Die Mauer des Klosters Hardehausen und ihre PflanzenAntoinette Brockhoff Beschreibung der MauerDie Mauer, die das ehemalige Zisterzienserkloster Hardehausen – jetzt Landvolkshochschule und Jugendhaus des Erzbistums Paderborn – umgibt, ist knapp 2 km lang. Das umgrenzte Grundstück ist fast rechteckig, es enthält die Gebäude, Sportanlagen, Teiche, einen Nutzgarten sowie einen Park, dessen hohe Bäume schattige Bereiche an der Mauer entstehen lassen. Die Richtungen der Mauerteile stimmen beinahe mit den Himmelsrichtungen überein. Die Mauer besteht aus verschiedenen Gesteinen: Sandstein, Kalkstein, Kalksandstein. Für die Lebensmöglichkeiten von Pflanzen ist jedoch weitgehend der kalkhaltige Mörtel entscheidend, da ja ihre Wurzeln in dieses Substrat eingesenkt sind; die meisten gefundenen Arten sind mindestens kalkverträglich. Die breite Mauerkrone bietet einer Anzahl von Pflanzen Lebensraum; einige Arten habe ich nur dort gefunden. Die Mauer ist 250 Jahre alt, Ausbesserungsarbeiten sind immer wieder vorgenommen worden und auch zur Zeit im Gange. Im Frühjahr 1986 wurde ich darauf hingewiesen, daß an einigen Stellen bei dieser Gelegenheit der Pflanzenbewuchs und damit auch die Zuflucht für manche Tiere beseitigt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war das Eingangsportal an der Südseite sorgfältig und historisch getreu restauriert worden, dabei hatte man die Steine sogar von den anhaftenden Flechten gesäubert; ein Anblick, der gewiß manchen Menschen erfreut. In der Umgebung waren zwar die Flechten erhalten geblieben, die Verfugung war aber so sorgfältig durchgeführt worden, daß für absehbare Zeit den Pflanzen die Lebensmöglichkeiten genommen sind. Im Laufe des Sommers wurden stark verfallene Bereiche im Nordteil und im Westteil ausgebessert, aber in den meisten Abschnitten blieben die Pflanzenbestände erhalten. - 88 -
Die Pflanzen in der MauerA. Die SporenpflanzenDie Moose und Flechten habe ich nicht genauer bestimmt; ich habe ein Lebermoos, ein Laubmoos und zwei Flechten, Wandflechte und Rindenflechte beobachtet, vermute aber, daß noch mehr Arten vorkommen. Von den Farnen sind zunächst die beiden Arten zu nennen, die der Mauerrautengesellschaft, dem Asplenietum trichomano - rutae - murariae , den wissenschaftlichen Namen gegeben haben: die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) und der Braunstielige Streifenfarn (Asplenium trichomanes). Beide bilden reiche Bestände, erstere an allen Mauerbereichen, letztere an Schattenseiten. Auch der Zerbrechliche Blasenfarn (Cystopteris fragilis) ist gut vertreten, besonders im Ostteil der Mauer und außerdem an den Stellen, an denen die Mauer etwas feucht ist. Der Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) war nach meiner Erinnerung in früheren Jahren reichlicher vertreten. Er wächst an solchen Stellen, wo die Mauer aus Sandsteinquadern besteht und an denen kaum Mörtel in den Fugen ist. Die beiden als Waldfarne bekannten Arten Wurmfarn (Dryopteris filix-mas) und Frauenfarn (Athyrium filix-femina) wachsen an der Innenseite der Mauer im Parkbereich. B. Die SamenpflanzenDer Südteil der Mauer ist, soweit noch nicht ausgebessert, stark verwittert und trägt einen reichlichen