EGGE-WESER |
5 (1) |
37-50 |
Herausgegeben im Auftrag des Naturk. Vereins Egge-Weser ... |
Höxter 1988 |
Auswertung und Interpretation meiner Lachmöwen-Beobachtungen
1971-1987 im Gebiet um Holzminden
Volker Konrad
Zum Status der Lachmöwe im südlichen Niedersachsen gibt es bislang nur wenig
detaillierte Untersuchungen, geschweige denn Aussagen. Für das Weserbergland sind
die beiden "Standard"-Quellen PREYWISCH (1962) und SCHERNER (1977).
Laut SCHERNER ist die Lachmöwe im Solling (speziell) ein "unregelmäßiger"
Durchzügler" - er nennt nur drei Beobachtungen. Darüberhinaus hält er sie für
Süd-Niedersachsen (allgemein) für einen "zu allen Jahreszeiten häufigen
Durchzügler und Gastvogel an größeren Gewässern". Er betont die enge Bindung der
Art an das Wesertal (in unserem Raum) und zitiert PREYWISCH, der seinerseits nur
eine Beobachtung abseits der Weser nennt.
Doch ist PREYWISCH wesentlich genauer. Neben der allgemeinen Einleitung "an
der Weser ziemlich regelmäßiger Durchzügler, der beim Südzug im beachtlichen
Schwärmen auftritt. Gelegentlich Überwinterer. Abseits der Weser ... selten
gesehen", nennt er eine Anzahl von Beobachtungsdaten. Dabei stellt er den Südzug
mit beachtlichen Hoch/Spätsommer-Vorkommen heraus.
Gerade das habe ich anhand meiner Beobachtungen auch festgestellt und
ausführlicher ausgearbeitet, um daran meinen "Vogel des Monats Juli: Die
Lachmöwe" im TAH 22.07.88 aufzuhängen. Neben dieser volkstümlichen Vorstellung
der Lachmöwe in der Holzmindener Tageszeitung soll hier etwas
"wissenschaftlicher" dargestellt werden.
- 38 -
Bei der Durchsicht der verschiedenen Literaturstellen, die sich mit der
Avifauna der weiteren Umgebung befassen, erscheint mir das sommerliche
Zugverhalten wenig erkannt worden zu sein. Die diesbezüglichen Anmerkungen und
Interpretationen der einzelnen Autoren zu den Beobachtungen sind mangelhaft.
1 Die Anzahl der Beobachtungen (Tab. I) wie auch die der dabei gezählten
Exemplare (Tab. II) über die Jahre halte ich für wenig aussagekräftig. Die
unregelmäßige Frequenz meiner "Meldungen", bedingt durch viele (!) Geschäfts-
und Urlaubsreisen, Krankheiten usw., aber auch durch mein (persönliches)
"unstetes" Interesse an verschiedenen Beobachtungsgebieten, beeinträchtigen das
Bild.
1.1 So könnte man die Graphiken IV (Anzahl der beobachteten Exemplare) und V
(Anzahl der Beobachtungen pro Jahr) vielleicht so interpretieren, daß Larus
ridibundus in den letzten Jahren häufiger/zahlreicher geworden wäre. Das hielte
ich für gewagt! - Ich habe häufiger Lachmöwen gesehen; es gab keine extrem
schwachen Jahre. - Aber das lag vielleicht (auch) mehr an mir als an den
Vögeln!?
2 Die Summen pro Monat und pro Dekade (Tab. I und II)
über die Jahre könnten die oben beschriebenen Unsicherheiten (1) "ausgleichen" und im Bild durchaus eine realistische Darstellung bieten.
So zeigen die drei Graphiken I-III (I=Exemplare pro Monat, II= Exemplare pro
Dekade, III= Beobachtungen nach Monaten) auffallende Peaks zur Zugzeit, einen
tiefen Einbruch zur Brutzeit und natürlich Beobachtungs-Minima (!) im Winter.
In März, April, Mai erscheint Larus ridibundus am häufigsten und
zahlreichsten im Gebiet, Höhepunkt nach Monaten eindeutig im März (19
Beobachtungen mit 418 Ex.) - nach Dekaden aber Anfang Mai (allein 186 Ex. - Ende
März "nur" 182 Ex.) Sicherlich ist der Heimzug der Lachmöwe in die Brutgebiete
verantwortlich für das gehäufte Auftreten zu dieser Jahreszeit.
Mitte April liegt ein "merkwürdiges" Tief, nur 54 Ex. in drei Beobachtungen.
Das zeigt vor allem Graphik II (nach Dekaden) sehr schön. Erklärung? - Ich nehme
an, daß die früh ziehenden Vögel
- 39 -
- 40 -
- 41 -
(Peak im März) tatsächlich "ernsthaft" brüten wollen. Die späteren (Peak im
Mai) aber könnten Nichtbrüter sein, einjährige u.a.. Und zwischen den
Durchzugsmaxima der adulten Brutvögel und immaturen Nichtbrüter liegt ein
zeitlicher Abstand von etwa einem Monat.
