EGGE-WESER | 1984/02 | Band 2 / Heft 4 |
158-176 |
Im vorigen Jahrhundert waren die durchschnittlichen Ernteerträge in der Landwirtschaft weit geringer als heute. Mißernten, die meist durch ungünstige Witterungsverhältnisse, aber auch durch Pflanzenkrankheiten und Schädlinge bedingt waren, konnten für die Bevölkerung zur Katastrophe werden. Der Witterungsverlauf in unserem Raum sowie seine und sonstige Auswirkungen auf die Ernteergebnisse und die Versorgungslage von den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts bis zum Jahre 1863 sind der Gegenstand dieses Beitrages.
Horst-D. Krus, Brakel-Bellersen
Das Wetter ist nicht nur in England sondern auch bei uns ein beliebtes Gesprächsthema. Die normalen, jahreszeitlich bedingten Wetterlagen und die von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Witterungsabläufe sorgen immer wieder für Abwechslung. Trockene und heiße Sommer können genauso vorkommen wie kühle und verregnete. Ebenso können die Winter mild oder aber streng und lang sein. Autofahrer, Landwirte, Bauarbeiter und ähnliche Personengruppen haben zwar zuweilen unter schlechtem Wetter zu leiden, im großen und ganzen beeinflußt der Witterungsablauf unser Leben jedoch kaum. Schon gar nicht denken wir bei Minderernten an Versorgungskrisen. Modernes Transportwesen und die hochentwickelte Landwirtschaft, die sogar regelmäßig unerwünschte Überschüsse produziert, sorgen dafür, daß die Regale der Supermärkte immer gefüllt bleiben. Allenfalls im Preis (soweit er nicht von der EG festgelegt ist) machen sich unterschiedliche Erntergebnisse bemerkbar, wie vor allem noch bei den Kartoffeln zu beobachten ist.
Im vorigen Jahrhundert sah es jedoch noch ganz anders aus. Die vergleichsweise gering entwickelten landwirtschaftlichen Methoden, Geräte und die weniger ertragreichen Getreidesorten sowie auch das Fehlen von Mineraldüngern und nicht zuletzt auch von Stalldünger in der notwendigen Menge bewirkten eine weit stärkere Abhängigkeit des Ernteertrages von den Naturbedingungen als heute. Da auch "Wohlstand", der sich im Besitz von Bargeld äußerte, auf dem Land nur wenigen vergönnt war, bedeutete eine Mißernte zugleich auch eine Nahrungsmittelknappheit für den "kleinen Mann", der auf seinem kleinen Grundstück weder selbst genug geerntet hatte, noch ausreichend Geld zum Zukauf von Lebensmitteln hatte, deren Preise durch die Knappheit in z.T. schwindelerregende Höhen getrieben wurden. Kennzeichnend für die Verhältnisse im 19. Jahrhundert (und natürlich auch in den Jahrhunderten davor) ist also die enge Abhängigkeit der allgemeinen Versorgungslage vom Witterungsverlauf und u.U. vom Auftreten von Pflanzenkrankheiten u.ä.
Diese Abhängigkeit aufzuzeigen, ist das Ziel des vorliegenden Beitrages. Als Beispiel wurde das Dorf Bellersen gewählt. Für diesen Aufsatz wurde in erster Linie die Gemeindechronik ausgewertet. Soweit im Text nicht andere Quellen angegeben sind, beruhen die Angaben auf der Chronik. Die heute leider nicht mehr namentlich bekannten zeitgenössischen Chronisten haben daher den Hauptanteil an den folgenden Ausführungen, mit denen nicht zuletzt auch ihre Arbeit gewürdigt werden soll.
Die Wahl Bellersens als Beispielort heißt nicht, daß es sich um spezifisch lokale Verhältnisse handelte. Da die landwirtschaftlichen und sozialen Umstände und naturgemäß besonders die Witterungsbedingungen (von eher örtlich begrenzten Wetterereignissen wie Hagelschauern, Starkregen usw. abgesehen) in einem größeren Bereich die gleichen waren, sind die
Die überregionalen Klimabedingungen fanden ihren direkten Niederschlag in der Versorgung der Bevölkerung. Neben den allgemeinen Angaben zum jährlichen Erntergebnis ist auch die Entwicklung der Preise für landwirtschaftliche Produkte ein guter Maßstab für die Versorgungslage und besonders die der ärmeren Leute. Die Getreide- und Kartoffelpreise von 1836 bis 1862 wurden, um den Text nicht noch länger und zu langweilig werden zu lassen, zu einem Diagramm verarbeitet, das es ermöglicht, mit einem Blick eine Übersicht über das Auf und Ab der Preise und ihre Höhe zu gewinnen. Es empfiehlt sich, beim Lesen diese Darstellung häufig zur Veranschaulichung zur Hilfe zu nehmen. Die soziale Lage des einzelnen war natürlich nicht nur von der Witterung abhängig. Auf weitere Aspekte wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen (KRUS 1981). Dort bereits angeführte Sachverhalte sollen in diesem Beitrag nur insoweit erwähnt werden, als es sich um Details naturkundlicher Art handelt.
Vor der Beschreibung des historischen Witterungsablaufs sollen zur Orientierung und um Vergleiche zu ermöglichen kurz einige Klimadaten vorgestellt werden. Da für Bellersen selbst keine Klimadaten exakt quantitativer Art vorliegen, muß auf Stationen der Umgebung zurückgegriffen werden. Der durchschnittliche Jahresniederschlag dürfte bei 800 mm liegen. Der Jahresgang des Niederschlages entspricht im Prinzip dem der Station Vörden. Das auf der nächsten Seite abgebildete Diagramm wurde aufgrund der Messungen von 1947 bis 1975 (DEUTSCHES METEOROLOGISCHES JAHRBUCH) angefertigt. Deutlich erkennbar ist das charakteristische Niederschlagsmaximum im Sommer und das Sekundärmaximum im Winter. Für die Temperatur sei die etwa 3 km entfernte Station Holzhausen gewählt. Das ebenfalls auf der folgenden Seite abgebildete Diagramm beruht auf den Zahlenangaben bei AHRENS (1956, S. 13). Aus dem KLIMAATLAS von NORDRHEIN-WESTFALEN (1960) sind außerdem folgende Daten entnommen, die für den Großraum gelten:
- mittlere Jahrestemperatur: 8°
- mittlere Jahresschwankung der Temperatur: 17°
- Anzahl der Tage mit mindestens 5 Lufttemperatur im Tagesmittel: 160
- Eistage (höchste Tagestemperatur unter 0°): 30
- Frosttage (tiefste Tagestemperatur unter 0° ): 100
- Sommertage (höchste Tagestemperatur mindestens 25°): 20 - 30
- frostfreie Tage (Bad Driburg): 165
- Nebeltage: 50
- Tage mit einer Schneedecke ≥ 0 cm: 40 - 50
Nach diesen m.E. notwendigen Vorbemerkungen wenden wir uns jetzt dem eigentlichen Thema zu. Das erste in der Bellerser Chronik erwähnte Wetterereignis war ein extremes Unwetter am 8.7.1809, das zu einer Überschwemmung des Dorfes sowohl aufgrund der starken Wasserführung der Brucht als auch zusätzlich der von den Feldern der Umgebung ins Tal stürzenden Wasserfluten führte. Mauern wurden unterspült, ein Haus fiel völlig auseinander. Heu und Holz wurden weggeschwemmt.
