EGGE-WESER | März 1983 | Band 2 / Heft 1 | 8-12 |
Der Waschbär oder Schupp (Procyon lotor) in der Egge
Robert Backhaus, Willebadessen
Dieser aus den Wäldern Nordamerikas stammende Bär gehört zur Familie der Kleinbären. Er erreicht ein Gewicht von ca. 10 kg und eine Länge von 80 bis 90 cm. Seine Haarfarbe ist gelblichgrau, mit Schwarz durchsetzt. Bärinnen scheinen etwas heller gefärbt. Der etwa 25 cm lange Schwanz ist mehrfach schwarz quergebändert. Eine larvenartige schwarze Gesichtsmaske paßt zu dem unsteten nächtlichen Räuberleben des Waschbären. Seine Beine sind mäßig lang, fünfzehig und mit langen Krallen bewehrt. Die Fußsohlen berühren beim Gehen den Boden in voller Länge und sind unbehaart; die Sprungspur hat daher Ähnlichkeit mit der des Steinmarders.
Trotz seiner rundlichen und unbeholfen wirkenden Gestalt ist der Waschbär ein mäßig schneller Läufer und guter Schwimmer. Insbesondere ermöglichen ihm seine Krallen ein vorzügliches Klettern in Zweigen und an Drähten, wobei er sich zeitweilig auch mit dem Rücken nach unten fortbewegt. Zu weiten Sprüngen ist er allerdings nicht in der Lage. Hinsichtlich des Eindrucks, den er auf den menschlichen Beobachter macht, gilt für ihn wie für alle Bären die Brem'sche Charakterisierung "drollig, gemütlich-humorvoll". Gerät er aber in Gefahr, verändert sich sein Wesen sehr plötzlich. Er kann dann ohne vorherige Warnsignale (Zähnefletschen, Knurren usw.) sehr aggressiv werden und z. B. auch einen größeren Hund übel zurichten.
Der Waschbär ist überwiegend nachtaktiv. Im Raum Willebadessen konnte ich eine Bärin mit spielenden Jungen allerdings auch einmal während der Mittagsstunden beobachten, Auf einer kleinen Windbruchlücke in einer Fichtendickung nahe der Bahn genossen sie offensichtlich die wärmende Sonne und sterben sich nicht am Lärm vorbeifahrender Züge.
Zur Paarungszeit im Januar/Februar unterbrechen die Waschbären ihren Winterschlaf. Nach 9 Wochen wirft die Bärin 2-6 Junge, die behaart, aber blind zur Welt kommen. Da die Waschbären
Der Waschbär ist wie seine großen Vettern ein Allesfresser. Dem entspricht die Ausbildung seines Gebisses, das sowohl raubtierartige Fangzähne als auch zum Zermahlen pflanzlicher Nahrung geeignete Backenzähne enthält. Alles Genießbare wird genommen, neben animalischer Kost, ob roh, gekocht, gebraten, gerne Obst aller Art, auch Mais, Kuchen, Gebäck, Konserven u.a. Beim Verzehr von Steinobst werden die Steine in der Regel nicht mitverschluckt. Nach meinen Beobachtungen wer den Aas, Spitzmaus und Maulwurf verschmäht. Vorliebe zeigt er für alles Süße aus Garten und Küche. Auf der Suche nach Freßbarem revidiert er Papier- und Abfallkörbe. Vergrabene Abfälle (z. B. von Manövertruppen) werden wieder an die Oberfläche befördert. Als guter Kletterer dürfte der Waschbär nicht ganz unschuldig sein am Rückgang verschiedener Vogelarten wie z. B. der Hohltaube. Gelege von Schnepfen, Enten, Fasanen und anderen Vö geln werden geräubert. Auch ist er imstande, erheblichen Schaden unter Hausgeflügel anzurichten. Selbst als ein gewandter Fischer ist er bekannt. In Wassernähe seine Nahrung zu waschen, wobei besonders die Vorderpranten handartig gebraucht werden, hat ihm seinen Namen eingebracht. Sein Nahrungsbedarf ist im Spätsommer und Herbst stark erhöht, da für den Winter ein ausreichendes Fettpolster gebildet werden muß. Die Anlage eines Futtervorrates ist ihm nicht eigen, Frischkost wird bevorzugt. Je nach Art der aufgenommenen Nahrung wird breiiger oder geformter Kot abgesetzt.
