EGGE-WESER 1985/02 Band 3 / Heft 2 68-71

Falterbeobachtungen an einen Teilstück der B 252 im Kreis Höxter

Johannes Nutt

Tote Tiere am Straßenrand, besonders Kröten, Igel und Hasen, gehören heute schon zum alltäglichen Bild. Zu den häufigsten Tieren, die dem Straßenverkehr zum Opfer fallen, zählen die Insekten. Wer ein Auto besitzt, weiß selbst, wie viele Tiere an der Windschutzscheibe und am Kühlergrill haften bleiben. Da ich selbst bei meinen Beobachtungen an Straßenrändern immer wieder tote Falter fand, kam mir Anfang Mai des Jahres 1983 die Idee, diese Falter aufzusammeln und die Funde auszuwerten. Die Idee einer solchen Statistik ist jedoch nicht neu, da einzelne Jagdschutzverbände über die im Straßenverkehr getöteten jagdbaren Wildtiere eine Liste führen und so über Schäden und Verluste Auskunft geben können.

Da ich bis Ende des Jahres 1983 in Peckelsheim (Kreis Höxter) wohnte, bot sich als Sammelplatz ein Teilstück der B 252 zwischen den Orten Peckelsheim und Niesen an. Dazu eine kurze Beschreibung: Zahlreiche Linden und Birken säumen diese etwa zwei Kilometer lange und gut ausgebaute Strecke. Die Straße, auf einem Damm aufgeschüttet, verläuft in Nord-Süd-Richtung und besitzt im Vergleich zu anderen Straßen größere Böschungen. Die zur Ostseite zeigende Böschung weist ähnlich wie die östliche Alleehälfte ein größeres Vorkommen von Schmetterlingen auf. Ursache hierfür dürfte zum einen die größere Sonnenschein- und Wärmeintensität sein, andererseits werden die meist vorherrschenden Westwinde durch die gegenüberliegende Böschung abgehalten.


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Da ich aus beruflichen Gründen nur an Wochenenden in meinem Heimatort weilte, beschränkte ich das Sammeln auf diesen Zeitraum. Ein Sammeln im Monat Mai war wegen der vielen Regentage zwecklos. Die Funde sind in der folgenden Übersicht dargestellt.

Übersicht über die Falterfunde 1983

Die Hauptflugzeit der meisten Falter scheint hier der Monat Juli zu sein. Die häufigsten Arten sind Pieris rapae L., P. napi L. und Aphantopus hyperantus L. Da einige Arten, insbesondere Aglais urticae L., im Jahre 1983 ein Populationsminimum durchliefen, sind die wenigen Funde dieser sonst häufigen Art durchaus erklärbar. Die Bestände haben sich jedoch im Jahre 1984, wie ich beobachten konnte, wieder gut erholt. Auffallend das regelmäßige Auftreten von Gonepteryx rhamni L. im Juli, den ich bisher nicht beobachten konnte. Da G. rhamni L. zu den Binnenwanderern 1. Ordnung gezählt wird, findet möglicherweise zwischen den Waldgebieten Hoddenberg (Peckelsheim) und Fahlenbruch (Schweckhausen) ein Austausch der Populationen statt (siehe Karte). In beiden Waldgebieten hat der Bestand von G. rhamni L. in den letzten drei Jahren erfreulicher Weise zugenommen.

Was die Flugzeit von G. rhamni L. angeht, möchte ich hier auf Angaben in der Literatur eingehen. In einigen Büchern, z. B. "British Butterflies" und dem "Kosmosbuch der Schmetterlinge", wird die Flugzeit mit "Mitte Juli bis September" angegeben. Bei HIGGINS und RILEY (1978) heißt es jedoch: "ab Ende Juni in einer Generation. Die Falter setzen sich bereits im Juli zur Ruhe...". Lediglich die Flugzeit der überwinterten Falter stimmt mit "bis Anfang Juni" mit anderen Angaben überein. Die Beobachtungen bei Peckelsheim scheinen mit den Ausführungen von HIGGINS und RILEY übereinzustimmen.

Der am 31.7. gefundene "Zitonenfalter" stellte sich bei näherer Betrachtung überraschenderweise als G. Cleopatra L. heraus. Da diese Art nur im Mittelmeerraum vorkommt, ist anzunehmen, daß das Tier durch ein Fahrzeug eingeschleppt worden ist. Es waren lediglich die noch zusammenhängenden Flügel vorhanden, der Körper war bereits von Ameisen beseitigt worden.