Schweine ertranken, und vom Wasser mitgerissene Kühe überquerten schwimmend das zum Strom gewordene Bruchttal. Der Sommer des Jahres 1811 war "heiß, trocken und fruchtbringend" (HAMM 1976, S. 132). Ganz im Gegensatz dazu stand das Jahr 1815, das als "Jahr ohne Sommer" oder als "Elendsjahr achtzehnhundertunderfroren" in die meteorologische Geschichte einging (a.a.O., S. 133). Der "Unsommer" 1815 sowie der ebenfalls kühle und nasse Sommer 1816 folgten dem Ausbruch des Tambora (Sumbawa) (FLOHN 1967, S. 83), dessen gewaltige Aschenmassen in der Atmosphäre möglicherweise zur "Einstrahlungsverminderung beigetragen haben. 1819 war "miswachsendes Jahr an allerhand Getreide und sehr drückend an Menschen und Vieh". 1821 "geriethen die Einwohner mehrstens Theils schon in eine langsame Armuth, und durch Mißwuchs und Hagelschlag geriethen sie in Armut und Schulden". Der Winter 1821/22 war sehr mild. HAMM 1976, S. 136), der folgende Winter kalt und anhaltend; am 24. Januar wurden in Bielefeld -26,2° C gemessen (a.a.O.). In den folgenden Jahren waren mit Ausnahme der Mildwinter 1824/25 und 1827/28 einige sehr strenge Winter zu beobachten, darunter auch der "Jahrhundertwinter" 1829/30 (v.RUDLOFF 1967, S. 148).
1830 wurde Bellersen wiederum von einer Mißernte betroffen. Der beste Morgen Roggen brachte nur 4 Haufen, die zusammen nur ungefähr 3 Scheffel Korn ergaben. Die Folge war eine so große Hungersnot, daß die Gemeinde zur Linderung der schlimmsten Not für 300 Taler Getreide in Brakel einkaufte. 1831 entstand schon wieder "eine sehr große, drückende Hungersnoth", so daß "arme Menschen wegen Hunger und wegen Armuth ... sich dem Tode ergeben mußten". Der Winter 1832 war fast durchweg niederschlagsfrei mit großer Kälte. Das Frühjahr war ebenfalls trocken und kalt bis Anfang Mai, so daß die Vegetation weit im Rückstand war. Dann setzte aber eine feuchtere Periode ein, so daß eine durchschnittliche Ernte eingebracht werden konnte. Um Mitternacht vom 14. auf den 15. August wurde in Bellersen ein Haus von einem Blitz getroffen, der aber weiter keinen Schaden anrichtete. 1833 waren die Monate Mai und Juni sehr trocken. Der Boden riß infolge der Dürre auf. Am 2. Juli fiel dann endlich der ersehnte Regen, der eine feuchte Phase einleitete. Das Wintergetreide brachte zwar wenig Stroh, aber aus einem Haufen Roggen wurden 2 Scheffel Körner gedroschen. Die Sommerfrucht fiel durchschnittlich aus. Im Jahr 1834, das eines der absolut wärmsten war, war der Sommer lang und warm (v.RUDLOFF 1967, S. 141).
Der Winter 1835/36 war sehr kalt (v.RUDLOFF 1967, S. 149). In Bellersen trat im Sommer 1836 eine Hungersnot "besonders unter den armen Leuten" ein. Mit der Ernte des Jahres konnte man aber zufrieden sein, so daß die Not ein Ende hatte. Besonders gut hatten sich die Kartoffeln entwickelt, die ja als billiges Grund- und Hauptnahrungsmittel gerade auch für die kleinen Leute mit wenig Gartenland von größter Bedeutung waren. Die Getreideernte war mittelmäßig. Die Obstbäume, vor allem die Zwetschen, saßen so voll, daß die Äste zu brechen drohten. In der Nacht vom 28. auf den 29. November suchte ein heftiger Sturm unser Gebiet heim und richtete großen Schaden in den Wäldern und an den Gebäuden an. Am 24. und 25. Dezember stürmte es wiederum heftig. Diesmal kam noch Schneetreiben hinzu, so daß durch Schneewehen die Wege unpassierbar wurden. Ganz Nordwestdeutschland wurde vom 5. bis 9. April 1837 von einem fürchterlichen Schneefall bedeckt (HAMM 1976, S. 144). In Bellersen waren vor allem der 6. und 7. die schlimmsten Tage, an denen über 3 Fuß (ca. 1 m) Schnee fielen! Für das Vieh und vornehmlich die Schafe bedeutete das eine harte Notzeit. Am 9. brauste wiederum ein Schneesturm über das Land, der mehrere Menschen, die sich über Land gewagt hatten, das Leben kostete. Der Schneesturm dauerte bis zum 13. April. Vom 13. bis zum 18. setzte freundliches, sonniges Wetter ein, und die Schneemassen schmolzen langsam ab. Am 19. fiel warmer Regen, der die letzten Schneereste verschwinden ließ. Für das kalte Frühjahr 1837 gibt es auch ein literarisches Zeugnis. Annette von DROSTE-HÜLSHOFF (1978, S. 101) dichtete aus Anlaß der Grundsteinlegung für das Abbenburger Vorwerk Hellersen (in der Nähe von Altenbergen):
"... Und lege den Stein im kalten Jahr Achtzehnhundertsiebenunddreißig, Wo der Maienmond nicht besser war als sonst ein milder Februar, Wo die Blumen erfroren und wurden zu Heu, So daß heut, an diesem 20. Mai, Ist der erste gut' und linde Tag, An dem man diesen Grundstein legen mag. ..."
Es folgte eine feuchte Periode mit guten Wachstumsbedingungen. Die Kornpreise waren aufgrund der günstigen Witterung nicht sehr hoch. Am 20. und 21. Dezember fiel so viel Regen, daß wieder etliche Häuser wegen Überschwemmung von den Bewohnern vorübergehend verlassen werden mußten. Die letzten Monate des Jahres waren überhaupt durch trübe Witterung mit Sturm und Schnee gekennzeichnet. Der Februar 1838 brachte unbeständige Witterung bis ins Frühjahr. In Bellersen war ein Nordlicht zu sehen. HAMM (1976, S. 144) gibt an, daß sich die Jahre 1838 bis 1841 durch auffällig viele im nördlichen Niedersachsen sichtbare Nordlichter auszeichnete, von denen das eindrucksvollste am 13.11.1838 zu sehen war. Die Sommermonate bis zur Ernte wiesen ziemlich gute Witterung auf. Auch zu Beginn der Erntezeit war das Wetter noch gut; dann aber setzte eine Regenperiode ein, so daß viel Korn auf dem Felde verdarb. Die Getreidepreise zogen daher an. Der Dezember war ein stürmischer Monat mit viel Regen. In den Wäldern war ein beträchtlicher Sturmschaden zu verzeichnen. Mehrmals trat die Brucht so weit über die Ufer, daß Teile des Dorfes überschwemmt wurden.
Januar und Februar 1839 waren unbeständig mit Schnee, Regen und Wind und wiederum häufigem Ansteigen des Wasserstandes in den Bächen. Am 21. Juli wurde Bellersen von einem fürchterlichen Gewitter mit Sturm und Hagel heimgesucht. Feldfrüchte wie namentlich Erbsen, Hafer und Flachs wurden zerschlagen oder zu Boden geworfen. Die vom Himmel kommenden Wassermassen sammelten sich und stürzten von allen Seiten ins Dorf. In viele Häuser trugen die Fluten Schlamm und Unrat. Heu und Holzvorräte wurden von den Wasserströmen weggeführt. Alles in allem war in kurzer Zeit ein sehr großer Schaden durch die entfesselten Naturgewalten angerichtet worden. Die Erntezeit begann im August mit ziemlich gutem Wetter, das sich bis zum Ende der Ernte hielt. Freundlich war die Witterung auch in den Herbstmonaten.
Das Jahr 1840 bescherte den erstaunten Zuschauern gleich am Abend des 6. Januar ein heftiges Gewitter, das "schaudervoll anzusehen" war. Der weitere Verlauf des Januar war durch Regen gekennzeichnet, der elf mal zu Hochwasser führte, wegen dem einige Bellerser etliche Male ihre Wohnungen verlassen mußten. Der Februar und die erste Hälfte des März brachten ein für die Jahreszeit gutes Wetter. In der zweiten Märzhälfte zeigte sich der Winter aber noch einmal mit Schnee und Sturm. Im April dagegen herrschte "frühlingsgute" Witterung, so daß "alles grünte und zu blühen anfing". Vom 15. bis 18. Mai bildeten sich bei Tag und Nacht eine Reihe von Gewittern, die mit Hagel und Regenschauern viel Schaden in der Feldmark anrichteten. Am 20. folgten erneut starke Regenfälle, die in der Nacht auf den 21. zum Teil in Schnee übergingen, dazu Sturm. Auch der Juni bis in den Juli hinein zeichnete sich infolge zahlreicher schwerer Gewitter durch Sturm, Regen und Hagel mit den entsprechenden Folgen für die Landwirtschaft aus. Die Bauern konnten kaum auf den Äckern arbeiten, und Kartoffeln, Heu und Klee drohten zu verderben. Hinzu kam, daß im Juni in Bellersen über 40 Schweine eingingen. Es nimmt nicht wunder, daß der Chronist von "Hungers Noth unter den Menschen und heimliche(r) Armuth" berichten mußte. Die letzten Tage des Juli brachten endlich gutes Wetter. Es wütete aber immer noch die erwähnte Schweineseuche, und es war "drückende Zeit zwischen der armen Klaße in hiesiger Gemeinde, weil es selben an Lebensmittell fehlte".