Pflanzenbewuchs, vor allem an licht- und wärmebedürftigen Arten. Hier gedeihen Großblütige, Kleinblütige und Schwarze Königskerze (Verbascum densiflorum, V. thapsus, V. nigrum), Natternkopf (Echium vulgare), Gemeine Kratzdistel (Cirsium vulgare), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Quendel (Thymus serpyllum) und Steinquendel (Calamintha acinos). An der Ecke Hardehauser Straße und Alte Kleinenberger Straße wächst oben aus der Mauerkrone der Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense), erstaunlich nicht nur deshalb, weil er in der näheren Umgebung nicht vorkommt, sondern auch, weil er einer Pf lanzengesellschaft mit ganz anderen Ansprüchen angehört. Außerdem kommen hier noch Habichtskräuter vor, darunter das Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella). Im Westteil der Mauer, an der Alten Kleinenberger Straße, kommen vor allem Berg-Weidenröschen (Epilobium montanum), Ruprechtskraut (Geranium robertianum) und Efeu (Hedera helix) vor. Im Nordteil der Mauer qedeihen auf der Mauerkrone Taubenkropf-Leimkraut und Nickendes Leimkraut (Silene vulgaris, S. nutans), am Fuße Zaun- und Vogel-Wicke (Vicia sepium, V. cracca). Dort keimen immer wieder Eiben (Taxus baccata) aus den Mauerfugen heraus, die aber meist nach wenigen Jahren gelb werden und eingehen. Nur am Fuße der Mauer hat es eine Eibe mittlerweile auf eine Höhe von 1 m gebracht. Große Eiben stehen im Garten hinter der Mauer. Auch bei den übrigen Gehölzen mit saftigen Früchten sind Eltern- und Jungpflanzen meist nicht allzuweit entfernt. Die Vögel, die dort ihre Nahrung finden und damit für die Verbreitung der Samen sorgen, haben es nicht nötig wegzufliegen. Auf der Innenseite, im Garten wurzelt auch der Hopfen (Humulus lupulus), der große Bereiche der Mauer überwächst. Möglicherweise ist er ein Relikt aus der Zeit, in der das dortige Kloster noch sein eigenes Bier braute; damit stimmt überein, daß die gefundenen Pflanzen weiblich sind. - 89 -
Auf der Mauerkrone wachsen im Ostteil der Kleine Ampfer (Rumex acetosella), der Mauerpfeffer (Sedum acre) sowie das Turmkraut (Arabis glabra). In fast allen Mauerabschnitten findet man die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia), die Habichtskräuter (Hieracium spp.) - von denen vermutlich noch weitere, schwer bestimmbare Arten vorkommen, den Gemeinen Hohlzahn (Galeopsis tetrahit) sowie die Sonnenblume (Helianthus annuus), letztere allerdings in Kümmerexemplaren, die es jedoch bis zur Fruchtreife bringen. Am Fuß der Mauer wachsen vielfach Ruderalpflanzen wie Brennessel (Urtica dioica), Giersch (Aegopodium podagraria), Bärenklau (Heracleum sphondylium), Schöllkraut (Chelidonium majus), außerdem die ebenfalls stickstoffbedürftige Kleinblütige Aster (Aster tradescantii), eine der zum Verwildern neigenden nordamerikanischen Arten. Ursprüngliche Gartenpflanzen sind auch die Jungfernrebe (Parthenocissus inserta), das Filzige Hornkraut (Cerastium tomentosum) und der Gelbe Lerchensporn (Corydalis lutea). Bei den ersten beiden Arten ist zu vermuten, daß sie vor langer Zeit dort angepflanzt worden sind; der Gelbe Lerchensporn ist schon so häufig Bestandteil von Mauervegetation, daß er als Assoziationskennart