Zur Genauigkeit der Werte in der Tabelle sei gesagt, daß sie sicher nur ein ungenaues Bild über die Anzahl der getöteten Falter wiedergeben kann. Einen Grund erwähnte ich schon, nämlich das Aufsammeln ausschließlich an den Wochenenden. In der Zwischenzeit konnten Ameisen die Tierkörper beseitigen und der Wind die Überreste forttragen. Hinzu kommt, daß viele Falter an den Fahrzeugen hängenbleiben, kleinere Falter schieden wegen ihrer Größe ohnehin aus. Manche Tiere sind auch von mir übersehen worden, da sie in der hohen Vegetation der Böschungen lagen, obwohl ich auch hier gesucht habe. Der Genauigkeit wegen habe ich mich ausschließlich auf die bunten und leicht zu findenden Tagfalter konzentriert, habe aber größere Nachtfalter, die mir auffielen, auch mit berücksichtigt. Einige bekannte Arten sind deshalb in der Tabelle erwähnt.


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Man muß davon ausgehen, daß allein durch Autofahrten eine starke Dezimierung der Insektenfauna stattfindet. Das ist sicher ein Beweis mehr dafür, daß wissenschaftlich arbeitende Entomologen in der Regel unmöglich am Seltenerwerden, wie immer behauptet wird, beteiligt sein können. Abhilfe schaffen kann hier nur eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit und ein Verzicht auf alle unnötigen Autofahrten. Leider läßt eine ausschließlich auf's Auto orientierte Verkehrspolitik jegliche Hoffnung im Keim ersticken. Die Böschungen an der B 252 sind außerdem durch Getränkedosen und Flaschen verunreinigt, die nur von den Autoinsassen stammen können. Das ist nicht nur für die Natur, sondern auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr.

Mit dem Sammeln toter Falter möchte ich weniger den erfahrenen Entomologen ansprechen, sondern mehr den interessierten Laien, der sich erstmals mit der Entomologie beschäftigt. Da viele Falter noch gut erhalten sind, lassen sich an ihnen Präparationsübungen vornehmen, um so für spätere Arbeiten Erfahrungen zu sammeln. Auch lassen sie sich für Foto- und Mikroskopierarbeiten noch verwenden, ohne daß lebende Tiere zusätzlich getötet werden müssen. Sammeln toter Falter ist also praktizierter Artenschutz. Da die Vegetation an Straßenböschungen recht verschieden sein kann, sind an anderen Straßen auch andere Arten zu finden. So wäre es interessant, einmal an der Landstraße Willebadessen - Fölsen die getöteten Widderchen aufzusammeln.

Die Sammelaktion mußte ich Ende August aufgeben, da die Straße neu asphaltiert wurde. Allzu rücksichtsvoll wurde die Natur auch hierbei nicht behandelt. Die Abfälle, die beim Abfräsen der Farbmarkierungsstreifen anfielen, wurden zum Teil in natürliche Wirtschaftswege oder sogar an die Böschungen geschüttet, die Grünstreifen (Bankette) am Straßenrand großzügig beiseite geschoben, und grobe Asphaltklumpen blieben vielerorts am Straßenrand in der Vegetation zurück.

Ich konzentrierte mich daher auf die Beobachtung anderer Falter an den Böschungen und Bäumen. So trat 1983 erstmalig ein Exemplar von Zygaena filipendulae L. an diesem Straßenabschnitt auf. Leider wurde der Fundort später beim Abflämmen eines Stoppelfeldes zerstört. Seit 1983 hat sich Z. filipendulae L. auch in einem alten Steinbruch bei Schweckhausen erfolgreich angesiedelt. Hält die Ausbreitung dieser und anderer Zygaenen aus Richtung Willebadessen an, so dürften auch an einigen neuen Straßenböschungen bald diese Arten zu beobachten sein, z. B. an der Umgehungsstraße Bonenburg.