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Das Diagramm stellt den Verlauf der Preisentwicklung von 1836 bis 1862 auf der Grundlage der Gemeindechronik Bellersen dar. Lücken in den Kurven beruhen auf dem Fehlen von Angaben. Eine Ausnahme ist das Fehlen der Kartoffelpreise von 1851, als kein Preis bestimmt werden konnte, da praktisch keine Kartoffeln auf dem Markt waren. Wo die Unterlagen ausreichten, sind auch die Preisschwankungen innerhalb eines Jahres (z.B. Frühjahrs- und Herbstpreise) eingearbeitet. Bis Frühjahr 1842 beziehen sich die Preisangaben auf lippische Scheffel, ab Herbst 1842 auf Berliner bzw. preußische Scheffel (54,96 Liter). Da Scheffel Hohlmaße sind, ist beim Vergleich der einzelnen Getreidearten das unterschiedliche spezifische Gewicht zu berücksichtigen. Ab 1859 mußte offiziell in Gewicht, d.h. in Pfund () abgerechnet werden (z.B. in der Mühle). Man rechnete dann 85 Pfd. zu einem Scheffel Weizen, 80 Pfd. zu einem Scheffel Roggen, 70 Pfd. zu einem Scheffel Gerste und 50 Pfd. zu einem Scheffel Hafer. Bei Kartoffeln rechnete man 1 Zentner zu einem Scheffel, d.h. ein Sack hatte den Inhalt von 1 1/2 Scheffeln oder 1 1/2 Zentnern. Den Preisen liegt folgendes Münzsystem zugrunde: 1 Taler = 30 Silbergroschen à 12 Pfennige (KAHL 1972, S. 14).
Im August fiel zwar zuweilen etwas Regen, im großen und ganzen war der Beginn der Ernte jedoch durch gutes Wetter begünstigt, und der Roggen konnte ohne Schwierigkeiten geborgen werden. Für die Menschen war das ein Segen; denn "das alte Korn wahr nicht mehr voretig, sondern es fehlte einen jeden in hiesiger Gemeinde das nötige Brodkorn". Die Preise für Getreide, Erbsen usw. waren hoch. Ende August setzte wieder eine niederschlagsreiche Zeit ein, und für die Feldfrüchte sah es schlimm aus. Im September setzte sich die "ungestüme Witterung" fort, und "war nichts wegen die Feldfrüchte vor Augen zu sehen als Verderben derselben... Dieser Monat war ferner in der ganzen Zeit mit Regenwetter angefüllt, so das fast alle Sommerfrüchte als besonders Gerste, Hafer und Raufutter, dagegen Gerste absonderlich, auf dem Felde verdarb und faul wegen Näße und Waßer". Nach HENNING(1970, S. 50) sind unter Rauhfutter Leguminosen wie Wicken, Erbsen und Bohnen zu verstehen. Wegen der Kasse konnte auch nur wenig Roggen gesät werden. Die Feldbestellung blieb zurück. Die schlechte Witterung setzte sich bis in den Oktober fort, "so das es nicht bey dem Verderben der vorbesagten Früchte blieb; auch wurde dadurch die Kartofell Ernte ganz zurückgesetzt". Der November fing mit Frost und Schnee, was im Dezember fortdauerte, an, womit ein langer Winter seinen Anfang nahm.
Am 7. und 8. Januar 1841 fiel so viel Schnee, daß sich wegen der Verwehungen niemand über Land wagen konnte. Das Schneegestöber war "entsetzlich" und brachte eine Schneehöhe von über 2 Fuß (gut 60 cm). Die Schneemassen blieben aber nicht sehr lange liegen; denn bis zum 17. und 18. trat Regenwetter ein, und das Bruchthochwasser stieg infolge des Regens und der plötzlichen Schneeschmelze so hoch, wie es seit 31 Jahren (1809) nicht mehr gewesen war. Vom 18. bis 22. Januar suchte das große Hochwasser auch das Wesertal heim. Bodenwerder stand drei Tage unter Wasser. Die Weser führte die sonst in einem Vierteljahresdurchschnitt zu Tale gehende Wassermenge! (HAMM 1976, S. 146). In Bellersen verdarben den Einwohnern, die Wasser im Keller hatten, die Kartoffeln. Nach dem katastrophalen Tauwetter setzte sofort wieder strenger Frost ein. Erneut begann starkes Schneetreiben, und bald lag der Schnee wieder so hoch wie zu Anfang des Monats. Anfang Februar taute es wieder. Das war aber nur ein kurzes Zwischenspiel; denn der Rest des Monats sowie der März waren durch ziemlich viel Schnee und große Kälte gekennzeichnet. Der April zeigt sich anfänglich feucht, danach aber schön, "so das alles grünte und hervorkam wie in einigen Jahren nicht gewesen". Das schöne Wetter setzte sich Anfang Mai fort.
Dann folgte eine Regenperiode, die mit Ausnahme einiger vereinzelter niederschlagsfreier Tage den Juni, Juli, August, September, Oktober und November hindurch andauerte. Der Sommer 1841 gehörte mit zu den kühlsten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (v.RUDLOFF 1967, S. 142). Die Auswirkungen dieses Wetters auf Landwirtschaft und Versorgung liegen auf der Hand: "Dabey ist zu bemerken, das in dieser Zeit unter den geringen Einwohner die Lebensmittel stark abgenommen hatten und manger schon Hunger lit, wegen Geldmangell sich nichts anschaffen konten. " 22 Schweine gingen an der "Brune" ein. Da die Erntezeit verregnet war, verdarben das Winter- und Sommergetreide auf dem Acker durch Auswachsen. Erbsen und Linsen wurden schwarz und verdarben so zu einem großen Teil ebenfalls. Einige wenige gute Tage im September wurden zur Erntebergung genutzt, aber die Bauern mußten die Garben "so zu sagen weg stehlen". Am 22. September beendete ein heftiges Gewitter mit Starkregen und Hagelschlag die gute Zeit. Nicht nur die Ernte war beeinträchtigt. Auch die Herbstbestellung hatte zu leiden. Ein Drittel des Roggen- und Weizenlandes blieb in Bellersen zwangsläufig unbestellt. Im November ging der Regen schon zeitweise in Schnee über. Die Schneefälle setzten sich im Dezember fort.
