EGGE-WESER | 1985/01 | Band 3 / Heft 1 | 29-30 |
Stefan Häcker
Im Rahmen der Amphibienkartierung im Stadtgebiet von Höxter, die die ökologische Arbeitsgemeinschaft der Uni-GH Paderborn, Abt. Höxter, durchführt, wurde an der K 56 zwischen Amelunxen und Wehrden in Höhe des ehemaligen Forsthauses Laue ein Krötenzaun aufgebaut und während der Laichplatzwanderung der Erdkröten von Ende März bis Ende Mai 1984 regelmäßig überwacht. Die Ergebnisse der Aktion und einige Beobachtungen, die als Grundlage für zukünftige Hilfsmaßnahmen dienen sollen, werden im folgenden dargestellt.
Bereits, seit 1981 wurden von Mitgliedern des Deutschen Bundes für Vogelschutz in jedem Frühjahr Maschendrahtzäune beidseitig der Straße im unmittelbaren Bereich des Laichgewässers aufgebaut. Die Fangeimer wurden ein- bis zweimal täglich kontrolliert, die Tiere arten- und mengenmäßig aber nicht registriert. Der alte Zaun wurde 1984 durch Anhängen von Kunststoffmaterial der Öko-AG verlängert. Zur Gewinnung genauerer Daten übernahm ich die Kontrolle der Anlage.
Der Krötenzaun sollte den Straßentod der Amphibien beim überqueren der K 56 verhindern, die in nur 15 m Abstand das Laichgewässer passiert. Das ca. 800 gm große Gewässer ist Bestandteil einer alten Fischteichanlage am Forsthaus Laue südöstlich von Amelunxen, Stadt Beverungen. Es ist als einziger von drei Teichen ganzjährig wasserführend erhalten.
Die Umgebung des Laichplatzes ist recht vielgestaltig. Die trockengefallenen Teile der Anlage befinden sich in mehr oder weniger fortgeschrittenen Sukzessionsstadien. Zum Teil sind sie bereits stark verbuscht. Im Süden schließen sich größere Buchenwaldbestände auf dem ziemlich steilen Nordhang des Wildberges an das Gebiet an. Nach Westen hin stocken talwärts bachbegleitende Eschenwälder und Eichenbestände mit üppiger Strauch- und Krautschicht, im Norden und Osten wachsen Buchenwald und Fichtenforst.
Um die Schwerpunkte der Straßenüberquerung zu erfassen, wurden die Zahlen der gefangenen Erdkröten 1) nach Fangeimern getrennt notiert. Zusätzlich wurde das ganze durch Waldgebiet führende Straßenstück der K 56 in fünf Abschnitte geteilt und täglich auf überfahrene Amphibien untersucht.
Die Eimer wurden täglich morgens geleert, zur Hauptwanderzeit auch ein zweites Mal abends. Überfahrene Tiere wurden abgesammelt, so daß Mehrfachzählungen ausgeschlossen waren. Der Krötenzaun erfaßte nur die Tiere, die aus südlichen Richtungen zum Laichgewässer wanderten. Über den möglichen Zustrom aus Norden liegen keinerlei Beobachtungen vor.
Die Laichplatzwanderung der Amphibien wurde durch langanhaltende trocken-kalte Witterung zum Winterausklang etwas hinausgezögert. Ziemlich trockenes Wetter mit kalten Nächten, Bodenfrostgefahr und zeitweise erheblichen Temperaturschwankungen im Tagesverlauf war danach auch für fast die gesagte Zeit der Frühjahrswanderung charakteristisch. Erst nach Abflauen der Wanderaktivität im Mai fielen nennenswerte Niederschläge.
Die ersten Kröten fingen sich am 29.3. 2) in den Eimern. Der Höhepunkt der Zuwanderung wurde jedoch nach einem Kälteeinbruch erst am 15./16.4. erreicht. Bis zum 24.4. hatten die meisten Tiere die Straße überquert. Die Rückwanderung setzte am 16.4. ein. Sie erreichte ihre Maxima am 22./23.4. und am 30.4./1.5.. Vergleicht man den Witterungsverlauf mit dem wanderverhalten der Erdkröten, so fällt auf, daß die Spitzen der Aktivität der Tiere exakt mit tagwarmen Wetterphasen korrelieren. Gleichzeitig liegen die Nachttemperaturen im Bereich des höhere Erdkrötenaktivität gestattenden Mindestwertes von 5° C.(vgl. HEUSSER, 1968).
Durch das Fehlen der wanderungsbegünstigenden Komponente "Regen" (HEUSSER, 1968) waren die Erdkröten mit fortschreitender Zeit gezwungen, ihren Laichplatz auch bei trockenem Wetter aufzusuchen. Dieses geschah am 15.,19.,21. und 22.4. auch tagsüber (T) in erheblichem Maße.
1) Molche fingen sich in den Eimern in nur so geringer Zahl, daß sie hierbei nicht aufgeführt werden.
