nicht zulassen. Bemerkungen zu den Laubfroschvorkommen Allen 13 Laubfroschbiotopen ist gemeinsam, daß sie überwiegend stark besonnt werden und neben einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Schwimmblattzone vor allem entsprechende vertikale Strukturen aufweisen. Auch die Landhabitate sind durch eine ausgeprägte Kraut- und Strauchschicht in besonnter Lage ausgestattet, so daß ein entsprechendes Nahrungsangebot gesichert ist. Nr. 8 – Ottenhausen: Als Laichgewässer dienen hier die für Artenschutzzwecke angelegten Wiesentümpel. Sie entsprechen den Biotopansprüchen des Laubfrosches in optimaler Weise. Als Übersommerungshabitat dient auch der angrenzende feuchte Erlen-Pappelwald, in dem die Tiere an Sommerabenden mehrere Meter hoch in das Gezweig klettern. Die kleinen Tümpel hinter dem Feuerwehrhaus sind ebenfalls als Laubfroschlebensraum geeignet, solange sie nicht völlig verlanden. Der stark eutrophierte große Dorfteich weist einen hohen Fisch- und Entenbesatz auf. Außerdem fehlen ihm die vertikalen Strukturen in Ufernähe sowohl im Wasser als auch an Land. Er ist daher für die Laubfrösche weniger geeignet. Ob die zahlenmäßige Steigerung gegenüber den Vorjahren auf eine allmähliche Zunahme schließen läßt oder ob es sich lediglich um eine höhere Rufaktivität ohnehin vorhandener Tiere handelt, kann nicht gesagt werden. Nr. 15 – Teich im Steinheimer Holz: Dieses Vorkommen war bisher noch nicht bekannt. Da es optimale Strukturen aufweist, bestehen berechtigte Hoffnungen auf eine Bestandszunahme. Nr. 23 – Teich Gut Hintereichholz: Hier werden die Habitatansprüche des Laubfrosches nur teilweise erfüllt. Bei dem einzigen festgestellten Rufer könnte es sich um ein Tier aus dem ehemaligen großen Vorkommen im NSG Ziegenfeld handeln, das durchaus im Wanderbereich des Laubfrosches liegt. Dieser Lebensraum Ziegenfeld ist wahrscheinlich wegen der totalen Beschattung des Teiches aufgegeben worden, da laut PREYWISCH (mdl.) bereits früher mit zunehmendem Kronenschluß eine stete Abnahme zu verzeichnen war. Nr. 28 – Tongruben Nieheim: Als ich im Jahr 1975 in den Kreis Höxter kam, bestand dieses Vorkommen schon. Obwohl nie eine genaue Zählung durchgeführt worden war, nehme ich an, daß es sich um das zweitgrößte bekannte Vorkommen im Kreis Höxter nach dem Vorkommen im Ziegenfeld handelte. Allerdings lag der Verbreitungsschwerpunkt in früheren Jahren immer in der Grube Rath. Das hat sich deutlich gewandelt. Ursache könnten die Optimierungsmaßnahmen im Auftrag der Bezirksregierung im Rahmen der Unterschutzstellung gewesen sein. Eine Aussage über die genaue Bestandsentwicklung kann nicht vorgenommen werden, da es an Vergleichszahlen fehlt. Dem akustischen Eindruck nach hat der Bestand zumindest nicht abgenommen. Nr. 39 – NSG Kiebitzteich: Im Teich selbst sind die Bedingungen für den Laubfrosch noch nicht so gut, da hier jahrelang geangelt wurde. Die Ufervegetation wurde kurz gehalten und die Schwimmpflanzen wurden weitgehend entfernt. Optimal ist dagegen der dahinter liegende Röhrichtsumpf mit kleineren offenen Wasserstellen, Weiden, Brombeergestrüpp und voller Besonnung. Nr. 50 – Saatzer Moor: Das Saatzer Moor weist ähnliche Biotopstrukturen auf wie das NSG Kiebitzteich, nur die flächenhafte Ausdehnung ist größer. Ob der Moorteich als Laichgewässer dient oder ob kleine Wasserflächen im Schilf als solche dienen, konnte nicht ermittelt werden. Nr. 55 – Waldteiche im Kaiser-Wilhelm-Hain unterhalb der Hinnenburg bei Brakel: Hier handelt es sich um drei Teiche, die ebenfalls schon viele Jahre als Laubfroschbiotop bekannt sind. Obwohl die Biotopstrukturen noch optimal sind, habe ich den Eindruck, der Bestand habe sich gegenüber vor ca. 10 Jahren etwas rückläufig entwickelt. Das mag in erster Linie an der eindeutig zugenommenen Beschattung liegen. Die Teiche selbst und die Wasser- bzw. Ufervegetation haben sich eher positiv entwickelt. In einem der Teiche konnten im Jahr 1998 zwei Kaulquappen gekäschert werden. Nr. 69 – Lauteiche Amelunxen: Der von VIETH und Mitarbeitern festgestellte Laubfrosch konnte akustisch im nördlichen Lauteich bestätigt werden. Der südlich der Straße gelegene Teich ist sehr stark beschattet. Nr. 70 – Kiesgrube Oppermann: Diese aus mehreren Baggerseen bestehende Kiesgrube weist alle vom Laubfrosch bevorzugten Biotopstrukturen in geradezu bilderbuchmäßiger Weise auf. Fraglich ist, ob die hier ermittelten Tiere entlang der Weser eingewandert, mit Laich durch Vögel eingeschleppt oder gar eingesetzt worden sind. Eine Verbindung zu den Lauteichen ist zwar theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich, da hierzu die stark befahrene B 83 überquert werden müßte. Es wäre aber in der Zukunft genauer zu beobachten, ob von hier eine Besiedlung der Godelheimer Seenplatte oder der südlich Wehrden gelegenen Kiesgruben erfolgt oder bereits erfolgt ist. Mir gelangen leider keine weiteren Nachweise. Nr. 105 – Teiche und Tümpel im Pölinxer Grund: Die ganze vom NABU Höxter gepflegte Fläche befindet sich in einem für Laubfrösche optimalen Zustand. Es war daher zu erwarten, daß bei entsprechendem Vorkommen im Diemeltal von hier aus eine Besiedlung erfolgen würde. Nr. 106 – Kiesgrube Dörpeder Mark im Diemeltal: Die Biotopstrukturen und auch die klimatische Situation entsprechen denen des Wesertales. Nr. 112 – Ziegeleiteich Bonenburg: Der Ziegeleiteich wird seit vielen Jahren nicht mehr genutzt. Er wurde teilweise renaturiert und weist heute gute Laubfroschstrukturen auf. Ob es hier schon früher Laubfrösche gab, ist nicht bekannt, da seinerzeit mit Herrn PREYWISCH geplante Exkursionen in diesen Raum zur entsprechenden Zeit dann doch nicht durchgeführt werden konnten. Nr. 119 – Mühlengraben neben der Diemel südlich Rimbeck: Der einzelne Rufer saß im Gezweig einer Pappel. Da die Strukturen dieses Gewässers nicht optimal waren (fehlende höhere Ufer- und Saumstrukturen, Fließgewässer), ist nicht zu vermuten, daß es sich hier um eine dauerhafte Besiedlung handelt.
|