- 53 -
EGGE-WESER 6(1) Seite: 53-64 Höxter 1989

Zwei Wegweiser für unsere Geobotanische Arbeitsgemeinschaft

Kurt Preywisch

HAEUPLER, H. & SCHÖNFELDER, P. -1988- Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. - Stuttgart; Ulmer. (769 S. + 8 Folien DIN A4)

In den 60er Jahren entstand der Plan, die Flora Mitteleuropas nach britischem Vorbild zu kartieren. Als Probelauf erschien HAUEPLER (1976). Sein Atlas zur Flora von Südniedersachsen umfaßte auch den Kreis Höxter östlich des 9. Längengrades, also der Egge. Über 12 Jahre später lag das Hauptwerk noch rechtzeitig zu Weihnachten auf dem Tisch. Selbst die sonst zurückhaltende "Frankfurter Allgemeine" lobt es als Jahrhundertwerk.

Wir wollen versuchen, die beiden Rasterkartenwerke zu vergleichen. Stützte sich der Verfasser damals auf 169 Feldbotaniker, so waren es diesmal schon über 1200, obwohl inzwischen das Arbeitsgebiet auf die Bundesrepublik beschränkt werden mußte, und man als Grundfeld statt eines Viertel-Meßtischblatts (TK 25) jetzt ein ganzes wählte. PREYWISCH u.a. (1981, 1982) konnten die Fläche des Kreises Höxter damals mit 51 Meßtischblattvierteln (Quadranten) einigermaßen abdecken. Heute ist man mit 17 TK 25 viel ungenauer.

- 54 -

Abb. 1: Unser Arbeitsgebiet (stark umrandet) in HAEUPLER, 1988

Auf der um ein Viertel kleineren Fläche von damals zählten wir 1277 Sippen, davon 470 abnehmend und 137 verschollen. Die Zahlen von heute: 1179, 227, 117. Wie kommt das? Damals waren für "Südniedersachsen" z.B. 18 Rosenarten kartiert. Eine davon wird in einer der 1988 noch nicht veröffentlichten Arbeitskarten weitergeführt. Vier weitere verschwanden aus der heutigen "Region 10", denn im Licht des heutigen Verbreitungsbilds wird die damalige Angabe zweifelhaft.

- 55 -

Etwa 400 Arten sind fast im ganzen Bundesgebiet zu finden. Hier wären etwaige Lücken zu überprüfen. Der größere Rest stellt besondere Ansprüche an seine Umwelt, die er im Kreis Höxter reichlich findet. Es folgen einige beispielhafte Verbreitungskärtchen.

Kärtchen 1-4

Kärtchen (1) zeigt eine der seltensten Arten, Bartlings Sommerwurz (Orobanche bartlingii), eine Kleinart der Elsässer Sommerwurz (O. alsatica) mit mehr eurosiatisch-kontinentaler Verbreitung.

- 56 -

Sie schmarotzt auf der schon seltenen Heilwurz (Seseli libanotis) mit eurasiatisch-submediterranen Areal (2). Auch 1988 blühten zwei Pflanzen dieser Sommerwurz an ihrem alten Standort (U. RAABE mdl.). Er ist seit 1852 bekannt.

JÜNGST (1852) und BECKHAUS (1893) beschreiben sie unter O. rubens (= O. Lutea). B.: "In lichtem Gebüsch und auf kahlen Klippen am ganzen Südostabhange des Ziegenberges bei Höxter ... auf (Seseli libanotis), in manchen Jahren hfg. "GUTHEIL (1837) meint wohl die gleiche Art, ohne den Wirt zu nennen, mit O. caryophyllacea (S. 64).

(3) Das Dreizähnige Knabenkraut (Orchis tridentata) blüht auf einigen Südhängen mit Kalkmagerrasen in unserem Kreis recht zahlreich. Es ist in N-Deutschland auf ein inselartiges Vorkommen beschränkt, das von unserem Raum bis Thüringen reicht. Der Naturkundliche Verein Egge-Weser hat O. tridentata zu seiner Wappenpflanze gewählt.

- 57 -

(4) Im Gegensatz zum Dreizähnigen hat(te) das Wanzen-Knabenkraut (Orchis coryophora) wie fast alle unserer vielen submediterranen Arten eine gute Verbindung zu seinem Stammareal südlich der Alpen. Anders als die meisten dieses Verbreitungstyps bevorzugt diese stickstoffliebende Art mehr feuchte Wiesen, die für die Landwirtschaft viel wichtiger sind als die Magerrasen.