gilt. Innerhalb der Mauer wächst an feuchten Stellen das Zottige Weidenröschen (Epilobium hirsutum), an trockenen Stellen und teilweise an der Mauer das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium). Laubbäume, die in der Mauer keimen, erreichen meist nur ein Alter von wenigen Jahren. An Sträuchern und sonstigen Holzgewächsen findet man Haselnuß (Corylus avellana), Roten Hartriegel (Cornus sanguinea), Gemeinen Schneeball (Viburnum opulus), Stachelbeere (Ribes uva-crispa), Himbeere (Rubus idaeus), Brombeere (Rubus fruticosus) und Kratzbeere (Rubus caesius). Einige dieser Gehölze haben durch ihre Wurzeln in der Mauer Schaden angerichtet. Die Lebensräune in der UmgebungDie in der Mauer vorkommenden Pflanzen haben ihre Hauptvorkommen in verschiedenen Lebensräumen, es sind dies außer den Mauerspalten solche im Halbtrockenrasen (Salbei, Quendel, Steinquendel), an sonstigen trockenen, steinigen Orten (Natternkopf, Steinklee) oder im Wald (Weidenröschen, Habichtskräuter). Diese Lebensbereiche befinden sich in verschiedenen Entfernungen. Ein großes Waldgebiet erstreckt sich im Südwesten, Westen und Norden, der Untergrund ist Sandstein; im Norden befinden sich Klippen ("Opferstein", "Felsenmeer"). Von den dort wachsenden Pflanzenarten finden sich nur wenige, meist kalkverträgliche in der Mauer. Halbtrockenrasen auf kalkhaltigem Boden findet man in etwa 300 - 2000 m Entfernung: der nächstgelegene, kleinflächige nordöstlich am Hang vor dem Wald, weiter entfernt der Hellberg (NSG) in südöstlicher Richtung hinter der B 69 und der Goldberg (geplantes NSG) im Süden. Zwischen der Mauer und diesen Gebieten liegen intensiv bewirtschaftete und stark gedüngte Felder und Wiesen, die artenarm sind, so daß es schwer zu verstehen ist, daß Pflanzen von einem zum anderen dieser Gebiete und zur Mauer gelangen können. Wahrscheinlich gab es früher noch mehr solcher Halbtrockenrasen, die mittlerweile der Kultivierung zum Opfer gefallen sind. Die Entfernungen zu anderen bewachsenen Mauern in den Städten und Ortschaften sind größer. Die Sporen der Mauerfarne können aber, weil sie sehr leicht - 90 -
sind, vom Wind weit verweht werden - allerdings tritt eine Verdünnung mit zunehmender Entfernung ein - und damit auf andere Mauern treffen. Für die Blütenpflanzen ist die Chance nicht so groß: das Zymbelkraut (Linaria cymbalaria) habe ich nicht gefunden. Bei ihm krümmen sich die Fruchtstiele in die Mauerritzen, wodurch es einen besetzten Standort behaupten, aber nicht leicht einen neuen erobern kann. Wie sich aus diesen Ausführungen ergibt, stellen alte Mauern in unserer an Arten verarmten Umwelt ein Refugium für zahlreiche Pflanzen - und Tiere - dar. Bei Ausbesserungsarbeiten - wie sie zur Zeit vielerorts im Gange sind, sollte man sich bemühen, diese zu schonen. Liste der an und in unmittelbarer Umgebung der Mauer wachsenden Pflanzen A. Farne Asplenium ruta-muraria – Mauerraute Asplenium trichomanes – Braunstieliger Streifenfarn Athyrium filix-femina – Wald-Frauenfarn Cystopteris fragilis – Zerbrechlicher Blasenfarn Dryopteris filix-mas – Wurmfarn Polypodium vulgare – Tüpfelfarn B. Samenpflanzen Achillea millefolium – Schaf-Garbe Aegopodium podagraria – Giersch