Wie ist nun dieser exotische Kleinbär in unser Gebiet gelangt?
Seine Verbreitung nahm ihren Ausgang Mitte der dreißiger Jahre
Im Raum Willebadessen erschien eine Bärin mit 5 Jungen regelmäßig in einem Maisschlag. Eine Bärin mit 4 Jungen wurde hier 1963 an einer Schüttung für verwaiste Frischlinge beobachtet, und 1966 wurden 5 Bären mittels einer Kastenfalle gefangen und in ein Gehege gegeben. Im Warburger Wald wurde 1967 eine Bärin mit Jungen auf einer geschlossenen Kanzel, deren Tür etwas offen stand, entdeckt und dort eingesperrt, um sie am nächsten Tag abzuholen. Die Bärin hatte jedoch nachts ein Loch in die Bretterwand genagt und gekratzt und die Jungen ausquartiert. Eine bei Willebadessen im Stroh einer Feldscheune ausgemachte Bärin wechselte ebenfalls in der folgenden Nacht mit ihren Jungen die Unterkunft.
In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Waschbären, die durch die Jägerschaft erbeutet wurden oder aber dem Straßenverkehr zum Opfer fielen.
Offensichtlich bietet unser Mittelgebirge mit seinen zahlreichen Wasserläufen diesem Bären einen ihm zusagenden Lebensraum. Er findet hier ein breites Nahrungsangebot und gute Deckung unter Wurzeltellern in Erdlöchern, verlassenen Bauen von Fuchs, Dachs oder Kanin, in hohlen Bäumen, Schuppen, Scheunen, Strohschobern, Hütten, Durchlässen usw. Dementsprechend hat er sich mittlerweile weit über Hessen und
Er bietet ein weiteres Beispiel für die weltweit zu beobachtende Tatsache, daß die unbedachte Einbürgerung einer biotopfremden Art, falls erfolgreich, für das "Gastbiotop" durchaus negative Auswirkungen haben kann, aber nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Im Interesse eines umfassenden Schutzes ohnehin gefährdeter Boden- und Höhlenbrüter ist daher eine scharfe Bejagung des Waschbären angezeigt.
Er unterliegt in der Bundesrepublik dem Jagdrecht, genießt aber keine Schonzeit. Seine Erbeutung ist für den Jäger nicht so schwer; wegen seiner Vorliebe für Süßigkeiten ist er leicht in Kastenfallen zu fangen, die mit etwas Kuchen oder gesüßten Konservenfrüchten beködert und an geeigneten Plätzen wie z. B. Bachläufen aufgestellt sind.
Wird er vom Hunde verfolgt, versucht er möglichst aufzubäumen, setzt sich aber auch notfalls kräftig zur Wehr (s.o.). Im Herbst kann man ihn nachts leicht auf Obstbäumen, die von ihm heimgesucht werden, überraschen; so wurden im Sept. 81 bei Willebadessen gleich 5 Bären in einem Birnbaum angetroffen. Eine traditionelle nordamerikanische Jagdmethode besteht darin, nachts im Herbst die Bäume in den Obstplantagen abzuleuchten und angetroffene Bären herunterzuschießen. Bei uns ist die Verwendung künstlicher Lichtquellen zum Schuß auf dem Jagdrecht unterliegende Tiere verboten. Im Sinne einer scharfen Bejagung wäre zu überlegen, ob der Waschbär nicht wieder aus dem Jagdrecht herausgenommen werden sollte, was ihn juristisch den wildernden Katzen gleichstellen würde. Das Fleisch dieses Bären ist eßbar, muß jedoch aus verständlichen Gründen einer vorherigen Untersuchung (Trichinen) unterzogen werden. Sein Winterfell findet Verwertung in der Pelz Industrie.
Neben verschiedenen parasitären Wurmerkrankungen dürfte ihn wohl auch die Tollwut nicht verschonen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß diese oder andere Krankheiten die weitere Ausbreitung des Waschbären nennenswert beeinflussen.
Anmerkung: Die Abbildung ist im Heft nicht abgedruckt!