Mit beständiger Schneedecke und Frost winterte es bis zum 16. Februar des Jahres 1842 durch. Dann wurde die Witterung besser bis zum März, der in buntem Wechsel Schnee, Regen und freundliche Tage brachte. Der April war zu Anfang ebenfalls veränderlich, dann aber gut bis zum Ende. Der Mai war sehr trocken, was zur Folge hatte, daß der harte Boden nicht umgepflügt und mit der Sommerfrucht bestellt werden konnte. Vor allem waren die kleinen Bauern bzw. die unterbäuerliche Schicht ohne eigenes Pferde- oder Kuhgespann und Gerät betroffen. Ihr Land mußte z.T. unbestellt bleiben, da die größeren Bauern, die es normalerweise gegen Entgelt (meist in Arbeitsleistung) mitbeackerten, zuerst ihr eigenes Land in Ordnung brachten, solange es die Bodenverhältnisse noch halbwegs zuließen. Anfang Juni zog ein kleines Gewitter auf, das den erlösenden Regen brachte. Einige Feldarbeit konnte noch nachgeholt werden, aber nach ein paar Tagen war die Erde wieder so ausgetrocknet wie zuvor. Der Juli war bis auf etwas Regen um die Mitte des Monats ebenfalls trocken. Der Roggen kümmerte und "stand ganz elend wenig, so das kaum gegen andere Jahre der 4te Theil hervorgewachsen war, eben so der Weitzen ganz kurtz und elend. Was nun der Sommerfrucht angeht, so verdorrten diejenigen, welche auf schlechten Ländereien standen und viele von diesen nicht mahl so weit gekommen sind, das mann nur kann sagen, ein geringes als Frucht und Stroh zurückerhielte, nein, auf schlechten bergischen Ländereien hat man gar nicht mahl die Sense aufbringen brauchen, nicht mahl die Einsath wieder zurückerhalten. Kartofell, welche auch auf solgen Lande geflantzen waren, konnten wegen Dürre nicht aufgehen und blieben sehr viele aus und sind gar nicht aufgegangen, imgleichen das Heu ist ganz schlecht gerathen. Was nun der Winterfrucht und Heu anbetrift, ist für andere Jahre dießes Jahr der 4te Theil hervor gewachsen." Dieses ausführliche Zitat bedarf wohl keines Kommentars! Bis auf unbedeutende Niederschläge in den ersten Augusttagen war auch dieser Monat trocken, wodurch die Feldfrüchte bald reif wurden. Am 23. August bildete sich ein Gewitter mit Hagelschauern und Wolkenbrüchen, die das gepflügte Land und den bereits aufgebrachten wertvollen Dünger wegschwemmten. In den ersten Septembertagen konnten schon die letzten Feldfrüchte eingefahren werden. Der September war bis auf die letzten Tage, wo Regenwetter einsetzte, ebenfalls trocken. Der Oktober brachte Regen und auch sonnige Tage, ein Wetter, mit dem die Bauern zufrieden waren. Im November wechselten Schnee, Regen, Frost und milde Tage ab. Über den Dezember konnte man sich auch nicht beklagen. Infolge der schlechten Ernte hatten die Getreide- und Kartoffelpreise in diesem Winter einen hohen Stand erreicht.
Im Januar 1843 bedeutete ein heftiges Gewitter wiederum Hochwasser. Weitere Hochwässer im Februar und März zwangen wieder einmal einige Einwohner Bellersens, ihre Häuser vorübergehend zu räumen.
Das Jahr 1844 begann mit Kälte und Schnee. Mitte Januar setzte Regenwetter ein, das wieder zu Hochwasser führte. Im Februar herrschte Frostwetter vor, das nur gegen Mitte des Monats von kurzem Tauwetter unterbrochen wurde. Ende des Monats führte die Brucht wieder Hochwasser. Der März war veränderlich, vor allem brachte er sehr viel Schnee und vom 21. auf den 22. einen heftigen Sturm. Der April war durchgehend trocken, der Mai ebenfalls kühl und trocken. Mit dem Juniwetter waren die Bauern zufrieden. Am Nachmittag des 9. zog ein Gewitter auf, das einen "recht schönen, angenehmen Regen", der das Wachstum begünstigte, brachte. Das Ende des Monats zeichnete sich durch eine anhaltende Niederschlagsperiode aus, die bis in den Juli fortdauerte, so daß die Heuzeit verregnete und viel Heu nicht in der gewünschten Qualität geborgen werden konnte. Im Juli besserte sich das Wetter aber, und der 23. und 24. waren sehr warme Tage. Der August war völlig verregnet mit einem großen Gewitter am 6.. Verregnet war auch der September, der erst am Ende trockene Tage brachte, die für die zwangsläufig aufgeschobene Roggenernte genutzt wurden. Der Oktober war anfänglich ebenfalls schön, aber am 6. wurde es für den Rest des Monats mehr oder weniger regnerisch, so daß die Ernte nur mit Glück und Geschick fortgesetzt werden konnte. Ausfälle gab es vor allem bei den Futterkräutern. Der November setzte zwar mit Schnee ein, dann folgten aber zum Glück gute Tage, und die diesjährige Kartoffelernte fiel recht ordentlich aus. Ende des Monats meldete sich der Winter mit Frost. Das kalte Wetter fand im Dezember seinen Fortgang.
Das Jahr 1845 begann mit einem sehr strengen Winter, der bis Ostern anhielt. Für die Karfreitagsprozession zum Lämmerkamp bei Bökendorf mußte mit einem Blockschlitten der Schnee von dem Prozessionsweg geräumt werden. Probleme gab es wieder durch den sehr regnerischen August, in dem der Roggen wegen der Feuchtigkeit auswuchs. Im September konnte die Getreideernte beendet werden, die alles in allem von mittelmäßigem Ergebnis war. Sehr zufrieden konnte man mit dem Wetter zur Zeit der Herbstbestellung sein, und schon bald zeigten sich die Roggen- und Weizenfelder in frischem Grün.
Dieser Herbst hielt aber eine böse Überraschung bereit. Die seit 1841 in Europa wütende, durch den Falschen Mehltaupilz Phytophtora infestans verursachte Krautfäule der Kartoffel (HAMM 1976, S. 148) hatte unser Gebiet und damit auch Bellersen erreicht. Die Kartoffelpflanzen bekamen schwarze Flecken an Kraut und Knollen und verfaulten. Die Ausbreitung und der Verlauf der Krankheit sind sehr von der Witterung abhängig. Bei feuchtwarmem Wetter entwickelt sich der Pilz äußerst schnell und kann in wenigen Tagen auch große Flächen befallen; bei trockenem und kühlem Wetter breitet er sich nicht aus. Wenn die Sporen bei Regen vom Blatt in den Boden gespült werden, infizieren sie auch die Knollen. (HAASE 1960, S. 221f.) Wie das auf den Äckern unserer Heimat aussah und welche Begründung man sich damals im Volk dafür zurechtgelegt hatte, beschreibt Wilhelm von WALDEYER-HARTZ (1920, S. 26), der die Katastrophe auf Abbenburg erlebte:
"Reichlich wurden Kartoffeln gebaut, deren Haupternte in den Monat Oktober fiel. Lebhaft ist mir in Erinnerung geblieben das Jahr, in welchem die sogenannte Kartoffelkrankheit zuerst auftrat. Es war ein trauriger Anblick, die großen Kartoffelfelder der Güter mit schwärzlichen, faulenden, niedergesunkenen Krautmassen bedeckt zu sehen, die einen üblen Geruch verbreiteten. Allgemein wurde damals im Landvolke der Rauch der die Fluren durcheilenden Lokomotiven - kurz vorher war eine Eisenbahn durch den Kreis gelegt worden - als Ursache der Erkrankung angesehen; auch mein Vater ließ sich lange Zeit von dieser Meinung nicht abbringen. Man hatte ja damals von der außerordentlich großen Bedeutung der Pilze als Krankheitserreger noch keine rechte Vorstellung. Selbst als die Pilze gefunden wurden, sagte man: 'Ja, die Pilze sind da, aber sie sind in den faulenden Massen entstanden oder haben sich dort angesiedelt, die Erreger sind sie nicht, wie sollen auch so unsichtbar kleine Wesen so ungeheure Verwüstungen anrichten!?' "
Die beschriebene Krautfäule, die mehrere Jahre grassieren und die Ernte vernichten sollte, war die Ursache einer drückenden Notzeit. In Irland, wo das Gros der Bevölkerung vom Kartoffelanbau abhängig war, sind die indirekten Auswirkungen der Krankheit ("potato blight") noch heute in der Landschaft sichtbar. Ca. 1 Million Menschen waren durch Hunger oder hungerbedingte Krankheiten umgekommen, eine weitere Million hatte die Insel nach England oder Amerika verlassen können, so daß 1851 nach der Großen Hungersnot ("The Great Famine") nur noch 6,5 Millionen Einwohner auf der Insel lebten (GREEN 1968, S. 274). Die Insel bot zwischen 1845 und 1851 ein Bild des Grauens. Überall lagen Leichen an den Straßenrändern, das Blut wurde dem lebenden Vieh abgezapft und getrunken, ja es kam sogar wegen der Hungerqualen zu Kannibalismus (NORMAN 1973 S. 109). Mit diesem kurzen Exkurs soll an einem Extrembeispiel gezeigt werden, wie sich Ernteausfälle auswirken können. Kehren wir aber jetzt in unseren Heimatraum und besonders nach Bellersen zurück.