Angelica sylvestris – Wald-Engelwurz Arabis glabra – Turmkraut Arenaria serpyllifolia – Sandkraut Artemisia vulgaris – Beifuß Aster tradescantii – Kleinblütige Aster Betula pendula – Hänge-Birke Calamintha acinos – Steinquendel Calystegia sepium – Zaunwinde Campanula rotundifolia – Rundblättrige Glockenblume Capsella bursa-pastoris – Hirtentäschel Carpinus betulus – Hainbuche Carum carvi – Kümmel Cerastium tomentosum – Filziges Hornkraut Chelidonium majus – Schöllkraut Chrysanthemum leucanthemum Margerite Chrysanthemum vulgare – Rainfarn Cirsium arvense – Acker-Kratzdistel Cirsium vulgare – Gemeine Kratzdistel Corydalis lutea – Gelber Lerchensporn Corylus avellana Haselnuß Daucus carota – Wilde Möhre Echium vulgare – Natternkopf Epilobium angustifolium – Schmalblättriges Weidenröschen Epilobium hirsutum – Zottiges Weidenröschen - 91 -
Epilobium montanum – Berg-Weidenröschen Fagus sylvatica – Rotbuche Fragaria vesca – Wald-Erdbeere Fraxinus excelsior – Esche Galeopsis tetrahit – Gemeiner Hohlzahn Galium moliugo – Gemeines Labkraut Galium verum – Echtes Labkraut Geranium pratense – Wiesen-Storchschnabel Geranium robertianum – Ruprechtskraut Hedera helix – Efeu Helianthus annuus – Sonnenblume Heracleum sphondylium – Wiesen-Bärenklau Hieracium lachenalii – Gemeines Habichtskraut Hieracium pilosella – Mausohr-Habichtskraut Hieracium umbellatum – Dolden-Habichtskraut Humulus lupulus – Hopfen Lamium album – Weiße Taubnessel Medicago lupulina – Hopfenklee Melilotus albus – Weißer Steinklee Melilotus officinalis – Echter Steinklee Oxalis acetosella – Sauerklee Parthenocissus inserta – Fünfblättrige Jungfernrebe Pimpinella magna – Große Bibernelle Pimpinella saxifraga – Kleine Bibernelle Plantago major – Großer Wegerich Potentilla tabernaemontani – Frühlings-Fingerkraut Populus nigra – Schwarz-Pappel Quercus robur – Stiel-Eiche Ribes uva-crispa – Stachelbeere Rosa canina – Hunds-Rose Rubus caesius – Kratzbeere Rubus fruticosus – Brombeere Rubus idaeus – Himbeere Rumex acetosella – Kleiner Ampfer Salvia pratensis – Wiesen-Salbei Scabiosa columbaria – Tauben-Skabiose Sambucus nigra – Schwarzer Holunder Sedum acre – Scharfer Mauerpfeffer Silene nutans – Nickendes Leimkraut Silene vulgaris – Taubenkropf-Leimkraut Solanum dulcamara – Bittersüßer Nachtschatten Sonchus asper – Dornige Gänsedistel Sorbus aucuparia – Eberesche Stellaria media – Vogel-Sternmiere Taraxacum officinale – Gemeiner Löwenzahn Taxus baccata – Eibe Thlaspi arvense – Acker-Hellerkraut Thymus serpyllum – Quendel Urtica dioica – Große Brennessel - 92 -
Verbascum densiflorum – Große Königskerze Verbascum nigrum – Schwarze Königskerze Verbascum thapsus – Kleine Königskerze Viburnum opulus – Gemeiner Schneeball Vicia craccav – Vogel-Wicke Vicia sepium – Zaun-Wicke SchriftenELLENBERG, H. -1979- Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. 2. Aufl. - Scripta geobot. 9: 1-122. Göttingen. RUNGE, F. -1986- Die Pflanzengesellschaften Mitteleuropas. 8./9. Aufl. - Münster: Aschendorff. (291 S.). SCHMEIL-FITSCHEN -1982- Flora von Deutschland und den angrenzenden Gebieten. 87. Aufl. (Bearb. v. W. RAUH & Kh. SENGHAS). - Heidelberg: Quelle & Meyer. (606 S.). Anschrift der Verfasserin: |