Kärtchen 5-8

(5) Auch die mitteleuropäische Kleinart Ovalblättriges Sonnenröschen (Helianthemum ovatum) liebt ungedüngte Kalkmagerrasen und gleicht deshalb im Verbreitungsbild vielen südlichen Sippen. Da das Kärtchen keine Mengen erkennen läßt, ist auch keine Abnahme zu sehen.

(6) Die Stechpalme (Ilex aquifolium) bevorzugt ganz andere Standorte. Diese westliche (atlantische) Waldart braucht mittlere Werte bei fast allen Standortbedingungen.

- 58 -

(7) Früchte des Moor-Greiskrauts (Senecio congestus, = S. tubicaulis) wurden durch Winde aus seinen Massenvorkommen auf den Poldern der Zuider-See bis zu uns verfrachtet. Hier gediehen wenige Pflanzen auf halbtrocken gefallenen Schlammböden von Waldtümpeln oder Weserbuhnen zwar prächtig, gaben aber nur ein kurzes Gastspiel. Da das Heimatvorkommen stark zurückgegangen ist, wird die Art bei uns wohl wieder für längere Zeit ausbleiben. Auffälligerweise hatte sie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts schon einmal eine ähnliche Ausbreitungsgrenze erreicht. (RUNGE 1972).

(8) Das ebenfalls als eurasiatisch kontinentale (also küstenscheue!) Art mit Wind-, aber auch Wasservogelverbreitung (OBERDORFER 1983) eingestufte Fluß-Greiskraut (Senecio fluviatilis) bewohnt die Auen größerer Flusse. Die abnehmende Uferbeweidung wird es wieder zunehmen lassen.

- 59 -

Die wenigen Beispiele lassen schon erkennen, wie reich unser Kreis an Lebensräumen ist. Daraus ergibt sich sein Artenreichtum. Viele Maßnahmen, die inzwischen angelaufen sind, sollen ihn erhalten oder steigern. Daß der neue Atlas unsere Geobotaniker beflügeln wird, ist gewiß. Er hat nur eine Schwäche, er zeigt ein zu schönes Bild. Damit ist nicht die musterhafte Gestaltung gemeint. Auf sie gehen wir gleich ein. Die Zeitspanne, über die das Werk berichtet, ist sehr lang. 1945 bis 1980 gilt als Gegenwart. Bei HAEUPLER 1976 waren es 1945 bis 1976. Was kann in diesen 35 Jahren verschwunden sein. Deshalb hat sich unsere Geobotanische Arbeitsgemeinschaft entschlossen, die Gefäßpflanzen die Kreises 1987-1990 von Grund auf zu kartieren. Als Grundfeld wurde das Sechzehntel-TK 25 (Viertel-Quadrant) gewählt.

Doch zurück zum Werk. Wer es in die Hand nimmt, ist ihm verfallen. Schon vom Schutzumschlag grüßt einer der Schätze unserer Gegend, der Blaurote Steinsame (Buglossoides purpurocaerulea) in Bild und Karte. Nach einer Einführung, so kurz wie inhaltsreich, folgen Kurztexte zu einigen Sippen, die in den Karten dargestellt wurden, und zu anderen, wo es nicht geschah. 96 hervorragende Farbaufnahmen machen seltenere Arten leicht erkennbar (außer vielleicht den Wiesenschachtelhalm), unsere Ablichtungen lassen die Qualität des Kartenteils mit seinem Mehrfarbendruck nicht einmal ahnen. Das Schriftenverzeichnis erfaßt die Veröffentlichungen - auch unseres Vereinsgebiets- sehr vollständig bis 1986. Der wissenschaftliche wie der deutsche Name jeder der über 2500 behandelten Sippen samt den wichtigsten Synonymen ist im Register enthalten. Dabei verbesserte und vervollständigte man die bisherige deutsche Namengebung. Das allein ist schon eine Großtat.

Was soll man mehr bewundern, die Steuerung des Heeres der über 1200 ehrenamtlichen Mitarbeiter, die von 28 eigenverantwortlichen Regionalstellen betreut wurden, wobei Prof. Ellenberg die Fäden zog, oder die durchgefeilte Redaktion, die keine Wünsche mehr offen läßt? Druckfehler sind Raritäten: Goodyeara, bis Heracleum mantegazzianum auf S. 52, nicht wie nach Register auf S. 53; 1740 Senecio hereynicus. Oder verblüfft mehr der erstaunliche Preis, der einem Zuschuß der Loki-Schmidt-Stiftung zu danken ist?

- 60 -
- 61 -

NITSCHE, L., NITSCHE, S. & LUCAN, V. -1988- Flora des Kasseler Raumes, Teil I. - Naturschutz in Nordhessen, Sonderheft 4. Kassel. (150 S.)