Danach folgt im Juni ein Beobachtungstief – besonders deutlich auf Graphik I
und II. Das betrifft aber weniger die Häufigkeit der Beobachtungen (immer noch
acht!) als die geringeren Anzahlen (nur 34 Ex.!). Ursache: Die Brutzeit bindet
die Vögel regional sehr stark! Nur einzelne und kleine Gruppen von Nichtbrütern
bewegen sich im Wesertal.
Im Juli (nach der Brutzeit) haben wir dann wieder mehr und häufiger Lachmöwen
an der Weser. Auch dieser Peak kommt auf den Graphiken I, II und III sehr schön
heraus. Die Darstellung nach Dekaden (II) zeigt, daß diese Erscheinung bis in
den August anhält. Die (wenigen) erfaßten Zugrichtungen lauten alle Süd!
(Tab.III) - Offensichtlich ist das schon der größte Teil des Wegzugs - soweit er
sich im Weserbergland erkennen läßt.
Ein wesentlich schwächerer Peak folgt erst wieder im September/Oktober. Der
ist zahlenmäßig so schwach, daß er auf Graphik I (nach Monaten) nicht mehr zu
erkennen ist. Nur die Darstellung nach Dekaden (Graphik II - mit zwei kleinen
Peaks) und insbesondere Graphik III (Zahl der Beobachtungen: September 62 Möwen
in fünf Beobachtungen/Oktober 36 Möwen in elf Beobachtungen) macht dieses
Zuggeschehen deutlich. Auch hier handelt es sich zweifellos um "Wegzug". Aber
diesmal sind es wahrscheinlich Vögel aus den spätsommerlichen Ansammlungen im
norddeutschen Küstengebiet. Diese ziehen zum größten Teil an der Nordsee- und
Atlantikküste entlang Richtung Frankreich und Spanien, nur in sehr geringer Zahl
durch das Binnenland (u.a. das Weserbergland).
Im Winter selbst gibt es nur wenige Beobachtungen und nur geringe Zahlen von
Lachmöwen im Wesertal. Längere Aufenthalte, d.h. regelrechte "ortsgebundene"
Oberwinterungen, konnte ich nicht beobachten. Es kommt aber vor, daß sich mal
ein Vogel ein paar Tage lang ständig an der selben Stelle sehen läßt. (z.B. an
den Holzmindener Teichanlagen 15. -17. 1. 1985 ein immat.) Meistens ist er dann
wohl krank oder schwach. Alle anderen sind sporadisch auftauchende Einzeltiere, selten
kleine Trupps, die durch das Wesertal ziehen ("Strichvögel") , um sich irgendwo größeren Ansammlungen anzuschließen, z.B. in Hannover-Altwarmbüchen an den Müllkippen.
- 42 -
- 43 -
- 44 -
Allgemeines:
Leider wurden erst in den letzten Jahren hin und wieder Zugrichtungen
festgestellt. (Tab. III) Bislang ist das Bild in dieser Hinsicht unklar! - Es
fällt aber schon auf, daß im Frühjahr relativ oft nach Süden geflogen wird, wie
auch im Herbst und Spätherbst nach Norden. Lediglich der Hochsommerzug geht
(nach den bisherigen Ergebnissen) einheitlich nach Süden! Zweifellos zeigt sich
hier, wie stark Nahrungsgebiete, z.B. Müllhalden in Großstädten, (vielleicht
auch Schlafplätze) die großräumig vorgegebene Zugrichtung kleinräumig
"modifizieren" können. Zugrichtungen muß ich in Zukunft sorgfältiger notieren !
Ebenso fehlen mir Altersangaben zu den Vögeln. Auch dieser Frage will ich in
Zukunft mehr Beachtung schenken.
Damit ließe sich auch ein Licht auf die Lachmöwen werfen, die - so merkwürdig
- schon im Juli durch das Wesertal nach Süden ziehen. Sind das Brutvögel? - Dann
sollten auch diesjährige Junge (juv.) darunter sein. - Sind es aber Nichtbrüter,
müßten es vor allem einjährige Stücke sein. - Sowohl die diesjährigen als auch
die einjährigen lassen sich feldornithologisch erkennen. Die Aufgabe erscheint
somit lösbar.
Interessant ist, daß sich diese "Frühzieher" nicht den spätsommerlichen
Massen-Ansammlungen von Lachmöwen im norddeutschen Küstengebiet anschließen. -
Hier gibt es noch ein großes Fragezeichen.
Mit einer einzigen Ausnahme fanden alle Beobachtungen im Wesertal selbst
statt. Nur am 12. 07. 87 sahen wir plötzlich etwa zwanzig Lachmöwen, die im
Hochsolling die "Kegelbahn" überflogen.
- 45 -
Im allgemeinen halten sich die Vögel eng an die Weser. Meistens fliegen sie
kaum 20 m hoch und folgen dem Flußlauf in stetem Flug "gezielt", ohne sich um
das Geschehen in der Umgebung zu scheren. Selbst kurze Aufenthalte sind eher
selten.
