Masseneinflug von Bergfinken (Fringilla montifringilla) im Winter 1987/88von Jochen Müller Der Bergfink (Fringilla montifringilla) brütet in Nordosteuropa und ist bei uns alljährlich als Durchzügler und Wintergast etwa in den Monaten Oktober bis April zu beobachten. Kleinere Trupps und Schwärme halten sich dann bevorzugt in Buchenwäldern, aber auch in der offenen Landschaft auf, und sind nicht selten an Futterhäusern zu entdecken. In Jahren mit einer guten Buchenmast und somit einem reichen Nahrungsangebot für den Bergfinken kann es auch zu Masseneinflügen dieser Vogelart kommen. Eine solche "Invasion" fand im Winter 1987/88 im Kreis Höxter statt. Unterstützt durch die Aufrufe in der Presse wurden Beobachtungen gesammelt, die eine ungefähre Rekonstruktion des Einflugs erlauben. Es muß allerdings gesagt werden, daß in vielen Fällen nur "Finken" oder "Kleinvögel" ohne genaue Bestimmung gemeldet werden. Bei den ungewöhnlich hohen Zahlenangaben ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß es sich um andere Arten als den Bergfink gehandelt hat. Der Herbstzug setzte mit der Beobachtung "eines Trupps" am 30.09.87 bei Ottbergen ein, die dann folgenden Nachweise sind weder jahreszeitlich noch mengenmäßig von Interesse. Erste große Verbände wurden am 06.12. gesichtet, als sich "Tausende" von Finken im Buchenwald zwischen Hardehausen und Kleinenberg aufhielten. Dann reißen die Meldungen ab und setzen mit zahlreichen Beobachtungen gegen Ende des Monats wieder ein. Am 24.12. waren zwischen 14°° und 15°° Uhr über Bad Driburg "10 -15000 " Vögel, "unvorstellbare Massen" zu sehen, die in geringer Höhe südwärts zogen. Sie hatten sich in den Wäldern westlich der Stadt aufgehalten. Auch in den Gärten war ein verstärkter Bergfinkeneinflug festzustellen. Am 03.01.88 wurden nahe Bad Driburg noch einmal "ca. 1000" Bergfinken gesehen, und am 04.01.88 waren hier "ca. 40 Gruppen von je 100 - 500" Vögeln dieser Art zu beobachten, die sich von 815 bis 830 Uhr in südlicher und ab 16°° Uhr in nördlicher Richtung bewegten. - 98 -
Doch auch in den anderen Bereichen der Egge muß der Einflug mit gleicher Stärke stattgefunden haben. In Willebadessen wurden am 03.01.88 um 1630 Uhr "riesige" Vogelschwärme beobachtet, die in "mindestens 10 Gruppen" am Wald entlangzogen. Auch aus Neuenheerse wurden Schwärme angegeben, deren Stärke nicht mehr abzuschätzen war. "Tausende" von Finkenvögeln waren am 24.12.87 am Rehberg westlich von Langeland zu sehen. Ähnliches wiederholte sich hier am 31.12.87 als um 16°° Uhr "starke Flüge" in Südrichtung flogen. Um den 20.12.87 wurden in Merlsheim Beobachtungen gemacht, die von "bis zu 1000" Tieren berichten. In Himmighausen wurde die Zahl der am 31.12.87 von morgens bis nachmittags über den Ort hin und her ziehenden Vögel auf 50000 geschätzt. Ein dort am 29.12.87 Richtung Osten fliegender Schwärm war mit einer Länge von ca. 5 km angegeben. Bei Sandebeck war am 31.12.87 ein "starker Zug" zu sehen, der sich ebenfalls in Ostrichtung bewegte. Im gleichen Zeitraum war der Einflug auch in anderen Teilen des Kreises zu beobachten, allerdings nicht so konzentriert wie in der Egge. So hielten sich "große Massen" an der Emder Höhe auf. Und am 02.01.88 suchten Bergfinken "zu Tausenden" im Buchenaltholz Königslau südlich von Altenbergen nach Nahrung und übernachteten in Fichten. Am 23.12., kurz vor 12°° Uhr, zog ein "kilometerlanger" Schwarm Kleinvögel über Bremerberg in Nordrichtung. Am gleichen Tag hielten sich etwa 200 Bergfinken in einem Buchenmischwald bei Wehrden auf. Zwischen Godelheim und Bosseborn wurden am 01.01.88 "Tausende" von Finken morgens in Buchen festgestellt. Sie flogen in mehreren