Für mich als Fotofreund war das Aufsuchen der Raupen an den Straßenbäumen sehr lohnend. Raupen von Pieris brassicae L. waren jedoch sehr häufig parasitiert. Auch die Puppen, von denen ich einige mitnehmen konnte, ergaben keine Falter. Beliebter Verpuppungsort waren die Birkenstämme, vielleicht wegen des neutralen Hintergrundes. Die Raupen des Mondvogels (Phalera bucephala L.), vorwiegend an den wilden Austrieben der Lindenbäume zu finden, stellten nicht nur die häufigste Art dar, sondern auch ein lohnendes Fotomotiv. Obwohl ich P. bucephala L. ein Jahr zuvor bei Fölsen auf Birken beobachten konnte, wurden hier an der B 252 die Linden bevorzugt. Weniger durch den Wind als durch den Sog der vorbeifahrenden Autos werden viele Raupen auf die Straße geschleudert, überfahren und die Populationen weiter dezimiert. Einige weitere bekannte und auffallende Arten an diesen Bäumen sind:

Dasychira pudibunda L. Rotschwanz
Mamestra pisi L. Erbseneule
Apatele psi L. Pfeileule
Ptilodon capucina L. (= camelina L.) Kamelspinner
Notodonta dromedarius L. Erlenzahnspinner
Biston betularia L. Birkenspanner
Laothoe populi L. Pappelschwärmer

in der Vegetation:

Arctia caja L. Brauner Bär
Dellephila elpenor L. Mittlerer Weinschwärmer

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Durch die geplante Umgehungsstraße Peckelsheim wird der Baumbestand an der B 252 sowie an den anderen Straßen um ca. l00 Bäume reduziert. Der Eingriff wird sich nicht nur auf den Bestand der Falter sehr negativ auswirken. Eine Umpflanzung der Bäume, soweit wie möglich, ebenso die von Naturschützern geforderten Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen werden wahrscheinlich am fehlenden Engagement des Landesstraßenbauamtes Paderborn sowie der Stadt Willebadessen scheitern. Wie schnell die geplanten und vom Deutschen Bund für Vogel- und Naturschutz vorgeschlagenen Trockenrasenböschungen an der Umgehungsstraße von Schmetterlingen aus der Umgebung besiedelt werden, hängt ganz vom Willen der Stadt Willebadessen ab, die jetzt noch vorhandenen Trockenrasenflächen im Gebiet der Stadt unter Naturschutz zu stellen. Bei allem, was sich im Naturschutz der Stadt Willebadessen in den letzten Jahren ereignet hat, gibt es jedoch keinen Grund, hier besonders optimistisch zu sein.

Literaturhinweise:

BLAB, J. und O. KUDRNA (1982): Hilfsprogramm für Schmetterlinge. Ökologie und Schutz von Tagfaltern und Widderchen. Naturschutz Aktuell Nr. 6. Kilda Verlag, Greven.

BROOKS, M. and Ch. KNIGHT (1982): British Butterflies. Jonathan Cope, London.

EITSCHBERGER, U. und H. STEINIGER (1973): Aufruf zur internationalen Zusammenarbeit an der Erforschung des Wanderphänomens bei den Insekten. - Atlanta 4, 133 - 143.

HIGGINS, L.G. und N.D. RILEY (1976): Die Tagfalter Europas und Nordafrikas. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin.

MELF (1983): Bilanz der Jagdstrecke 1982/83 in NRW. Mitt. LÖLF 8, Heft 3. 78.

NOVAK, I. und F. SEVERA (1980): Der Kosmos Schmetterlingsführer. Franckh, Stuttgart.

PHILIPS, R. und D. CARTER (1983): Das Kosmosbuch der Schmetterlinge. Franckh, Stuttgart.

REICHOLF-RIEHM, H. (1983): Schmetterlinge. Steinbachs Naturführer. Mosaik Verlag, München

WASNER, U. (1984): Schonende Straßenrandpflege läßt Kleintierfauna überleben. Mitt. LÖLF 9, Heft 2, 9 - 16.

WOLFF-STRAUB, R. (1984): Saumbiotope. Mitt. LÖLF 9. Heft l, 33 - 36.

 

Anschrift des Verfassers: Johannes Nutt, Ehlentruper Weg 112a, 4800 Bielefeld 1

 

Wir danken dem Verfasser, daß er uns erlaubt hat, diese anregende Arbeit abzudrucken. Sie ist erschienen in den MITTEILUNGEN der Arbeitsgemeinschaft ostwestfälisch-lippischer ENTOMOLOGEN, Band 3 (Nr.31), S. 9-15.

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