Die Kartoffelernte des Jahres 1845 hatte dort nur den halben Ertrag normaler Jahre geliefert. Der Chronist schrieb 1846: "Die vorigjährige Kartoffel-Krankheit zeigte allgemein in den Familien der armen Volksklasse für dieses Jahr Hungersnoth an, so daß selbst die hohe Landesregierung durch Fürsorge bemühet war, einen Verein zu bilden, der durch ein Magazin von Anschaffung der Lebensmittel in unserem Kreise errichtet werden sollte. Selbst lag die Noth dieser Besorgniß in der landesväterlichen Milde, daß vom Auslande Korn und Lebensbedürfniße zollfrei gegeben sind."
Die anhaltende Dürre verursachte einen Wassermangel in der Brucht, aufgrund dessen die Bellerser Mühle ihren Betrieb einstellen mußte und die Bauern mit ihrem Korn nach Bredenborn oder gar Beller oder Erkeln zur Mühle fahren mußten. Trotz der Dürre war in Bökendorf in diesem Jahr infolge eines Gewitters mit Wolkenbrüchen Schaden auf den Feldern zu verzeichnen; in der dortigen Kirche stand das Wasser 3 Fuß hoch (SCHMEHL 1965, S. 14f.). Die Trockenheit hielt im Spätherbst an und ging in der Nacht vom 16. zum 17. November in klares Frostwetter über. Das Vieh konnte glücklicherweise noch in die Forsten, die reichlich Mast hatten, getrieben werden. Dann trat der Winter mit anhaltendem Frost und Schnee ein und "das Gemüße ging in den meisten kleinen Familien zu Ende". An den Kauf von Lebensmitteln war kaum zu denken, da die Fruchtpreise von Tag zu Tag stiegen.
Die im Dezember 1846 begonnene Kälteperiode dauerte bis zum 17. März 1847 fort. "Die Lebensbedürfniße waren schon im Anfange dieses Jahres bei der armen Volksklasse ganz und bei den bemittelten Stande in Hinsicht des Genußes meist vergriffen. Erbsen, Bohnen, Rauhzeug, Linsen, Mehl, Grütze und Graupen mußten alles ersetzen, was zur Nahrung nöthig, da insbesondere an das Kartoffelnkochen wenig oder gar nicht mehr zu denken war und deren Aussaat im Frühjahr allgemein bei den meisten mangelte. Die Hülsenfrüchte und sonst eben angeführte Nahrungszwecke wurden im Preise gleich dem Brodkorn immer steigender, so daß die geringe Volksklasse Mangel litt und nicht soviel verdienen konnte als dessen Noth forderte." Die Kornpreise kletterten in bis dahin ungeahnte Höhen (s. Diagramm!) und waren nur für die wenigsten bezahlbar. Um die allgemeine Armut und Not wenigstens etwas zu lindern, wurden die Gutsbesitzer vom Oberpräsidium in Münster in den Amtsblättern aufgerufen, durch Wegebaumaßnahmen und Forstarbeiten den armen Leuten ein Einkommen zu verschaffen. Die adeligen Höfe in der Umgebung von Bellersen gaben an ihre Tagelöhner das Brot bzw. Korn billiger ab als es die Tagespreise waren. Auch wurde dort den Armen schon einmal ein kostenloses Mittagessen verabreicht. Aber trotz dieser Hilfen "bleibt bei manchen Familienvater die Noth doch größer als dessen Verdienst und genießenden milde Gabe". Das Frühjahrswetter war wenig ermutigend. Es war wechselhaft, aber meist mit Nachtfrösten, so daß kaum an Garten- und Feldbestellung zu denken war. Noch Ostern (4. April) war kaum ein grünes Pflänzchen zu sehen.
"Gott wolle der bedrängten Menschheit ein sicherer Helfer sein!!!" wünscht verzweifelt der Chronist. Es kam noch schlimmer! In der Nacht vom 17. auf den 18. April fiel "ein dicker Fuß" Schnee, "wodurch nun Zaghaftigkeit und Mißmuth in Hinsicht der Theuerung für Mensch und Vieh bei vielen Einwohnern laut wurde". Der Schnee verschwand erst am 20.. Inzwischen kletterten die Preise weiter. Dem Leser mag das das diesem Beitrag beigegebene Diagramm verdeutlichen. Für die kleinen Leute war es praktisch unmöglich, Lebensmittel zu kaufen. Es gab natürlich auch Menschen, die das Elend ihrer Mitbürger zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen wußten: "Wer von den bemittelten Bauernstände noch ein bischen zu verkaufen hat, der braucht nur zu fordern, wenn auch der Preis nicht wirklich so ist, und es muß ihm gegeben werden, um der Hungersnoth zu steuern. So fordert der barmherzige, von Menschenliebe Durchdrungene seinen armen, Hunger leidenden Mitbruder für den Scheffel Kartoffeln 1 Taler 15 Silbergroschen im Kaufe ab, wogegen der Wucherer, habsüchtige und rafgierige Geizhals solche zu 2 Taler verkauft." 2 bis 21/2 Pfd. Schwarzbrot kosteten Mitte Mai 1847 5 Silbergroschen, was sich die Armen nicht leisten konnten. Anfang Mai schlug endlich die Witterung um, so daß mit Hochdruck an die Feld- und Gartenarbeit gegangen werden konnte. Das erste Grün wurde dankbar begrüßt. "Die erst(en) gewöhnlich frühen Kohlarten in den Gärten und Wiesen bildeten bei der geringen Volksklasse die Nahrung, den Hunger zu stillen, so daß man täglich ganze Schaaren Menschen zum Kohlsuchen (ziehen) sehen konnte." Mit dem "Kohl" ist wahrscheinlich vor allem der Giersch (Aegopodium podagraria), in Bellersen meist "Gäsekohl" genannt, gemeint. Eigene Versuche, ihn als Gemüse zu verzehren, waren nicht geeignet, eine besondere Zuneigung zu dieser Pflanze zu wecken, so daß ich glaube, daß die Bereitschaft zum Genuß dieses Gewächses ein guter Maßstab für den Grad des Hungers ist. An dieser Stelle sollte man sich vielleicht auch daran erinnern, daß die allgemeinen Hungerjahre 1846 und 1847 mit ihrem Elend der Anstoß für Friedrich Wilhelm Raiffeisen war, Unterstützungsvereine für die Landwirte zu gründen, deren Idee uns heute noch in Genossenschaften und Spar- und Darlehnskassen begegnet (HENNING 1978, S. 93). Die schlechte Versorgungslage hat auch zur Revolution von 1848 beigetragen, die daher auch "Kartoffelrevolution" genannt wurde (DÖBLER 1971, S. 252). In Brakel wurde am 11.2.1847 im ehemaligen Kapuzinerkloster eine Kochanstalt (Volksküche) eingerichtet, um die Bedürftigen zu unterstützen (EWALD 1925, S. 281). Die armen Bellerser erhielten eine gewisse Hilfe vom Staat. Vor der Ernte erhielt die Gemeinde 36 Scheffel Roggen auf Kredit. Ende Juli sah man mit Freuden, daß die Roggenähren schwer auf ihren Halmen hingen. Und mit der neuen Ernte wurden die Kornpreise "mit jeder Stunde gemildert". Aller Hunger hatte nun erst einmal ein Ende. Nicht zufrieden war man mit den Hülsenfrüchten, die gleich nach der Blüte von Mehltau befallen worden waren. Der Sommer 1847 war warm und trocken. Am 18., 19. und 20. August wurden 32 gemessen. Wassermangel legte wiederum die Bellerser Mühle still.
