Der Kranichzug 1987 bei HöxterVergleich von Frühjahrs- und Herbstbeobachtungen Kurt Preywisch und Jochen Müller Zwischen dem Frühjahrs- und dem Herbstzug 1987 liegt ein bedeutungsvoller Schnitt. Der Naturkundliche Verein Egge-Weser hat eine Geschäftsstelle eingerichtet, die zu feststehenden Zeiten telefonisch erreichbar ist. Sie ist mit einem jungen Zivildienstleistenden besetzt, der vogelkundlich interessiert und erfahren ist. So war es möglich, zu einer umfassenden Beobachtung im ganzen Kreis aufzurufen. Die zweite Liste ist das Ergebnis. Sie mußte teilweise anders bearbeitet werden als die bisherigen. Seit 1954 sammelte der erste Verfasser die Kranichbeobachtungen seiner Schüler am König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter. Im Laufe der Zeit gesellten sich auch andere Beobachter dazu. Dieser Kreis vergrößerte sich, nachdem Meldungen in EGGE-WESER veröffentlicht wurden. Diese Zeitschrift erschien 1981 zum ersten Mal. Von Anfang an wurden die Listen an die "Vogelwarte Helgoland" und an das Ornithologische Mitteilungsblatt Ostwestfalen-Lippe weitergegeben. Seit 1986 tauschen der Verfasser und der Koordinator des World-Wildlife-Found für das Weserbergland, Herr Karl Otto Weilinger, ihre Zusammenstellungen aus. In diesem Frühjahr zogen 2700 Kraniche über den Norden des Kreises Höxter. Bei den Zügen am Morgen ist Rast im Kreis anzunehmen, in einem Fall beobachtet: "Am 20.03. und am 21.03. war ein plötzlicher Kälte-Einbruch. Dies hat dazu geführt, daß Hunderte von Kranichen in der Stahler Feldmark, nahe der Holzmindener Badeanstalt - trotz verdrahteter Landschaft - eine Zwischenrast eingelegt haben." (K.O. Weilinger) - 20 -
Im Nachbarkreis Holzminden wurden auch am 12., 13., 15., 17., 23. und 28. März ziehende Kraniche gesehen. Vergleiche mit den bisherigen Veröffentlichungen aus unserem Kreis wie aus anderen Gegenden der Bundesrepublik machen die Ausnahmestellung einer solchen Massenbeobachtung augenfällig, wie wir sie im Herbst 1987 anstellten. Bei der kleinen Zahl der Angaben der letzten 33 Jahre aus dem Einzugsbereich Höxters konnte man die Summe der jeweils beobachteten Tiere getrost als Minimum annehmen. Das ist jetzt nicht mehr gestattet. Nehmen wir als Beispiel den 21. 11. 77. Aus den 352 Einzelmeldungen dieses Tages müssen wir die möglichen Doppelbeobachtungen herausstreichen. Da die Züge immer wieder verschmelzen oder sich neu teilen, da sie über manchen Orten oft länger kreisen, kann eine Person einen kleinen Zug, eine andere einen großen Teil, eine dritte die ganze Masse gesehen und eine vierte sie nur mehr gehört haben, wenn die Vögel sich inzwischen in die Wolken geschraubt haben. Und wie oft und wo sind die gleichen Tiere auf ihrem rund einstündigem Weg durch den Kreis nochmals gezählt worden? Da mit zunehmender Stärke der Flüge die Gefahr der Oberschätzung wächst, sind deshalb die Angaben zwischen 100 und 300 bis zu 20%, die darüber hinaus bis 40% gekürzt. Wurden viele Züge innerhalb kurzer Zeit über einem Ort von vielen gesehen, war die Gesamtsumme durch die Zahl der Melder zu teilen. Trotzdem kommen wir an diesem Tag des Massenzugs auf eine Summe von über 21000 gemeldeten "Überfliegern". Fassen wir aber die Meldungen zusammen die aus einem Streifen entlang der Nord- und Ostgrenze unseres Gebiets stammen, dann sind knapp 7000 eingeflogen. Danach wäre jeder Kranich rund dreimal gesehen worden. Wie man Mehrfachzählungen aussondern kann, ist in zwei Karten gezeigt. Am 31. 