2) Der Zaun war am 28.3. spontan aufgebaut worden, nachdem am 26. und 27.3. an verschiedenen Stellen im Wesertal die Krötenwanderung eingesetzt hatte Aufgrund eines Kälteeinbruchs wies die Hinwanderung zwei Maxima auf, wobei über die zweite Spitze leider infolge Fremdleerung (F) der Eimer keine Aussage gemacht werden konnte.
Aufgrund eines Kälteeinbruchs wies die Hinwanderung zwei Maxima auf, wobei über die zweite Spitze leider infolge Fremdleerung (F) der Eimer keine Aussage gemacht
werden konnte.
Die Rückwanderung überschnitt sich mit dem zweiten Zuwandererschub. Auch hier kam es zu einem zweiten Höhepunkt, entsprechend der unterbrochenen Hinwanderung und infolge wiederum sehr kühler Nachttemperaturen bei weiterhin trockenem Wetter. Ihren Abschluß fand die Frühjahrswanderung der Kröten um den 7./8.5.. Einzelne Tiere wanderten jedoch noch bis Anfang Juni zu und ab. Anfang Juni wurde der Zaun abgebaut.
Insgesamt fingen sich auf Zu- und Abwanderung 2344 Erdkröten in den Eimern. Dabei fiel die Anzahl auf der Hinwanderung mit 1140 (752,388) Exemplaren etwas geringer aus als die der Rückwanderung (1204; 909,295). Die Differenz ließe sich mit der Fremdleerung erklären, bei der die Tiere aus allen Eimern in den Teich gesetzt wurden.
Das Diagramm zeigt für die Zuwanderung parallel verlaufende Geschlechterkurven , d.h. ♂♂ und ♀♀ wanderten zur gleichen Zeit. Auf der Rückwanderung kommt es diesbezüglich allerdings zu erheblichen Verschiebungen. Tagen mit fast ausschließlicher ♀♀-Abwanderung (Beginn) folgen die Spitzen mit auffallendem ♂♂-Überschuß (vgl. HEUSSER, 1968). Das Geschlechterverhältnis ♂♂ zu ♀♀ beträgt auf der Hinwanderung 1,9: 1 (♀♀-Anteil = 34%) und ist, verglichen mit den Angaben aus der Literatur (z.B. GÜSSLING et al., 1981), für Erdkröten sehr günstig. Bei den auf der Rückwanderung erfaßten Tieren verschiebt sich das Verhältnis eigenartigerweise mit 3,08: l (= 24,5% ♀♀ zugunsten der ♀♀. Die Vermehrung der ♂♂ und der gleichzeitige Schwund der ♀♀ läßt eine Abweichung vom zuvor genommenen Weg vermuten. Die Tiere gehen offensichtlich nicht exakt den gleichen Weg zurück. Die Tatsache, daß die Gesamtzahl der erfaßten Kröten auf Hin- und Rückwanderung konstant bleibt, deutet darauf hin, daß die Kürze des Zaunes eine Fehlerquelle darstellt, die die gewonnenen Zahlen nur bedingt als repräsentativ für die Gesamtpopulation erscheinen läßt.
Die Frequentierung der Eimer zeigt einen deutlichen Schwerpunkt in Höhe des Teiches. Die niedrigen Zahlen der Endeimer dürften darauf zurückzuführen sein, daß streng Richtung Laichgewässer wandernde Tiere diese nur zufällig treffen konnten. Es ist anzunehmen, daß bei Verlängerung des Zaunes auch hier die Fangzahlen wesentlich höher lägen.
Tab. 1: Erdkrötenzahlen der einzelnen Eimer
Der Krötenzaun konnte nicht verhindern, daß auch weiterhin eine große Zahl von Amphibien dem Straßenverkehr zum Opfer fiel. Das lag zum einen an der Beschaffenheit eines Teilstückes der Absperrung (Drahtgeflecht), zum anderen an dessen unzureichender Länge. Betroffen waren von den sechs im Gebiet festgestellten Arten fast ausschließlich die häufigeren Erdkröte, Berg- und Teichmolch. Die Aufschlüsselung der Unfallzahlen nach Straßenabschnitten ergibt Maxima der Erdkrötenopfer außerhalb der Zaunabschnitte. Im Bereich des Drahtzaunes kam es an drei Tagen während der ersten Spitze ebenfalls zu zahlreichen Unfällen, da etliche Kröten (selbst Paare!) den Zaun überstiegen, bzw. durch undichte Stellen auf die Straße gelangten.
In diesen Bereich fällt auch der Schwerpunkt der Molchverluste (205 Berg- und 24 Teichmolche). Das Drahtgeflecht war für jeden Molch passierbar, weshalb man zu Recht von "Krötenzaun" sprechen konnte. Die relativ hohen Verlustzahlen in den entfernter liegenden Abschnitten IV und V dürften der Molchpopulation im Tümpel auf dem Mülldeponiegelände westlich Wehrden zuzurechnen sein.
Tab. 2: Überfahrene Amphibien
Um bei Amphibienhilfsaktionen keine Gefahren für Tiere aller Art entstehen zu lassen, sind eine Reihe von Punkten zu beachten .