Der Winter von 1847 auf 1848 brachte anhaltendes Frostwetter und am 5. Februar den ersten Regen des Jahres. Der Vorsommer war trocken, und auch dies Jahr mußte das Getreide zum Mahlen in andere Orte gebracht werden. Die Ernte war ziemlich ergiebig und früh gereift. Der meiste Roggen war bereits auf Annentag (1. Sonntag im August) unter Dach und Fach. Bei den Kartoffeln allerdings wurden gleich nach dem Treiben die frischen Blätter von der bekannten Krautfäule befallen, wodurch die Ernte wiederum sehr gering ausfiel. Da aber genügend Getreide geerntet worden war, war die Versorgung der Menschen sichergestellt, und es brauchte daher nicht zu einer auf einseitiger Abhängigkeit von der Kartoffel beruhenden Hungerkatastrophe wie in Irland zu kommen.
1849 begann mit Frost. Dann fiel Schnee, der später von Sturm und Regen abgelöst wurde, der im Februar zweimal zu großen Wasserschäden auf den Feldern führte. Die Kornpreise waren im Frühjahr niedrig, und trotz der kleinen Kartoffelernte des Vorjahres waren die Kartoffeln mit 12 Sgr. 6 Pf. pro Scheffel so billig wie lange nicht mehr.
Strenge Kälte, die bis zum 26. Januar anhielt, und Schnee kennzeichneten den Beginn des Jahres 1850 . Am 26. stieg die Temperatur an, und es fiel Regen, der jedoch am Abend bereits wieder in Schnee überging. Die Frostperiode setzte sich dann fort. Im ganzen war der Winter aber nach Auskunft der Bellerser Chronik nicht übermäßig streng, vielmehr häufig mit Sturm oder Wind. HAMM (1976, S. 154) jedoch bezeichnet ihn als einen "sehr strengen Winter". Sommer und Herbst bescherten eine anhaltende Dürre zeit, die eine wenig ergiebige Ernte zur Folge hatte. Heu und Stroh gab es wenig. Besonders die Kartoffeln waren wieder einmal sehr knapp, was sich in hohen Preisen äußerte. Auch die Getreidepreise hatten wieder etwas angezogen.
Das Jahr 1851 begann mit einem extrem milden Winterwetter. Am 2. Januar konnte man die Felder pflügen! Diese milde Witterung hielt den Januar und Februar über an. Erst am 3. März schneite es mit einer Schneehöhe von 6 Zoll (ca. 15 cm). Das Thermometer fiel auf - 11 . Am folgenden Tag stieg die Temperatur jedoch schon wieder, und es setzte Tauwetter ein. Es begann damit eine Phase wechselnder Witterung mit Regen, Sturm und Schneetreiben, die sich bis zum 17. April hinzog, "von wo ab mehrere schöne und fruchtbare Tage glänzten". Der "Wonnemonat" Mai brachte ab dem 2. erneut naßkaltes Wetter mit Regen und Nachtfrösten. Am 2. und 3. Juni zeigte das Thermometer erfreuliche 25 Wärme. Die folgenden Tage waren ebenfalls warm und trocken, bis es am 9. Juni wieder zu regnen anfing. Der Sommer war "durchwachsen" mit veränderlicher Witterung, dabei sehr viel Regen. Ende August führte die Brucht Hochwasser, wodurch den Bellersern der Flachs durcheinander gewirbelt wurde. Einigen besonders Unglücklichen schwemmte das Wasser einen Teil des Flachses fort. Bei diesem Flachs handelte es sich um die Flachsstengel, die zum Faulen in den Rötegruben (Flachsrotte) lagen (s. hierzu HANSEN 1982, S. 274). Das Getreide war stark gewachsen, und so gab es viel Stroh; aber die Ausbeute an Korn war nur gering. Überdies hatte man bei der anhaltenden Nässe Mühe, die Ernte sicher einzubringen. Erbsen, Linsen und Rauhfutter wuchsen aber zum großen Teil aus und mußten abgeschrieben werden. In die Kartoffelernte hatte man in Bellersen besondere Hoffnungen gesetzt, da man im Frühjahr über 32 Scheffel neue Saatkartoffeln aus Herstelle bezogen hatte, die ohne Fuhrlohn 1 Taler 3 Sgr. pro Scheffel gekostet hatten. Aber die Hoffnungen waren vergebens gewesen. Alle Fruchtpreise waren gestiegen; von Kartoffeln konnte aber kein Preis genannt werden, "da keine Ernte zum Verkauf gediehen war". Der Herbst 1851 brachte mitunter bessere Witterung als der verregnete Sommer. Am 10. November fiel 1 Fuß Schnee, der am 12. schon wieder weggetaut war. Ab dem 17. schneite es dann wieder mehrere Tage, womit der Winter endgültig seinen Einzug gehalten hatte.
Unbeständiger Witterungsverlauf mit leichtem Frost und Regen bestimmte Januar und Februar 1852 , bis am 1. März schließlich über 30 cm Schnee fiel und darauf eine achttägige Periode mit strengem Frost folgte. Die Bauern waren darüber froh, weil sie nun mit ihren Schlitten bequem die Holz- und Düngerfuhren durchführen konnten, die davor wegen der aufgeweichten Wege und Felder nicht möglich waren. Die kleinen Leute hatten ihre eigenen Sorgen: "Bei der geringen Volksklasse wurde im Frühjahr häufig wegen Bedürfniße von Lebensmitteln Klage geführt, wovon der Grund in der vorjährigen Mißerndte der Kartoffeln lag. ... Der bemittelte Stand hat nach Abzug der Lasten und Abgaben kaum sein eigen Auskommen und kann deshalb wenige in der Noth beistehen." Ein glücklicher Umstand war da ohne Zweifel, daß viele Bellerser sich beim Bau der Eisenbahnlinie bei Altenbeken und Neuenheerse etwas Bargeld verdienen konnten.
Die Sommermonate zeigten eine günstige Mischung von Regen und Sonnenschein, so daß man sich überall an einer frühen Ernte erfreuen konnte. Im August waren bereits alle Feldfrüchte eingescheuert. Um Michaeli (29. September) war auch die Kartoffelernte beinahe schon beendet. In diesem Jahr gab es viel Heu und Klee, die bei der günstigen Witterung auch ohne Schwierigkeiten geborgen werden konnten. Das Getreide lieferte wiederum mehr Stroh als Körner. Das Gemüse war schlecht, insonderheit der Kohl. Die Kartoffeln waren besser geraten als im Vorjahre, aber immer noch von unterdurchschnittlichem Ertrag. Die Kartoffelernte scheint regional sehr unterschiedlich gewesen zu sein. In Roringen bei Göttingen war nach der völligen Mißernte des Vorjahres eine so reiche Ernte eingebracht worden, daß man aus Freude und zur Erinnerung einen "Kartoffelstein" errichtete (HAMM 1976, S. 154). Daraus wird erneut deutlich, welchen Stellenwert sich die damals noch gar nicht so lange eingebürgerte Knollenfrucht bereits erobert hatte. In Bellersen wurden in diesem Jahr noch einmal 80 Scheffel Saatkartoffeln zum Preis von 1 Taler 4 Sgr. 2 Pf. angekauft und zu diesem Preis an die "geringe Volksklasse" weitergegeben. Die Herbstwitterung war erfreulich, so daß die Viehherden noch lange nach Martini (11. November) auf die Weide getrieben werden konnten, was naturgemäß die Winterfutter-Vorräte schonte.