Schwärmen Richtung südwest ab und waren noch lange als schwarze Wolke zu sehen. Am 03.01.88 überflog ein dichter Pulk von Kleinvögeln, der aus mehreren hundert Exemplaren bestand, von Godelheim in Nordwestrichtung. Somit fand der Masseneinflug in den Tagen um Neujahr offensichtlich im ganzen Kreisgebiet, mit Ausnahme der Bördenlandschaften, statt. In den nächsten Wochen wurden dann zunächst keine größeren Flüge mehr gemeldet, es kamen nur kleinere Tupps bis 30 Vögel zur Beobachtung. Ende Februar stiegen die Zahlen dann auf einmal wieder sprunghaft an. Am 25.02.88 flogen über 1000 Finken aus einem Buchenwald zwischen Beverungen und Blankenau über eine Freifläche. Am gleichen Tag fielen in Wehrden zwei Trupps Bergfinken auf, und um 16°° Uhr wurden nahe Höxter "Hunderte bis Tausende" beim Verzehr von Bucheckern beobachtet. Die Vögel wühlten im Schnee die Blätter hoch, um an die Nahrung zu gelangen. Auch in einem Höxteraner Garten waren Bergfinken seit diesem Tag in einer Anzahl von 25 - 30 Stück anwesend. In den frühen Morgenstunden des 26.02.88 war dann ein deutliches Zuggeschehen in Nordrichtung über der Stadt spürbar, an dem sich über 1000 Vögel beteiligten. Der sehr kurze Zeitraum des Auftretens größerer Schwärme, sowie die Flugrichtungen lassen hier bereits auf einen Rückzug schließen. Nach dieser zweiten Häufung des Auftretens von Bergfinken ebben die Meldungen wieder ab, um dann Ende März, Anfang April einen letzten Höhepunkt zu erreichen. Am 22.03.88 war zwischen Meinbrexen und Beverungen ein mehrere hundert Meter langer Kleinvogelschwarm von teilweise sehr großer Dichte zu sehen, der sich schlauchförmig nach Süden zog. Anfang April folgten mehrere Beobachtungen von kleineren Bergfinkenschwärmen im Wildberg bei Amelunxen, wo sich insgesamt aber einige Hundert Vögel aufgehalten haben dürften. Teilweise waren sie mit Kernbeißern (Coccothraustes coccothraustes) vergesellschaftet. - 99 -
Im benachbarten Bierenberg kam es dann am 09.04.88 noch einmal zu einer außergewöhnlich starken Konzentration. Im ganzen Waldgebiet hatten sich unzählbare Massen von Bergfinken eingefunden. Als die Vögel sich in einem langen Schlauch nacheinander aus den Bäumen lösten und über das freie Feld westwärts zogen, konnte ihre Zahl anhand der vorbeifliegenden Tiere pro Sekunde grob abgeschätzt werden: Es waren ca. 20000. Auch hier werden sich die Vögel auf dem Zug befunden und unseren Raum nur als kurze Zwischenstation genutzt haben. Am 15.04.88 hielten sich noch einige Exemplare auf dem Plateau des Wildberges auf, und die letzte Beobachtung es Bergfinken in diesem Frühjahr stammt von dem am Fuße des Berges gelegenem Forsthaus Laue, wo am 16.04.88 noch wenige Vögel zu sehen waren. Wenn auch "Invasionen" des Bergfinken schon lange bekannt sind und auch vielfach publiziert wurden, so halte ich diese doch für erwähnenswert, da sie für den Kreis Höxter anscheinend einmalig ist und offenbar auch zu den stärksten bisher in Westfalen beobachteten gehört. Zum Schluß noch herzlichen Dank an folgende Damen und Herren, die durch Übermittlung ihrer Beobachtungen auf dieses ungewöhnliche Ereignis aufmerksam machten: Alber, Birkenstock, Grawe, Hagen, Hesse, Hillebrand, Höfferle, Köpke, Lingemann, Müller, Niggemann, J. Oebbeke, G. Oebbeke, A. Ostermann, R. Ostermann, Potente, Roeper, Stephan, Tegethoff, Thöne, Ulsaß, Vogt, von Haxthausen, von und zur Mühlen, Wigge. Literatur: PEITZMEIER, J. (1979): Avifauna von Westfalen FELLENBERG, W. (1988): 17. Ornithologischer Sammelbericht für Westfalen in Charadrius 2/1988 PETERSON, R.; MOUNTFORT, G.; HOLLOM, P.A.D. (1985): Die Vögel Europas
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