10. (Abb. 1) fliegen die ersten der dargestellten Einsen um 1400 und 1415 über Lüchtringen ein. Sie werden je eine Viertelstunde später über Höxter gesehen. Wahrscheinlich fliegt eine, möglicherweise auch beide, dann durch das Grubetal bei Lütmarsen. Der Schwärm, der um 1515 Bad Driburg überquert, kann aus diesen Tieren bestehen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß die Trupps aus den Einflügen Lüchtringen-Höxter stammen, die um 1515 über Ossendorf auftauchen. Dieses ganze System darf also höchstens als zwei Doppelzüge gewertet werden. Gut passen die großen Massen zueinander, die um 1600 über Brakel und um 1630 über Driburg erscheinen. Nur rechnen wir sie mit 600 statt 1000 Stück an. - 21 -
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Gut möglich ist, daß Herstelle 1600, Borgentreich 1630 und Warburg 1630 zusammengehören, wenn die Zeit hier etwas nach unten und dort nach oben gerundet ist. Es ist möglich, daß auch Boffzen 1610 sich dazugesellt hat. Diese vier Beobachtungen sollten nur einmal gezählt werden. So auch Boffzen 1630 und Godelheim 1630. Die Karte vom 7. 12. (Abb. 2) läßt wegen der vorgeschrittenen Jahreszeit vermuten, daß die Kraniche zügig entlang der Linie Brenkhausen - Ovenhausen - Brakel - Borlinghausen mit rund 50 km/h flogen. Dabei können sich die Scharen in Höxter, Boffzen, Bruchhausen, Erkeln, aber auch (Ovenhausen), Schmechten dazugesellt oder abgesondert haben. Dagegen sind die vier Beobachtungen entlang der Südostgrenze einander kaum zuzuordnen. Wie gut sich die Kraniche wechselnden Wetterbedingungen anpassen, ist am Beispiel der Bosseborner Hochfläche jetzt noch klarer zu belegen. Diese steht ihnen nach dem kraftsparenden Anflug durch die Pforte Bevern-Holzminden-Lüchtringen als Riegel im Wege. Bei klarem Himmel schrauben sich die Verbände über dem Raum Höxter hoch und überfliegen neu geordnet das Plateau geradlinig. Hängen die Wolken tiefer, nutzen sie die Kerben in den Hängen zum Aufstieg. Ist das Wetter besonders schwierig, folgen sie den Tälern von Nethe oder Grube soweit wie möglich. Jetzt wissen wir, daß sie im Raum Ottbergen ganz entsprechend durch Geländelücken aus nordöstlicher Richtung absinken oder den etwas längeren Weg durch das Tal nehmen müssen und dann von Osten kommen. Die Tagessummen der Durchzügler - immer von neuem nach unten gerundet - sind in Abb. 3 nebeneinandergestellt. Diese Summen sind Mindestmengen. Einmal sind die Gruppen nicht zählbar, die nur gehört wurden. Dann haben manche Beobachter nur Züge, keine Einzeltiere gezählt. Schließlich sind selbst durch die engen Maschen unseres Beobachternetzes Mengen von Kranichen geschlüpft. Wie konnte der Masseneinflug am 31. 10. unbemerkt bis Brakel durchkommen? Nicht gewertet wurden aber auch die letzten Meldungen von Ende Dezember. Der eine Beobachter konnte sich nicht zwischen Kranichen und Gänsen entscheiden. Auch die anderen Fälle (Zugrichtung SO) bleiben gänseverdächtig. Auf jeden Fall zogen im Herbst wenigstens 21 000 Kraniche über unseren Kreis in ihre Winterquartiere Südwestspanien, Portugal und auch NW-Afrika. Daß die gleiche Zahl an einem einzigen Tage, dem 21.11. angegeben ist, muß für eine andere Überlegung nicht heruntergerechnet werden. Wollen wir zusammenzählen, wieviele Durchzügler sich in - 24 -