Das Ziel, das sich unsere Geobotanische Arbeitsgemeinschaft gesetzt hat, hat der Kreis Kassel schon durchlaufen. Dort haben Lothar und Sieglinde NITSCHE, Volker LUCAN, zum Teil auch mit Alfred BRÖCKER und Winfried BECKER 261 Grundfelder in der Größe von Sechzehntel-Meßtischblättern bearbeitet, 35 davon nur bis zur Kreisgrenze. Diese Riesenarbeit schafften sie in der Zeit vom 1.1.1983 bis 31.12.1986. Sie verwerteten Unterlagen und Veröffentlichungen von 60 weiteren Geländearbeitern, soweit die Angaben nicht vor 1978 lagen.

Als erstes Ergebnis liegt der Text zum speziellen Teil vor. Er behandelt etwa 1350 oder mehr Sippen. Zwischen 1 Tannen-Bärlapp und 1309 Zwerglinse verstecken sich noch viele Unternummern. Die artenreichsten Grundfelder liegen in Wolfhagen mit 521 und Eberschütz mit 510 Arten. Es gibt aber auch Grundfelder, in denen zwischen 250 und 200 Sippen gezählt wurden, im Grenzbereich auch darunter, einmal 104.

Vorgeschaltet sind Erläuterungen über Methode, Untersuchungsgebiet, Naturschutz usw.. Für sehr bedrohte Arten bedeutet ein so kleines Grundfeld von rund 8 km2 Größe oft eine Gefahr. In solchen Fällen haben die Kasseler keine Punktrasterkarte vorgesehen!

In der wissenschaftlichen und deutschen Benennung der Sippen folgt das handliche, gut gebundene Buch genau SCHMEIL-FITSCHEN 1982 u.f.. Beim Vergleich mit dem neuen HAEUPLER werden die Vorteile seiner strengen deutschen Namengebung deutlich: Für (fast) jedes wissenschaftliche Wort auch ein deutsches. Also jetzt statt "Großblütiger gelber Fingerhut" für Digitalis grandiflora nur Großblütiger F..

Wir können unseren Nachbarn für ihre Pionierarbeit nur danken und uns in diesem Jahr auf den Punktraster-Band und im nächsten auf die Pflanzengesellschaften freuen. Für einen der Bände ist auch eine Sammlung der aus "Naturschutz in Nordhessen" bekannten treffenden Pflanzenzeichnungen angekündigt.

- 62 -

Abb. 3: Floristische Kartierung im Raum Kassel von 1978 bis 1986. Nachgewiesene Arten je Rasterfeld

- 63 -

Floristische Neukartierung Kreis Höxter ab 1987 (Häcker, Januar1989)

Abb. 4: Stand der floristischen Kartierung im Kreis Höxter am 31.12.1988

- 64 -

Rückschauend wird klar, wie rasch die Feldforschung in unserem Raum fortgeschritten ist. Vor 150 Jahren tasteten sich die ersten Geobotaniker noch mit riesigem Arbeitsaufwand durch den Nebel der jungen Systematik. Heute wird die Feldarbeit mit den Hilfen der vorliegenden Werke, der neuen Bestimmungsbücher und der Zusammenarbeit in Gemeinschaften geradezu zum Freizeitvergnügen.

Es wurde verwiesen auf:

BECKHAUS, K. -1832- Flora von Westfalen. - Münster: Aschendorff (XXII+1096 S.)

GUTHEIL, H.E. -1837- Beschreibung der Wesergegend um Höxter und Holzminden. - Holzminden: Erdmann (77 S.)

HAEUPLER, H. -1976- Atlas zur Flora von Südniedersachsen.- Scripta Geobotanica, 10 Göttingen: Goltze (367 S.)

JÜNGST, L.V. -1852- Flora Westfalens. - Bielefeld: Helmich 438

PREYWISCH, K./u.a -1981- Unsere Pflanzenwelt im Umbruch. - Egge Weser 1(1), 1-12. Höxter

PREYWISCH, K./u.a. -1982- Liste der Farn- und Blütenpflanzen, die im Kreise Höxter wild wachsen. - Egge-Weser 1(3): 85-121. Höxter

RUNGE, F. -1972- Die Flora Westfalens. 2. Aufl. - Münster: Westf. Vereinsdr. (550 S.)

SCHMEIL-FITSCHEN, -1982- Flora von Deutschland ... 87. Aufl. - Heidelberg: Quelle & Meyer (660 S.)

 

Preywisch