Auch der Winter des Jahres 1853 zeichnete sich meist durch gelinde Witterung aus. Erst im März fiel viel Schnee, der bis über das Osterfest liegen blieb. Die übliche Karfreitagsprozession zum Lämmerkamp mußte wegen der Unpassierbarkeit des Weges ausfallen. Schnee und Frost waren so mächtig, daß "der ärmeren Volksklasse die Beschaffung des nothwendigen Brennholzes sauer wurde". Am 1. April regnete es auf den Schnee, der daraufhin langsam wegschmolz. Das ungünstige Wetter erschwerte die Frühjahrsbestellung, die nur mit Mühe und Geschick und dann auch häufig viel zu spät durchgeführt werden konnte. Die Sommermonate brachten veränderliches Wetter. Anfänglich war man mit der Entwicklung der Ackerpflanzen wohl zufrieden; sie wurden aber erst spät reif, und die Ernte konnte wegen der Witterung nur mit besonderer Anstrengung durchgeführt werden. Es gab wieder viel Stroh und verhältnismäßig wenig Korn, ebenfalls wenig Kartoffeln. Das Gemüse wie Kohl usw. war nicht gut geraten. Das karge Ernteergebnis spiegelt sich in dem steilen Anstieg der Preiskurve wider: "Die geringe Volksklasse klagte um Weihnachten schon über Theuerung und Hungersnoth, wo sie nur 4 Brod für 5 Sgr. kaufen konnten." Die Not dürfte auch der Antrieb für einen Einbruch in die Scheune und den Keller des Pfarrers Schrader in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember gewesen sein, bei dem dem Pastor Kartoffeln gestohlen wurden. Gleich nach Martini setzte abhaltender Frost ein, weshalb das Vieh schon früh aufgestallt werden mußte. Mitunter fiel auch Schnee. Um Weihnachten erreichte die Kälte einen Höhepunkt, bis mit Schneefällen am 30. Dezember eine Milderung eintrat. Wegen des strengen Frostes konnten die Bellerser Mühle und die in der näheren Umgebung kein Mehl und Öl mahlen, und die Bauern mußten zu weit entfernten Mühlen fahren.
Der im Dezember gefallene Schnee blieb auch im Januar 1854 liegen, nur am 6. taute es kurzfristig. Erneutes Gefrieren sorgte für gefährliches Glatteis. Am Nachmittag des 29. fiel ein ergiebiger Regen, der eine milde Periode bis zum 7. Februar einleitete, in der der Schnee verschwand. Am 8. brachten ein Schneesturm und eine nachfolgende längere Frostperiode den Winter zurück. Im März herrschten schöne Tage vor, am 21. noch einmal Schnee und Frost. Der April war trocken, und die gesamte Vegetation entwickelte sich "zur Freuden der Menschenkinder" schnell. Die Freude wich jedoch einer herben Enttäuschung, als in der Nacht vom 24. auf den 25. April ein Frosteinbruch bewirkte, "daß das Laub mit ihren Blüthen auf den Bäumen, die Pflanzen in den Gärten und der Oelsaamen an vielen Stellen im Felde gänzlich erfroren war". Die Kohlpflanzen mußten nachgesät werden, und 100 Weißkohlpflanzen waren nicht unter 5 Sgr. zu haben. Ende Juni/Anfang Juli ließ anhaltendes Regenwetter die Hoffnung auf eine brauchbare Heuernte sinken, aber bald folgten schöne Tage, und Heu und Klee konnten ohne Verluste geborgen werden.
Für den Winter 1855 war strenge Kälte charakteristisch. Auch im Frühling fror es nachts recht häufig. Die Sommerfrüchte konnten glücklicherweise bei günstiger Witterung ausgesät werden. Für die Armen im Dorf waren noch einmal Pflanzkartoffeln angekauft worden, die erst im Herbst zu bezahlen waren. Die Zeit der Heuernte verregnete, was die üblichen Probleme mit sich brachte. Das kühle Regenwetter verzögerte zwar Wachstum und Reife des Getreides, es konnte aber bei günstigem Wetter eingescheuert werden. Die Ernte war mittelmäßig, die Kartoffeln brachten mehr als im Vorjahre. Im September erschwerte eine anhaltende Dürre die Aussaat der Winterfrucht erheblich. Der Winter fing mit strenger Kälte an. Am 2. Dezember erfror ein 17jähriges Mädchen aus Bellersen auf der Höhe zwischen Bellersen und Holzhausen auf ihrem Rückweg von Vinsebeck, weil Schneetreiben und hoher Schnee sie zu sehr erschöpft hatten. Der strenge Winter ließ die Holzpreise enorm ansteigen. Der Klafter (3,34 m3 bzw. rm) Buchenbrennholz kostete im Durchschnitt 5 Taler. Die Getreidepreise standen ebenfalls sehr hoch, genauso das Öl. Fleisch und tierische Fette waren hingegen nicht im Preis gestiegen.
Zu Beginn des Jahres 1856 lockerte der Winter seinen eisigen Griff. Der Schnee taute, und erträgliches Wetter dauerte bis zum März. Anfang März sah man die Bauern schon "die Rößlein anspannen" und Klee- und Brachland pflügen. Das gute Frühjahr wurde von einem kalten Vorsommer abgelöst, in dem bis Ende Juni Nachtfröste keine Seltenheit waren. Nach Auskunft des Chronisten fehlte nur noch Schnee zu einem vollkommenen Winter. Die Sommermonate waren durchgängig naß. Schwere Gewitter mit Hagelschauern waren häufig. Bellersen kam im Gegensatz zu anderen Dörfern aber noch glimpflich davon. Dieser Sommer zählt zu den allerschlechtesten des ganzen 19. Jahrhunderts (v.RUDLOFF 1967, S. 142). Die feuchte Witterung war ein ernstes Erntehindernis, die Bauern hatten allerdings darüber hinaus mit einer weiteren Plage zu kämpfen: "Bei der Reife der Früchte kamen eine so große Menge Mäuse ins Leben, daß viele Frucht auf der Erde von denselben abgefressen waren und solches auf den Grundstücken in den Mausehöhlen vorfindlich war. Dieser Mausefraß und die Vielheit der Mäuse war in diesen Jahre so groß, daß man eines Theils wegen der naßen Witterung und anderentheils wegen des Mausefraßes die Winterfruchtsaat bis in den Spätherbst verschieben mußte. Und wäre darauf der Herbst nicht trocken gewesen, so hätte manches Grundstück mit der Winterfrucht liegen bleiben müßen. An manchen Orten konnte man bei den Herbstpflügen mehrere Scheffel Korn in der Erde finden. ... Der frisch gesäete Roggen wurde von den vielen Mäusen total abgefreßen und die Saatländer durch unzählig viel Mausehöhlen vernichtet." Einige Bauern hatten versucht, die lästigen Nager zu vergiften, aber keinen Erfolg damit erzielt. Der Herbst war wettermäßig anhaltend gut. Der Anfang des Winters gestaltete sich im ganzen mild. Schnee und Regen und Sturm wechselten sich ab, was diesmal den Bauern sehr gefiel, weil ein Großteil der Mäuse durch das naßkalte Wetter und das Wasser in ihren Gängen vernichtet wurde.
Das abwechslungsreiche, im ganzen aber relativ milde Winterwetter setzte sich 1857 fort. Anfang März konnte man auch dieses Jahr ohne Bedenken die ersten Feldarbeiten verrichten. Der Sommer war ganz das Gegenteil des vorhergehenden Sommers. Er war trocken mit anhaltender Hitze, was nur durch häufige Gewitter unterbrochen wurde.
1858 glänzten am 2. Januar zwei wunderschöne Regenbogen am Himmel, was die Bellerser sehr wunderte. Der Januar war mild mit abwechselnd Regen, Schnee und etwas Frost. Erst am 1. Februar lag dann nach einem Schneesturm eine höhere Schneedecke. Im Frühjahr und Sommer war es meist trocken. Der Ertrag des Getreides erwies sich als durchschnittlich und war so im ganzen zufriedenstellend, ebenso Heu, Grummet und Klee. Erbsen, Linsen und Rauhzeug erbrachten dagegen wenig, da sie vom Mehltau befallen worden waren. Die Kartoffelerträge waren so groß wie schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Das drückte sich auch in dem niedrigen Preis von 12 Sgr. pro Scheffel aus. Rüben, Steckrüben und Weißkohl enttäuschten indes. Ein besonders seltenes Himmelsschauspiel war im September und Oktober 1858 das Erscheinen eines Kometen. Es handelte sich um den Kometen Donati, "der die September- und Oktoberabende des genannten Jahres durch seine feierlich leuchtende Erscheinung so sehr interessant machte. Damals wanderte alles nach Feierabend ins Freie hinaus, um den mächtigen Kornetstern mit seinem langen, schön gekrümmten Schweif anzustaunen" (BÜRGEL 1920, S. 340). Um Allerheiligen bewirkte schon starker Frost, daß das Vieh nicht mehr draußen gehütet werden konnte und das noch in den Gärten verbliebene Gemüse einfror.