Der Zaun muß für alle Amphibien unüberwindbar sein. Weitmaschiges Drahtgeflecht ist daher unbrauchbar. Zudem sollte er täglich auf seine Stabilität geprüft werden.
Die Fangeimer werden in Abständen von nicht mehr als 30-40 m ebenerdig eingegraben. Zu achten ist dabei darauf, daß sie weder von hoch anstehendem Grundwasser hochgedrückt werden können (etwa in Gräben), noch selbst Wasser sammeln. Alle Eimer sollten am Grunde mit Laub als Versteckmöglichkeit für Tiere und mit einem über den Rand ragenden Stock als Entweichmöglichkeit für Spitzmäuse, Mäuse, Käfer, etc. versehen sein.
Ausgehend von einer Erdkrötenpopulation von ca. 2000 Tieren wurden trotz des Krötenzaunes noch l0% der Tiere überfahren. Ohne Zaun besteht die Gefahr, daß die Verlustrate über einen für die Population bestandsgefährdenden Prozentsatz steigt (vgl. HEUSSER, 1974). Bei den Molchen muß ebenfalls befürchtet werden, daß ein zu hoher Anteil der Tiere dem Verkehr zum Opfer fällt. Zum Erhalt der Amphibienpopulationen im Einzugsbereich des Teiches am Forsthaus Laue sind daher dauerhafte Schutzmaßnahmen erforderlich.
Die wirkungsvollste der bekannten Hilfsvorrichtungen dürfte die Anlage von Krötentunneln mit fest installierten Leitvorrichtungen sein, wie sie bei
STOLZ/PODLOUCKY (1983) beschrieben werden. Es ist daher möglichst schnell zu prüfen, inwieweit sich eine solche Anlage im Bereich Forsthaus Laue realisieren läßt. Bis zu deren Fertigstellung müssen wie gehabt Plastikzäune mit Fangeimern, allerdings auf größerer Länge als bisher, aufgebaut und täglich kontrolliert werden.
Im Bereich der Straßenquerung durch die Amphibien sollten Autofahrer auf einer Strecke von ca. 700 m (bisher 400 m) auf die Tiere aufmerksam gemacht werden. Eine zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30-50 km/h zur Zugzeit könnte die Wachsamkeit noch erhöhen und diente gleichzeitig der Sicherheit der Betreuer des Zaunes.
Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Wiederherstellung des Teiches südlich der Straße (Entschlammung, Reparatur des Mönchs) und die Anlage von Kleingewässern im Bereich des abgelassenen Teiches im Westen. Obwohl dadurch das Problem der Straßenquerung der Erdkröten nicht gelöst wird (der wiederhergerichtete Tümpel südlich der K 56 kann kein Ersatz für das bestehende Laichgewässer sein), so besteht durch das Angebot mehrerer sehr unterschiedlicher Gewässer doch die Möglichkeit der Stabilisierung und Entwicklung der anderen Amphibienpopulationen. Vor allem für den Grasfrosch, der offensichtlich nur noch in wenigen Exemplaren hier vorkommt, könnte sich die Maßnahme positiv auswirken, weiterhin ist es möglich, daß sich mit der Zeit weitere Arten im Gebiet einstellen.
Der bestehende Teich sollte als wichtiges Laichbiotop für Amphibien und Lebensraum gefährdeter Tier- und Pflanzenarten nicht mehr fischereilich genutzt werden. Über die Zukunft des Gebietes, insbesondere Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, ist seitens des Naturschutzes möglichst bald mit den Eigentümern zu verhandeln. Eine Unterschutzstellung (NSG) des gesamten Biotopkomplexes zwischen der "Wildburg" und der Eisenbahnlinie Ottbergen - Wehrden wäre wünschenswert.
Literatur
Blab, J.(1979): Untersuchungen zur Ökologie, Raum-Zeit-Einbindung und Funktion von Amphibienpopulationen. Ein Beitrag zum Artenschutzprogramm. - Schriftenreihe für Landschaftspflege u. Naturschutz. 18. Bad Godesberg
Gössling, S., W.Fleuster u. B.v.Bülow (1981): Erdkröte - Bufo bufo (L. 1758) - In: Feldmann,R.: Die Amphibien und Reptilien Westfalens. Münster
Heusser, H.(1968): Die Lebensweise der Erdkröte Bufo bufo (L.); Wanderungen und Sommerquartiere. - Rev.Suiss Zool. 75: 927-982
Heusser, H.(1974): Frösche und Kröten haben einen neuen Feind: das Auto. - Aquarienmagazin 8: 174—180. Stuttgart
Stolz, F., M.& R.Podloucky (1983): Krötentunnel als Schutzmaßnahme für wandernde Amphibien, dargestellt am Beispiel von Niedersachsen. - Nieders. Landesverwaltungsamt, Fachbeh. f. Naturschutz: Informationsdienst Naturschutz 3., Nr. 1, 20 S.