EGGE-WESER 1985/02 Band 3 / Heft 2 72-77

Waren dies die letzten Wanderfalken im Teutoburger Wald ?

Volker Konrad

Vogelkundler werden nicht nur von Vögeln, sondern wohl noch häufiger von ihren Mitmenschen mit außergewöhnlichen Geschichten konfrontiert. Dabei stößt der Betroffene mitunter auf interessante Dinge.

So erzählte mir ein Kollege, daß sein Großvater, Herr Karl Gerhard in Holzminden, schon in den dreißiger Jahren Wanderfalken am Horst fotografiert hätte. Natürlich interessiert mich alles, was mit dem (auch früheren) Vorkommen von Vögeln in unserer Umgebung zusammenhängt. Also verfolgte ich diese Andeutung.

Der Fotograf verstarb schon 1944. Von seinem Enkel erfuhr ich, daß er damals mit einer Plattenkamera die Tierwelt der Umgebung Holzmindens fotografierte. Das Modell des Fotoapparats war nicht mehr zu erfahren, die Kamera nicht mehr in Familienbesitz. Auch Wanderfalken hatte Herr Gerhard aufgenommen. Dazu war er in den Teutoburger Wald gefahren. Eine genauere Ortsangabe konnte ich nicht erhalten. Nach Angaben der Tochter muß das zwischen 1936 und 1942 gewesen sein. Glücklicherweise existieren noch viele Glasplatten dieser Fotos.

Ich habe diese Bilder entwickeln lassen und finde, daß einige von ihnen recht gut sind, auch mit heutigen Fotomaßstäben gemessen. Bedenkt man Zeit und Ort, dann sind sie sicherlich ausgezeichnet. Da ich annehme, daß diese interessanten Lichtbilder nie veröffentlicht wurden, habe ich mir die Mühe gemacht, eine Auswahl zusammenzustellen, und einen Kommentar versucht.

Offensichtlich sind alle Fotos von demselben Horst. Nach der Ausbildung der Steine, Zweige, Wurzeln und Blumen könnten sogar alle Bilder aus einem einzigen Frühjahr stammen. Das wird auch von Herrn Gerhards Enkel angenommen. Davon ausgehend wäre es dem Fotografen damals schon gelungen, auf kürzeste Distanz mit schwerem unhandlichen Gerät wesentliche Phasen einer Wanderfalkenbrut in freier Wildbahn im Bilde festzuhalten. Dabei sind anscheinend vorübergehend zwei der Jungvögel zu Portraitaufnahmen aus dem Horst genommen worden. Leider fehlt eine Aufnahme der Horstwand.

Die Geschlechtsangaben für die Altvögel sind Vermutungen, die insbesondere auf dem Vergleich der Bilder 12 und 13 beruhen. Neben dem Größenunterschied lassen sich auch verschiedene Zeichnungsmerkmale erkennen, besonders im Gesicht und im Oberflügel.

Daß diese Brut anscheinend erfolgreich ausflog, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß solche Unternehmen eine ungeheure Gefährdung der Brut bedeuten! Heute ist das Fotografieren von Wanderfalken und anderen seltenen Vogelarten am Nest verboten, weil durch Tierfotografen zahlreiche Brutversuche erfolglos blieben. Dabei spielt es keine Rolle, daß auch noch andere Ursachen zum Rückgang des Wanderfalken geführt haben.


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1 - Das Gelege hat 3 Eier. Das Vorfeld ist noch sauber. 2 - Der Terzel am Gelege. 3 - Das Weibchen am Gelege. 4 - Der Terzel brütet.


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5 - Wie so häufig fiel auch am Anfang dieser Brut noch Schnee. Der Terzel brütet. 6 - Die Jungfalken sind etwa 1 Woche alt. Das Vorfeld des Horstes wird schmutzig. 7 - Das Weibchen füttert ein etwa 2 Wochen altes Junges. 8 - Wurde hier die spätere Entnahme von 2 Jungen geprobt? Ist das Weibchen durch die Aufnahme abgelenkt?


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9 - 2 Junge sind dem Horst zur "Portraitaufnahme" entnommen. 10 - Der Jungfalke im Horst soll den Eltern signalisieren, daß dieser nicht verlassen ist. 11 - Nach ungefähr 4 Wochen ist der Horst mit Beuteresten und Kot völlig verschmutzt. 12 - Ein Jungfalke bei Flugübungen.


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13 - Der Terzel hat Beute gebracht. Ist das 3. Junge noch im Horst? 14 - Das Weibchen am Horst. 2 Jungfalken sitzen bereits außerhalb in der Wand. 15 - 2 Jungtiere außerhalb des Nests am Hang. 16 - Der Terzel im leeren Horst (auf ihn fixiert?). Die 3 Jungen sitzen oben rechts am Hang.


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Anschrift des Verfassers: Volker Konrad,
Moltkestraße 6,
3450 Holzminden

 

Anmerkung der Schriftleitung:

Im Sommer 1985 fuhren Volker Konrad und Kurt Preywisch in das Naturschutzgebiet Velmerstoot an der Nordwestecke des Kreises Höxter. Dort war 1954 während der Brut ein Wanderfalkenhorst in die Luft gesprengt worden und seitdem verlassen. Trotz gewisser Abbrüche ähnelte das Bild in der Steilwand des ehemaligen Steinbruchs sehr der Situation der hier gezeigten Bilder. Der Vergleich wurde etwas erschwert, denn die Kopien der Platten sind seitenverkehrt.

Der vermutete ehemalige Horstplatz ist für geübte Kletterer gut zugänglich, jedenfalls besser als es bei den Wanderfalken-Horsten entlang der Weser erkennbar war. Das erklärt den weiten Weg des Fotografen zu diesem Horst. Ein weiterer Beweggrund für die Aufnahmen an diesem Platz wäre seine Einsamkeit gewesen.

Nach GOETHE, F. (1948): Vogelwelt und Vogelleben im Teutoburgerwald-Gebiet. Detmold (Aus dem Lippischen Landesmuseum) gab es in der fraglichen Zeit mehrere Horste des Wanderfalken im diesem Raum. Ihre Standorte verriet GOETHE nicht, gab aber an, daß sie im Landesmuseum in Detmold hinterlegt seien. Es gibt im Teutoburger Wald eine Anzahl von Steinbrüchen im Sandstein der Unterkreide. Doch liegen sie viel verkehrsgünstiger und dürften stärker verändert sein. Deshalb haben wir diese Spuren nicht weiter verfolgt.

Vielleicht zeigt die Veröffentlichung dieser Bildreihe, die weniger als die Hälfte der vorhandenen Aufnahmen enthält, doch noch eine andere Spur auf. Daß der Velmerstoot genaugenommen nicht zum Teutoburger Wald, sondern zur Egge gehört, stört wohl nur den Geografen, nicht den Fotografen.


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