Nur wenn die Möwen hoch fliegen, weichen sie vom Flußlauf als "Leitlinie"
deutlicher ab. Schon ab etwa 60 m Höhe kürzen sie auch größere
Flußbögen /-schleifen ab. Solche Beobachtungen sind aber nur selten zu machen.
Meistens fliegen die Lachmöwen niedrig.
Anschrift des Verfassers :
Volker Konrad, Moltkestraße 6, 3450 Holzminden, - 23.07.1988 -
- 46 -
Quellen:
Augst, H.-J. -1983-
Die Bedeutung und Entwicklung des Dümmers als Lebensraum für Brut- und
Gastvögel. - Hannover
Barthel, P.H. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für die Leinetalwiesen bei Salzderhelden.
Faunistische Mitteilungen aus Süd-Niedersachsen, Band l, 2. Halbband, 1978 -
Clausthal-Zellerfeld.
Barthel, P.H. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für die Klärteiche der Zuckerfabrik
Oberjesa. Faunistische Mitt. aus Süd-N.S., Band l, 2. Halbband, 1978 -
Clausthal-Zellerfeld.
Brauneis, W. -1985-
Die Vogelwelt des Werra-Meißner-Kreises. - Witzenhausen
Brinkmann, M. -1978-
Die Vogelwelt Nordwest-Deutschlands. - Hildesheim
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 Seeburger See und Umgebung. -Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band l, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 Kiesseengebiet Göttingen. Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 Schlammteiche Obernjesa. Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band l, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 Seeburger See und Umgebung. Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band l, 2. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 Kiesseengebiet Göttingen. Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 2. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Brunken, G. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für das übrige Beobachtungsgebiet der OAG
Göttingen. Faunistische Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 2. Halbband, 1978 -
Clausthal-Zellerfeld.
- 47 -
Corsmann, M. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 Leinetalwiesen Salzderhelden.
Faunistische Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978
-Clausthal-Zellerfeld.
Franck, D. -1954-
Über die Herkunft der Hamburger Lachmöwen. Vogel und Heimat 12, 1954. -
Hamburg
Garberding, K.H. u. K.H. Nagel -1982-
Die Bedeutung und Entwicklung des Steinhuder Meeres als Lebensraum für Brut-
und Gastvögel. - Hannover Glutz v. Blotzheim, U.-N. u. K.-M.
Bauer -1982-
Handbuch der Vögel Mittel-Europas - Band 8/1 Charadriiformes ( 3. Teil ). -
Wiesbaden
Haase, W. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für den Altkreis Münden. Faunistische
Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 2. Halbband, 1978 -Clausthal-Zellerfeld.
Haensel, J. u. H. König -1981-
Die Vögel des Nordharzes und seines Vorlandes - Halberstadt.
Heckenroth, H. -1985-
Atlas der Brutvögel Niedersachsens 1980. - Hannover
Konrad, V. -1977-
Lachmöwe: Beobachtungen in Niedersachsen. Briefl. an die Avifauna Niedersachsen.
Konrad, V. -1988-
Der Vogel des Monats Juli: Die Lachmöwe. Täglicher Anzeiger Holzminden,
22.07.1988 - Holzminden.
Meineke, T. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 für den Raum Herzberg. Faunistische Mitt.
aus Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Meineke, T. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für den Raum Herzberg. Faunistische Mitt.
aus Süd-N.S., Band 1, 2. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Panzer, W. und H. Rauhe -1978-
Die Vogelwelt an Elb- und Wesermündung. - Bremerhaven Peitzmeier, J.
-1979-Avifauna von Westfalen. - Münster
Preywisch, K. -1962-
Die Vogelwelt des Kreises Höxter. - Bielefeld
- 48 -
Riedel, B. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 für die Schlammteiche der Zuckerfabrik
von Nörten-Hardenberg. Faunist. Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978 -
Clausthal-Zellerfeld.
Schelper, W. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 Altkreis Münden. Faunist. Mitt. aus
Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Scherner, E.R. -1977-
Möglichkeiten und Grenzen ornithologischer Beiträge zu Landeskunde und
Umweltforschung am Beispiel der Avifauna des Solling. - Göttingen
Schmidt, F.-U. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1976 für das Kiesseengebiet Northein/Edesheim" - in Faunistische Mitt. aus Süd-N.S., Band 1, 1. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Schmidt, F.-U. -1978-
Avifaunistischer Jahresbericht 1977 für das Kiesseengebiet Northeim/Edesheim" - in Faunistische Mitt. aus Süd-N.S., Band l, 2. Halbband, 1978 - Clausthal-Zellerfeld.
Skiba, R. -1971-
Die Harzer Vogelwelt. - Clausthal-Zellerfeld
Vauk, G. u. J. Prüter -1987- Möwen. - Ottendorf/Niederelbe
Weisskoppel, P. -1975-
Die Vogelwelt am Steinhuder Meer und in seiner weiteren Umgebung. - Wunstdorf
- 49 -
- 50 -
|