Abb. 4: Gliederung einzelner Abschnitte des Herbstzugs nach der Tageszeit des Durchzugs. Der rechte Teil der Abb. gibt die Zahl der Durchzügler an den drei Tagen im Gegensatz zum linken und mittleren Teil in verschiedenen Signaturen und doppelten Maßstab wieder. - 25 -
jeder Stunde des Tages über unserem Raum aufhielten, reichen die Beobachtungen eines schwachen Zugtages zum Vergleich nicht aus. Im ersten Novemberdrittel ging die Sonne auf Rügen etwa um 0730 auf. Die Hauptmenge zog zwischen 1500 und 1700 durch, konnte in 7 bis 9 Stunden bequem die 300 km bewältigen und brauchte dafür weniger als 40 km/h zu fliegen. Am 21. 11. mußten sich die Tiere mehr sputen. Der Sonnenaufgang war schon eine Viertelstunde später, das Nachtquartier im Südwesten sollte schon vor 1700 erreicht sein. Diesmal standen für die gleiche Strecke - der Darß als ein anderer Hauptsammelplatz liegt nur wenig näher - nur 5-7 Stunden zur Verfügung. Das ergäbe eine Durchschnittsgeschwindigkeit um 50 km/h. Das dritte Diagramm ist eigentlich nicht erlaubt. Nur drei Tage mit geringen Zahlen und völlig verschiedenen Zeiten sind hier zusammengesetzt. Der frühe Durchzug vom 2.12 ging wohl von einem näher gelegenen Sammel- oder Rastplatz aus (Abb. 4) . Sehr frühe oder späte Flugzeiten belegen, daß ein allerdings sehr kleiner Bruchteil der Durchzügler in unserem Raum übernachtet haben muß, so in den Nächten zwischen dem 9. und dem 15. 11., vor und nach dem 21. 11. (Abb. 4), in den späten Stunden des 22., 23. , 24. , 27. 11. und 7. 12. Auffällige Störungen: Als am 21. 11. ein Schwärm die Kante der Bosseborner Hochfläche gerade überfliegen wollte, pirschte sich von der Brunsbergseite ein leicht motorisierter Drachenflieger heran. Die Kraniche ließen sich wie schreckgelähmt fallen und hatten noch nach etwa einer Viertelstunde Mühe, sich vor Aufregung wieder zu sammeln. Am 5. 11. kam wenigstens ein starker Flug die Weser herab aus SO, bog über Höxter nach N, drehte nach NW in das Grubetal, wurde in W-Richtung über Ovenhausen gesehen und bog dann wahrscheinlich in die übliche Flugrichtung nach SW ein. Jedenfalls waren über Bosseborn Schreie zu hören. Am nächsten Tag hörte ein NEW-Mitglied eine Meldung des hessischen Rundfunks. Danach sei in Nordhessen ein Sender erprobt worden, der das Magnetfeld störte. Das hätte die Kranichzüge in Nordhessen zur kurzfristigen Umkehr bewegt. Ob die Radarstationen die Orientierung beeinflussen, soll in einer späteren Veröffentlichung behandelt werden. Das Ergebnis der Umfrage hat alle Erwartungen übertroffen. Herr Jochen Müller hat nicht nur den Ansturm der Meldungen gemeistert, sondern auch mitsamt seiner Familie eine große Zahl wichtiger Beobachtungen beigesteuert. Ihm sei ebenso gedankt wie allen alten und neuen Kranichmeldern. In einem der nächsten Hefte von Egge-Weser wird eine Übersicht über die Kranichzüge bei Höxter von 1954 bis heute erscheinen. Anschriften der Verfasser: - 26 -
Zeichenerklärung: ( / vor Zeit oder Zahl = ungefähr; X bei Zahl = unbekannt ) hinter zwei Zeiten = es handelt sich wohl um den gleichen Zug; KWG bei Beobachter = Klassen des König-Wilhelm-Gymnasiums Höxter durch T. Schmid-Leißler; KOW bei Beobachter = Melder des World-Wildlife-Fund über K.O. Weilinger. Nur ungewöhnliche Flugrichtungen vermerkt. - 27 -
Abb. 3: Tagessummen durchziehender Kraniche - 28 -
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Im Heft ist das Blatt für Seite 30 leer! - 31 -
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