So könnte es an einem sternklaren September- oder Oktoberabend des Jahres 1858 ausgesehen haben: Der Komet Donati strahlt über Bellersen. Charakteristisch für diesen Kometen war der "elegant" gekrümmte, glänzende Hauptschweif, der einen dünnen Nebenschweif zur Seite hatte. Der Komet war zur Zeit seines größten Glanzes 100 Mio. Kilometer von der Sonne entfernt; die Länge des Schweifes betrug rund 85 Mio. Kilometer. (BÜRGEL 1920, S. 341; Darstellung des Kometen in Anlehnung an eine Zeichnung von M. EIFFLER in BÜRGEL. S. 335)
1859 begann mit Frostwetter. Nach einigen Tagen folgte Regen, und dann blieb der Rest des Winters wechselhaft mit Schnee, Frost und auch Regen. Frühjahr und Vorsommer waren zu trocken, wodurch die Sommerfrucht z.T. verdorrte oder manchmal gar nicht erst zum Keimen kam. Roggen und Weizen wurden zur Blütezeit vom Mehltau befallen. Den genannten Voraussetzungen entsprechend fiel die Ernte nicht gut aus. Die Sommerfrucht war wegen der anhaltenden Dürre notreif geworden, und das Ergebnis beim Wintergetreide war bescheiden: "Man konnte von einer hiesigen Dresch-Ucht Roggen nur 2 bis höchstens 3 Berliner Scheffel dreschen." Gemeint ist damit wahrscheinlich die Menge Korn, die an einem Vormittag, d.h. von 3 bis 4 Uhr morgens bis Mittag mit dem Dreschflegel gedroschen werden konnte (s. HANSEN 1982, S. 188; Ucht = Morgendämmerung (MACKENSEN 1982, S. 1085). Der Weizen brachte zwar etwas mehr als der Roggen, aber das war kaum der Rede wert. Der einzige Lichtblick waren in diesem Jahr die Kartoffeln, die reichlich eingekellert werden konnten. Auch dies Jahr trat der Winter um Allerheiligen wieder sehr früh ein, weshalb das Vieh zeitig aufgestallt werden mußte.
Der Winter 1860 brachte mehr Regen und Wind als Frost und Schnee. Am 28. und 29. Februar richtete ein Sturm Schaden in den Wäldern an. Das Frühjahr war wiederum eine Dürrezeit mit den bereits mehrfach erwähnten Problemen bei der Bestellung der Felder. Ende Mai begann eine Regenperiode, die mit Ausnahme weniger Tage den ganzen Sommer und Herbst anhielt. Die Feldarbeiten mußten in großer Eile an den paar niederschlagsfreien Tagen verrichtet werden. Die Erntezeit machte witterungsmäßig keine Ausnahme; und obwohl viele Bauern ihre Früchte halbnaß einfahren mußten, wurden diese doch ohne größere Verluste geborgen.
So könnte es an einem sternklaren September- oder Oktoberabend des Jahres 1858 ausgesehen haben: Der Komet Donati strahlt über Bellersen. Charakteristisch für diesen Kometen war der "elegant" gekrümmte, glänzende Hauptschweif, der einen dünnen Nebenschweif zur Seite hatte. Der Komet war zur Zeit seines größten Glanzes 100 Mio. Kilometer von der Sonne entfernt; die Länge des Schweifes betrug rund 85 Mio. Kilometer. (BÜRGEL 1920, S. 341; Darstellung des Kometen in Anlehnung an eine Zeichnung von M. EIFFLER in BÜRGEL. S. 335)
Die Ernte war trotz der ungünstigen Bedingungen eine weit bessere als die des Vorjahres. Der Kartoffelertrag war mittelmäßig, das Gartengemüse allgemein schlecht. Auf der anderen Seite gab es viel Flachs und Obst. Schwierigkeiten tauchten wegen der Nässe wieder bei der Herbstsaat auf, die mit Mühe und Not um Allerheiligen beendet war. Vor und auf Silvester fielen 2 Fuß Schnee, und das Thermometer sank auf -18°.
Die Kälte und der Schnee dauerten im Januar 1861 fort. Extrem kalt waren die Nächte vom 8. auf den 9. und vom 15. auf den 16. des Monats. Am 24. und 25. taute es, und am 26. war Hochwasser zu verzeichnen. In der Woche vor Ostern und vor allem am Karfreitag war es schön und warm. Die Menschen hatten sich zu früh gefreut; denn von Ostern (1. April) bis zum 8. Mai "war immer rauhe Luft und kalte Tage, daß es immer elender schneiete als regnete". Am 9. Mai (Christi Himmelfahrt) endlich wurde es warm. Am folgenden Tag regnete es, und schließlich war es am 11. und 12. sehr warm. Juni, Juli und August "waren abwechselnd schöne Tage, mitunter Gewitter und starker Regen". In den letzten zwei Wochen des Juni zierte schon wieder ein glänzender Komet den Nachthimmel. Am 7. September zogen bei Tag und Nacht mehrere Gewitter über Bellersen. Vom 14. bis 26. war es regnerisch, vom 27. bis 8. Oktober wieder schön. Nach einem Gewitter am 9. kehrte das angenehme Wetter zurück und dauerte bis zum 24. Oktober. Der Monat endete mit Nachtfrost und Rauhreif. Der November war veränderlich und der Dezember mit Regen und Frost reichlich ungemütlich.
Der Winter des Jahres 1862 war "durchwachsen" mit Schnee, Regen und Frost. Der Mai machte seinem Ruf als "Wonnemonat" alle Ehre. Vom 14. Juni bis 5. Juli aber, als Heu- und Kleebergung im Arbeitskalender stand, regnete es. Obwohl das Heu nicht von bester Qualität war, so gelang es den Bauern doch, es ohne nennenswerte Verluste einzubringen. Entschädigt wurden die Landwirte in den Erntemonaten, die schön und trocken waren, wodurch sie das Korn bequem einscheuern konnten. Das trockene Wetter hatte aber auch einen Haken. Die von September bis Mitte Oktober andauernde Dürre war hinderlich bei der Herbstbestellung, da der Boden zu hart zum Pflügen war. So konnte die Wintersaat nur schwer und auf besonders schlecht zu bearbeitenden Feldern sehr spät eingebracht werden. Das Ergebnis der Wintergetreideernte war mittelmäßig, das der Sommergetreideernte dagegen gut. Besonders Rauhfutter gab es reichlich. Die Kartoffeln waren etwas besser als im Vorjahr ausgefallen, aber nicht so gut wie eigentlich erwartet. Im Frühjahr hatte man 100 Sack Pflanzkartoffeln zum hohen Preis von 2 Talern 1 Sgr. 11 Pf. pro 1 1/2 Scheffel plus Fuhrlohn aus Höxter bezogen, die aber die in sie gesetzten Hoffnungen bei weitem nicht erfüllten. Obwohl die Gemeindekasse angesichts des bescheidenen Ernteergebnisses den Fuhrlohn und die Zinsen für das in die Kartoffeln investierte Kapital übernahm, kamen besonders die ärmeren Leute die wenig ertragreichen Saatkartoffeln immer noch teuer genug zu stehen. In der Nacht vom 19. zum 20. November kam der erste Frost, und am 22. schneite es zum ersten Mal, und das Vieh mußte aufgestallt werden.
Der Winter 1862/1863 war sehr mild mit wenig Schnee und Frost. Schon am 20. Januar und am 5. Februar zogen Gewitter auf. Das Frühjahr war ebenfalls schön und begünstigte das Wachstum der Feld- und Gartenpflanzen; von Mai bis Juni war es dann wieder trocken und kalt.
Hier enden die für unser Thema bedeutsamen Eintragungen in die Gemeindechronik von Bellersen; denn "höheren Orts" war angeordnet worden, daß nicht mehr Witterung, Ernte und Fruchtpreise verzeichnet werden sollten, sondern das Hauptgewicht auf die Gemeindegerechtsame, Bauten und ihre Beitragspflicht usw. gelegt werden sollte. Es ist aber wohl auch am Beispiel des in diesem Beitrag behandelten kurzen Zeitraums deutlich geworden, wie die Ausprägung einzelner Naturbedingungen die Lage der Menschen in einem kleinen Dorf wie Bellersen bestimmten.
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